Mixtur

Kultur und Bildung im Schloss für alle

veröffentlicht am 26.11.2014 | Lesezeit: ca. 6 Min.

Es war im Jahr 1790, als Reichsritter Julius von Soden schrieb: „Da ich der festen Überzeugung bin, dass es zu meinen Pflichten gehöre, für Glückseligkeit der Menschen und den notwendigen Unterricht und Bildung der Jugend meiner Untertanen zu sorgen.“ Er wollte „Menschen bilden und beglücken“, wie es in seiner selbstverfassten Lebensgeschichte zu lesen ist. Als Herr über Dorf und Schloss Sassanfahrt lag ihm, dem engagierten Kind der Aufklärung, das Wohlergehen seiner Untertanen am Herzen. Und Untertanen hatte er zuhauf. Wenige Jahre vorher hatte er in seinem neu erworbenen Herrschaftsbereich wenige Kilometer südlich der Bistumsstadt Bamberg Neubürger angesiedelt. Menschen, die aufgrund der restriktiven Heirats- und Bürgerschaftsbeschränkungen im Hochstift Bamberg keine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben hatten. In Sodens kleinem Reich, das nur die Dörfer Sassanfahrt und Köttmannsdorf umfasste, konnte man sich niederlassen, heiraten und eine Familie gründen, ohne dass man eigenen Besitz nachweisen musste. Mehrere hundert Personen zogen also zu dieser Zeit nach Sassanfahrt und wohnten in den kleinen „Tropfhäusern“, die Soden für sie errichten ließ. Die beengten Wohnverhältnisse und die fehlenden Erwerbsmöglichkeiten für die Neubürger – Soden hatte zwar für Wohnraum in den Tropfhäusern gesorgt, aber nicht für Arbeitsplätze oder sonstige Einkommensquellen – führten bald zu sozialen Spannungen im Dorf. Einige Aufstände gegen den Grundherren blieben erfolglos, aber Soden sah sein aufklärerisches Experiment bald als gescheitert an und kehrte Sassanfahrt 1811 den Rücken. Von hehren Bildungsidealen war in einem Dorf, das noch über Jahrzehnte als Hort der Armut bekannt war, nichts übrig geblieben.

Viele lange Jahre war der Herrschaftssitz des Reichsgrafen, das kleine Schloss in Sassanfahrt, dann ein reines Wohngebäude. Adelige und bürgerliche Familien lebten hier bis vor rund zehn Jahren. Als die letzte Eigentümerin das Gebäude samt umgebenden Park veräußerte, sicherte sich die Marktgemeinde Hirschaid das wohl bedeutendste profane Denkmal des gesamten Gemeindegebietes, um es für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Doch was tun mit einer Immobilie, die ihre besten Zeiten deutlich hinter sich zu haben scheint? Aufgeteilt in fünf Wohneinheiten, äußerlich ein durchschnittliches Mehrfamilienhaus, umgeben von einer verwilderten Grünanlage. Kein sehr repräsentatives Anwesen, doch hier wartete ein Schatz darauf, gehoben zu werden. Mit der Entwicklung eines Nutzungskonzeptes wurde der ortsansässige Verein „Kunst- und Kulturbühne Hirschaid e.V.“ beauftragt, der in mehrjähriger Arbeit verschiedenste Möglichkeiten auslotete.

Öffentliche Zugänglichkeit, ansprechende Nutzungsvarianten für die Bevölkerung und viel Leben in den historischen Mauern, das waren die Vorgaben für das Konzept. Es lag also nahe, sich an die Ideale Julius von Sodens zu erinnern und Bildung und Kultur in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu kam, dass wie so oft auch hier die wirklich guten Ideen vor der Tür stehen, denn an der - wen wundert es? – Julius-von-Soden-Schule Sassanfahrt wirkten zwei engagierte Förderlehrer, die über Jahre hinweg für Schulen aus ganz Bayern handlungsorientierten Unterricht in Geschichte anboten. Selbst Hand anlegen, ausprobieren und unmittelbare Erfahrungen mit den Dingen machen, das war die Grundlage der Projektwochen „Steinzeit“ und „Mittelalter“. Viele Schüler und Lehrkräfte hatten diese Fortbildungen im Laufe der Jahre besucht und waren dafür nach Sassanfahrt gekommen.

Die Idee reifte, die Arbeit der Lehrer auf eine breitere Basis zu stellen und ihnen mit dem Schloss und dem umgebenden Park einen Ort zu schaffen, an dem Lernen in einer inspirierenden Atmosphäre stattfinden kann. Ein langer Atem war nötig, um vom bayerischen Kultusministerium zumindest eine halbe Lehrerstelle zugesprochen zu bekommen. Das heißt, einer der beiden Förderlehrer ist seit diesem Schuljahr mit der Hälfte seiner Dienstzeit vor Ort im Schloss, um die bisherige Arbeit auch auf andere Unterrichtsfächer wie Deutsch, Mathematik, Musik und andere auszudehnen. Noch in diesem Schuljahr sollen die ersten Projekttage stattfinden. Auch hier sind wieder Angebote für Klassen nicht nur aus der Umgebung geplant.

In Zusammenarbeit mit der Bildungswerkstatt werden nach und nach die Projekte für Schüler auch in kreative Angebote für alle Alters- und Gesellschaftsgruppen entwickelt. Ziel ist eine „Kreativakademie“, die das Schloss Sassanfahrt als Ort der Kultur, der Bildung und der Kreativität überregional bekannt machen soll. Alle Bürgerinnen und Bürger, die ihre kreativen Potentiale entdecken wollen, sollen im Schloss Sassanfahrt eine Heimat finden, sei es künstlerisch oder handwerklich. Dazu wird es Kurse und Seminare in den Bereichen bildende Kunst, Musik, Literatur etc. geben, wobei ein Fokus auch auf die Bedürfnisse der Inklusion und der Demographie gelegt wird. Zudem ist die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Institutionen der Region vorgesehen, ein breites Netzwerk der Kreativen kann sich im Schloss entfalten.

Drei Säulen sind es, auf denen die Arbeit im Schloss Sassanfahrt künftig ruht: eigene Kulturveranstaltungen mit Vorträgen, Konzerten, Lesungen und Theatervorstellungen; die Angebote der Bildungswerkstatt, die das Gebäude und den Park mit Leben und Inspiration erfüllen und zu guter Letzt die Möglichkeit, private Feiern, Tagungen oder Seminare als externer Nutzer durchzuführen. „Menschen bilden und beglücken“ – was für Julius von Soden in privater Enttäuschung und für die Sassanfahrter Bevölkerung in Not endete, entsteht im „Julius von Soden Kultur- und Bildungszentrum Schloss Sassanfahrt“ neu.

Copyright Foto: Außenansicht Schloss Sassanfahrt © Annette Schäfer

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