Bamberg - Kulturperle der Europäischen Metrolpolregion Nürnberg?
Kulturbarometer mit Peter Braun
veröffentlicht am 11.01.2013 | Lesezeit: ca. 7 Min.
Die Kultur in Bamberg wird vordergründig ausschließlich mit Superlativen gelobt. Welterbetitel und Orchester dienen als oberste Legitimation für eine erfolgreiche Kulturpolitik. Mit dem Stadttheater, einem seit vielen Jahren unfertigen Museum und den kulturellen Bildungsreinrichtungen sieht sich die Politik seit Jahren hervorragend aufgestellt. Innerhalb der Metropolregion gilt Bamberg als herausragender „Kultur-Cluster“.
Wird da denn mit dem richtigen Maß gemessen und auch nichts übersehen?
Die Weihrauchschwenker verwechseln Welterbefassaden mit Kultur. Kultur, im Sinne von Kunst und Kultur, bedeutet aber Inhalt, nicht Fassade. Bambergs Kulturpolitik kann weder gut aufgestellt noch erfolgreich sein, weil Bamberg keine initiative Kulturpolitik betreibt. Die Stadt leistet vertragserfüllende Zuschüsse zu Stadttheater und Staatsphilharmonie, und das ist gut so. Doch schon bei den vielbemühten „Bamberger Symphonikern“ ist die Betonung „Bamberger“ ein Deckmantel der fehlenden Kulturpolitik. Das Orchester ist Bayerische Staatsphilharmonie, mithin weitestgehend freistaatfinanziert. Den Restbetrag teilen sich Stadt und Landkreis. Die Stadt trägt damit nur um die 12 Prozent. Das internationale Künstlerhaus ist gleichfalls eine Einrichtung des Freistaates. Über diese Fremdfedern hinaus, ist Bamberg kulturpolitische Provinz, der sehr viel Geld im Intendantentheater versickert. Kultur heißt Streben nach Qualität, künstlerischer Einzigartigkeit, gesellschaftsspiegelnder Bedeutung, doch geistfreies Blumenmusical-Gehopse hat nichts davon, und rückwärtsgewandte Historienspielchen waren allenfalls 1933 erwünscht. Kurz: Um der behauptete Kulturcluster zu sein, fehlt der Stadt Fortschrittlichkeit. Sekt-und Orangensaftveranstaltungen genügen dafür nicht. Nebenbei bemerkt: Auch Städte wie Coburg oder Hof haben Theater und Orchester gleichzeitig. Bamberg ist da nichts Besonderes. Die Stadt leiste sich das Kulturleben einer Großstadt, ist nur ein gern erzähltes Ammenmärchen. Bambergs Kulturlandschaft ist zudem nicht stadt- sondern maßgeblich bürgergetragen. Vereine, Kleinkunstbühnen, Ateliers, Clubs: Sie füllen den Veranstaltungskalender, auf den die Kulturpolitik als Erfolg verweist, ohne sie angemessen zu unterstützen. Großplastiken, die sich die Stadt auf die Werbefahne schreibt, wurden durch Bürgerspenden bezahlbar, Großplastikausstellungen nur durch das Engagement des einstigen Künstlerhausdirektors Bernd Goldmann möglich. Überzogenes kulturpolitisches Eigenlob ist daher nicht angemessen. Ich plädiere stattdessen für einen realistischen Blick auf Bamberg. Was haben wir Gutes, das wir fördern, wo haben wir Defizite, die wir beseitigen, wo ist das Neue, das wir anpacken sollten.
Freie Kultur und zeitgemäße Soziokultur kommen auf der Agenda der Bamberger Parteien nicht vor, wie Kulturpolitik im Allgemeinen kaum Erwähnung findet. Wie schätzt Du den „blinden Fleck“ der Bamberger Kulturpolitik ein? Ist er mehr ein Fall für das Arbeitsamt oder verschenken die Entscheidungsträger hier ein unglaubliches Potential, indem sie viel links liegen lassen?
