Klassiker

Weihnachts- und Silvesterkonzert mit Ivan Podyomov

Amsterdam-Visite, Albinoni, Bach, Mahlerisches und gute Wünsche

veröffentlicht am 23.12.2014 | Lesezeit: ca. 8 Min.

Es seien hier noch nachgereicht, zu unserer Besprechung des Konzertes der Bamberger Symphoniker vom vergangenen Wochenende (siehe ART.5/III unter http://www.art5drei.de/artikel.neo?aid=683), zwei Photos. Das von Ivan Podyomov, neben Barbara Bode Solo-Oboist der Bamberger Symphoniker (und als solcher ganz erheblich an der wahrlich unerhört fabelhaften Aufführung des D-Dur-Konzertes von Brahms – im Adagio zumal – wie auch der Sechsten von Beethoven, beteiligt), hat Alexei Zoubov gemacht, das von Daniele Gatti Charis Akriviadis. Gatti ist hier zu sehen am Pult des Concertgebouw. Das Amsterdamer Orchester gilt vielen als das weltbeste. Ehe Gatti dessen Chefdirigent werden wird, wird der derzeitige Chef, Mariss Jansons, ein letztes Mal am 19. März sowie tags drauf „als chef-dirigent van het Koninklijk Concertgebouworkest“ am Pult seines Noch-Orchesters stehen, spätere Rückkehren als Gastdirigent, die wir Jansons und dem Concertgebouw von Herzen wünschen, naturgemäß nicht ausgeschlossen.

In seiner langen Geschichte hat das niederländische Phänomenalorchester erst wenige Chefdirigenten gehabt. Gatti wird 2016ff. der siebte sein. Auf den ersten Chef, Willem Kes, folgte 1895 für ein langes halbes Jahrhundert Willem Mengelberg nach, der den Grundstein für die überragende Mahler-Tradition des Concertgebouw legte. Diese führten Eduard van Beinum (1945–1959), der noch immer genialische Bernard Haitink (1963–1988) und Riccardo Chailly (1988–2004) fort sowie, in der letzten Dekade, Mariss Jansons (auch mit dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks). Auch der gebürtige Mailänder Gatti versteht sich vorzüglich auf mahlerische Musik, was er mit dem Concertgebouw im bald vorvergangenen Jahr mit der Neunten und in diesem November mit der Sechsten unter schlagkräftigen Beweis gestellt hat.

Den Gedanken Gattis wie Jansons‘, Chaillys und Haitinks zu Mahlers symphonischem Kosmos kann man folgen in Wolfgang Schauflers 2013 bei der Universal Edition – also in Wien – erschienenen Band „Gustav Mahler. Dirigenten im Gespräch“. Vertreten sind darin so gut wie alle bedeutsamen Mahler-Dirigenten dieser Tage (auch Claudio Abbado, der am 20. Januar verstarb; ein Nachruf ist in ART.5/III nachzulesen unter dem Link http://www.art5drei.de/artikel.neo?aid=275), ausgenommen einmal Roger Norrington.

Der achtzigjährige Maestro aus Oxford wird am 14. März Michael Tippett, Benjamin Britten und Ralph Vaughan Williams mit den Bamberger Symphonikern machen und sich zwei Tage zuvor an einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Tage der britischen Musik beteiligen. Ausgenommen auch Eliahu Inbal, der mit dem RSO Frankfurt einen wichtigen Mahler-Zyklus vorgelegt hat, und James Levine. Jonathan Nott aber, Herbert Blomstedt (bei dem man eher an Bruckner, an Brahms, auch an Beethoven denkt als an Mahler) und Gustavo Dudamel, die man alle von Konzerten an der Regnitz her kennt, hat Schaufler zu Mahler befragt.

Zurück zu Ivan Podyomov. Der russische Oboist, Jahrgang 1986, ein Schüler Maurice Bourgues, gewann gleich zweimal den zweiten Preis beim ARD-Wettbewerb, 2007 und 2011. Als Solist zu hören ist er heute abend beim Weihnachtskonzert der Sinfonietta Bamberg im Keilberth-Saal in Telemanns d-moll-Konzert (weitere Informationen zu den Ausführenden und zum Programm in ART.5/III unter http://www.art5drei.de/artikel.neo?aid=631). Darüber hinaus wird Podyomov am Silvesterkonzert in der Oberen Pfarre mitwirken, die nach ihrer Sanierung in neuem Glanz erstrahlt. Gemeinsam mit dem Bamberger Streichquartett wird Podyomov dann Albinonis so schönes wie bekanntes d-moll-Konzert aufführen, außerdem Bachs ebenso in d-moll stehendes, gleichfalls immens bekanntes, nicht minder schönes Doppelkonzert für Oboe, Violine (Raúl Teo Arias), Streicher und Basso continuo (am Cembalo: Natalia Solotych), Bachwerkeverzeichnis 1060.

