Lange Nacht der Alten Musik
Jos van Immerseel & Co. in Nürnberg
veröffentlicht am 24.03.2015 | Lesezeit: ca. 5 Min.
Geschlagene sechsunddreißig Monate, oder, kurz, drei Jahre, hatten sich Liebhaber der „Langen Nacht der Alten Musik“ in Geduld zu üben. Nun steht, am 25. April von 18 Uhr an, eine Neuauflage an. Zum Abschluss der Musica-Antiqua-Spielzeit lautet der Tenor „Mythos“. Die mythische Tour durch das Germanische Nationalmuseum wird direkt auf BR-Klassik übertragen. Bespielt werden in insgesamt zehn Konzerten der Aufseßsaal, der Saal des 20. Jahrhunderts und die Kartäuserkirche.
Mythos, das ist ein schillernder Begriff, der sich aus dem altgriechischen Wort, so will es der Duden, für „Sage u. Dichtung von Göttern, Helden u. Geistern; legendäre, glorifizierte Person o. Sache“ herleitet und unter welchem man ursprünglich eine Mär, eine Erzählung – der Grimm spricht von einer „sage“, einer „unbeglaubigten erzählung“ – verstand, die das Selbstverständnis einer Kultur zum Ausdruck bringt. Mythen jedenfalls, legendäre Helden und Götter, haben ein ums andere Mal Komponisten inspiriert.
Dem Mythos des Hirten, wie er sich in der Musik spiegelt, spüren Les Musiciens de Saint-Julien nach, deren Name sich auf den ersten Bischof von Le Mans und Schutzheiligen von dessen Kathedrale gründet. „Le Berger poète“ ist ihr Programm überschrieben, der Hirtendichter. Zu Gehör gebracht wird Pastoralmusik aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts, etwa François Couperins bekannte verliebte Nachtigall, „Le Rossignol en amour“, oder die C-Moll-Suite für Traversflöte und Generalbass von Jacques Hotteterre, in welcher sich Ensemblegründer François Lazarevitch solistisch hervortun kann. In einem weiteren Konzert mit dem Titel „Je voy le bon tens venir“ werden Vokal- und Instrumentalwerke vom späten 14. bis ins frühe 15. Jahrhundert erklingen, darunter Kompositionen des Trouvères Adam de la Halle, der die Liebesgeschichte zwischen einem Ritter und einer Schäferin, zwischen Marion und Robin, in volkstümliche Melodien übersetzt hat.
Ebenfalls zweimal wird das schwedische Ensemble Villancico zu erleben sein. „Curi Muyito – der Goldsame. Multi-ethnische Mythen aus dem barocken Ecuador“ heißt es von 20 Uhr an, während um 22.15 Uhr „Schnee im Feuer. Der Mythos der Heiligen Nacht im Barockdschungel Lateinamerikas“ dargeboten wird. Man darf sich auf farbenfrohe Renaissance- und Barockmusik aus dem Dschungel freuen, bei welcher auch Tänzer ein Wörtchen mitzureden haben.
Mit dabei bei der Langen Nacht ist weiters die Accademia del Piacere mit ihrem an Charisma nicht armen Gründer und Leiter, dem Gambisten Fahmi Alqhai. Das Ensemble zeichnet sich durch eine enorme Musizierfreude aus, besticht durch Virtuosität und gefällt wegen seiner innovativen Programmgestaltung. In Nürnberg lassen Alqhai und der Flamencosänger Arcángel die Musik der Kolonialzeit und den Flamenco in den Dialog treten. Mit einem englisch-französischen Angebot wartet Anima Eterna Brügge auf. Die mal zu siebt oder zu acht, mal mit sechseinhalb Dutzend Musikern (auf historischen Instrumenten) aufspielenden Interpreten haben sich der „Begeisterung für Klang, der Suche nach der Schönheit“ verschrieben. Es ist die „unbezwingbare Lust, mit Gleichgesinnten zu musizieren“, die sie antreibt. Gegründet hat Anima Eterna 1987, als noch Werke des Barock im Zentrum standen, der belgische Cembalist, Organist, Pianist und Dirigent Jos van Immerseel, der das Ensemble nach wie vor leitet.
Von Johann Sebastian Bach machte sich Anima Eterna auf zu Mozart und Haydn und Beethoven, nach einer Dekade auch zu den Romantikern, zu Mendelssohn Bartholdy und Schubert. Inzwischen hat man sogar Namen wie Mussorgsky und Liszt, Maurice Ravel und George Gershwin im Repertoire. Ausgangspunkt ist immer eine intensive Quellenforschung und die optimale Vorbereitung auf Instrumenten in einer Beschaffenheit, wie sie der Komponist gehört und gekannt hat. „Musik soll klingen!“, so das Credo. Die Mission: „Meisterwerke aus allen Zeiten für Ohren von heute!“ Bei der Langen Nacht der Alten Musik gibt Anima Eterna die viersätzige Suite Pelléas et Mélisande, op. 80, von Gabriel Fauré. Fauré war der erste einer Reihe von Komponisten, die sich von dem gleichnamigen Schauspiel Maurice Maeterlincks haben inspirieren lassen, darunter Debussy, Schönberg und Jean Sibelius. Von Elgar wird die Serenade für Streicher erklingen, von Debussy die Tänze für Harfe und Streichorchester mit der Solistin Marjan de Haer, von Camille Saint-Saëns die „Grande fantaisie zoologique“, also „Der Karneval der Tiere“.
Wo wir gerade in Nürnberg sind: Am 31. Mai ist in der Kartäuserkirche des Germanischen Nationalmuseums die Capella Antiqua Bambergensis zu Gast. Das Sonderkonzert zur Cranach-Ausstellung nennt sich „Die Schlange und das Lamm – auf den Spuren der Familie Cranach“ und bietet eine musikalische Reise vom Mittelalter bis in die Renaissance, mit Werken etwa von Hildegard von Bingen, von Ludwig Senfl und Heinrich Isaac. Die Harfenistin (und Sopranistin) Arianna Savall wird ebenso zu erleben sein wie der norwegische Sänger Petter Udland Johansen.
Copyright Fotos:
Ensemble Accademia del Piacere -Saal, Foto © Fernando Gomez
Fahmi Alqhai und der Flamenco-Star Arcangél, Foto © Volker Strüh
MUSICA ANTIQUA, Foto © Anima Eterna