Bambergs Künstler zumindest sitzen immer schon mit einer Backe im Arbeitsamt und natürlich verschenken die Entscheidungsträger künstlerisches Ideenpotential. Doch wie soll sich dieses Potential entwickeln, wenn ihm beständig das nötige Umfeld verweigert wird. Siehe: Kesselhaus. Hervorragender Ausstellungsraum, sehr gute Ausstellungen, und natürlich wieder eine Initiative von Bürgern, die sich dort aber nur gnadenhalber aufhalten dürfen, bis sich ein geldbringender Investor findet. Wer jedoch Kulturleben bekommen will, muß Kulturlebensräume schaffen. Bambergs Politikbekenntnisse zur Kultur sind zu oft Lippenbekenntnisse in Sonntagsreden und Wahlkampfprogrammen. Ein tiefgreifendes Engagement für Bambergs Künstler und Kulturvermittler sehe ich nicht. Genausowenig das Erkennen und Fördern der künstlerisch kulturellen Möglichkeiten der Stadt. Die Basis dafür wäre da. Was hier von den Musik-, Kunst-, Literatur-, Theaterszenen an Arbeit, Zeit und Herzblut aufgebracht wird, ist unglaublich, doch sie werden von der Politik zu häufig alleingelassen und bestenfalls mit Brosamen abgespeist.
Bei kulturpolitischen Debatten wird oftmals auf Städtevergleiche zurückgegriffen: „Die Nürnberger haben aber...!“, „Die Schweinfurter können das aber...!“ usw. Natürlich ist das stets ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, denn die Voraussetzungen der jeweiligen Städte sind unglaublich verschieden. Dennoch wird Kultur mehr und mehr zum wichtigen Faktor im Städtewettbewerb. Wo siehst Du Städte, auf die wir blicken sollten, zu denen wir den Vergleich nicht scheuen sollten und mit denen wir letztlich auch mithalten könn(t)en? Sind wir in diesem Sinne eine „Kulturstadt“ mit bundesweiter Ausstrahlung?
Abgesehen von der Bayerischen Staatsphilharmonie, hat die Stadt lediglich eine touristische, aber keine dauerhafte, künstlerisch kulturelle bundesweite Bedeutung. Die Ausstrahlung städtischer Kulturpolitik erlischt zumeist schon in Stegaurach. Wir werden auch künftig nicht mit den Hauptstädten der Welt mithalten können, aber wir können mit den Kulturhauptstädten Europas konkurrieren sofern wir investieren. Auf sie sollten wir blicken und ihre Ideen betrachten, um aus ihnen eigene Ideen zu entwickeln, damit Bambergs Kulturlandschaft zukünftig der einnahmenstarke Wirtschaftszweig wird, der er sein kann. Bamberg unterschätzt den Wirtschafts- und Zukunftsfaktor Kultur viel zu sehr. Viele europäische Städte, die gestern in Kultur investierten, haben heute den Gewinn daraus.
Mit Blick auf die Kulturpolitik der letzten zwölf und mehr Jahre - ist für Dich eine Richtung erkennbar? Würdest Du sagen, dass sich diesbezüglich seit gut sechs Jahren etwas verändert hat?
Bambergs Kulturpolitik hat keine Richtung, weil sie weder Zielvorstellung noch Plan hat, und daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert. Sie stagniert meistenteils. „Hexenthemenwochen“, „Kulturklassen“, „Kultur- & Schulservice“ sind gute Ansätze, von denen wir weit mehr brauchen.
In einem guten Jahr sind Stadtratswahlen. Was würdest Du der Kulturpolitik der nächsten Generation im Stadtrat raten?
Ich weiß nur, was ich machen würde. Bambergs Kunst und Kultur wird sich nur entwickeln, wenn ihr Kulturreferent nicht mehr aus Politik und Verwaltung kommt. Mein Vorschlag ist: Wir brauchen zunächst einen Kulturreferenten aus der eigenen Kunst- und Kulturszene, der Bambergs Kulturlandschaft ganz genau kennt und Einblick in die Bedingungen kulturellen und künstlerischen Lebens hat. Er, oder selbstverständlich sie, muß eigene Ideen haben, er darf sich den Ideen und Bedürfnissen der Bamberger Kulturlandschaft nicht mehr verweigern, vor allem aber muß er die Versäumnisse und Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte beseitigen, um so das Feld für den nächsten Kulturreferenten zu bereiten, der dann dringend bald von außen kommen muß, um mit seinem freien Blick, seinem Schwung und seinen Ideen die Stadt vorwärtszubringen, um wiederum den Stab weiterzureichen.