Karten für das um 21 Uhr beginnende Silvesterkonzert im Vorverkauf zu EUR 22,00 (ermäßigt € 17,00) auf allen Plätzen bei bvd-Kartenservice, Tel.: 0951-980 82-20; www.bvd-ticket.de und an der Einlasskasse unter 0170-5 84 65 20.

Karten für das Weihnachtskonzert heutigen Dienstag in der Konzerthalle, los geht es um 20 Uhr, sind zu haben hier: bei allen üblichen Verkaufsstellen, heißt es vom Veranstalter, und beim BVD Bamberg www.bvd-ticket.de Tel. 0951.9808220
Die Konzertkarten berechtigen zum ermäßigten Eintritt einiger Veranstaltungen der Bamberger Mozartgesellschaft sowie der Bischberger Schlosskonzerte im Jahr 2015

Nachsatz: Als Gustav Mahler im Oktober 1903 zum ersten Male sich nach Amsterdam aufmachte, um seine Dritte dort zu dirigieren („Nach dem Schlußakkord ein Jubel, der etwas imponirendes hatte. Alle sagen mir, daß seit Menschengedenken so was nicht da war. Den Strauss, der hier sehr en vogue ist, habe ich um Ellenlänge geschlagen“; Brief an „Mein theueres Almschili!“, Gustavs Gattin Alma, vom 23. Oktober), schickte er von unterwegs, aus Frankfurt, an seine Frau eine Ansichtspostkarte, die das Goethehaus zeigt und auf welcher ihr Mahler unter anderem mitteilt: „Prachtvoller Zug – von hier aus bis Amsterdam D-Zug mitfortwährenden belegten Brötchen u. Sherry! Herrliches Wetter!“

Untergebracht war der dirigierende Komponist, der komponierende Dirigent Mahler bei Willem Mengelberg. Um 10 Uhr kam Mahler an, und eine halbe Stunde später „saß ich bereits am Kamin bei Mengelbergs und kaute Eidamer.“ Über das Concertgebouw ist er des Lobes voll: „Das Orchester ist vortrefflich und sehr gut einstudirt.“ Und schreibt wenige Zeilen weiter über seine Dritte („meine 3.“): „Die versetzt Einem ordentlich den Athem.“ Voll des Lobes ist Mahler zudem über die Musikkultur in den Niederlanden und das vorbildliche Publikum. Auf einer Ansichtskarte von Zaandam, der sechsten von neun, die er allesamt an einem einzigen Tag, dem 22. Oktober 1903, an Alma addressierte, heißt es: „Die musikalische Cultur in diesem Lande ist stupent! Wie die Leute blos zuhören können!“ Dergleichen wünschte man sich bisweilen, das sei nebenbei gesagt, auch bei uns.

Die Zitate stammen aus der ersten Gesamtausgabe der Briefe Gustav Mahlers an Alma, die herausgegeben und erläutert von Henry-Louis de La Grange und Günther Weiß unter dem Titel „Ein Glück ohne Ruh‘“ 1995 in Berlin bei Siedler erschienen ist. Weiß, der im März 2007 verstorbene Dirigent, Musikwissenschaftler, Kulturpolitiker und Pädagoge war im Übrigen gebürtiger Oberfranke, Begründer der Internationalen Musikbegegnungsstätte Haus Marteau und, 1984, Gründer des Jugendsymphonieorchesters Oberfranken. Dessen Dirigent ist derzeit Till Fabian Weser. Womit wir zu den Bamberger Symphonikern zurückkommen, in deren Reihen Weser Trompete spielt. Man kennt ihn aber längst auch als Dirigenten, weiters als künstlerischen Leiter der Sommer Oper Bamberg, die im Juli Mozarts „Zauberflöte“ geben wird. Mehr hierzu, zur Sommer Oper, sehr bald in ART.5/III.

Weil es in einer (Mozart-)Oper ja primär um die Stimme, um das Singen geht, nutzen wir diese Vorlage, um mit einem Gedicht von Peter Härtling – dem die Musik sehr lieb ist, was sich beispielsweise an dessen Romanen zu Schubert, zu Schumann, zu Fanny Hensel-Mendelssohn, zu E.T.A. Hoffmann in seiner Bamberger Zeit und zur Familie Mozart ablesen lässt – unseren Leserinnen und unseren Lesern ein gutes, ein gelingendes, ein gesundes und ein an „Glück“ (so heißt Härtlings Sing- und vielleicht auch Sinngedicht) keinesfalls armes neues Jahr zu wünschen, dem eine frohe Weihnacht vorausgehen möge.

Glück

Nichts mehr,
was dich treibt,
nichts mehr,
was dich hält.
Auf den Hügel hinauf
und so lange nach Innen singen,
bis die Stimme
dich aufhebt
und mitnimmt.

- Peter Härtling

(aus: Horizonttheater. Neue Gedichte. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1977:44)

Fotos © Alexei Zoubov (Ivan Podyomov) und Charis Akriviadis (Danielle Gatti)

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