Klassiker

Franz Liszt in Thüringen

Die Liszt Biennale hat Premiere

veröffentlicht am 24.03.2015 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Heinz Erhardt, der am Leipziger Konservatorium Klavier und Komposition studierte, schloss sein Gedicht „Ein Pianist spielt Liszt“ mit den Versen: „O eminenter Tastenhengst, / der du der Töne Schlachten lenkst / und sie mit jeder Hand für sich / zum Siege führst, dich preise ich! / Und jeder Hörer merkt alsbald: / du siegst mit Liszt, nicht mit Gewalt!“ Einige große Pianisten, die sich den exorbitant schwierigen Klavierwerken von Liszt widmen, werden bei der Liszt Biennale Thüringen zu Gast sein, die vom 20. Mai bis zum 25. Mai erstmals veranstaltet wird.

Dieses neue Festival steht in der Nachfolge der „pèlerinages“, die Nike Wagner von 2004 bis zum vorvergangenen Jahr geleitet hat. Das so geheißene Kulturfest Weimar hat die Ur-Enkelin von Richard Wagner und Ur-Urenkelin von Franz Liszt an Christian Holtzhauer abgegeben und verantwortet nun die Liszt Biennale. Über ihren Ur-Urgroßvater sagt Wagner, er stehe „mit Goethe und Schiller auf EINEM Sockel im Zentrum von Weimar, ein musikalischer Dritter im Bunde. Hier wurde der gefeierte Klaviervirtuose zu einem Komponisten, der bis in die Moderne hineinwirkt. Der Offenheit seiner Musiksprache entsprach die Freiheit seines Geistes.“ Dieser „musicien voyageur“, so die künstlerische Leiterin der Biennale weiter, spiele mit den Unterschieden zwischen den Nationen und mache sie fruchtbar. Liszt „zeigt uns ein vereintes Kultur-Europa. Aber Weltbürger sein genügt nicht, Liszt wird hinreißend durch seine Musik.“

Die Biennale startet am 20. Mai im Südthüringischen Staatstheater mit einem Konzert der Meininger Hofkapelle. An deren Pult steht Generalmusikdirektor Philippe Bach, auf dem Programm stehen drei Totentänze. Der Danse macabre op. 40 von Camille Saint-Saëns wird flankiert von einer deutschen Erstaufführung, dem Totentanz des Engländers Thomas Adès, und dem Totentanz für Klavier und Orchester von Liszt, der zum Finale erklingt. Der Italiener Enrico Pace übernimmt den Solopart, Nike Wagner die Eröffnungsansprache.

„Virtuosität. Hexerei?“ lautet das Biennale-Motto. Von scheinbarer Hexerei, von seinem hochvirtuosen Klavierspiel, wird Pace eine weitere Kostprobe geben am 22. Mai im Riesensaal des Schlosses zu Sondershausen. Auf dem Liszt-Flügel von anno 1875 interpretiert der Italiener unter anderem Schumanns sich E.T.A. Hoffmann verdankende Kreisleriana, Beethovens Fantasie op. 77 sowie „Vallée d‘Obermann” aus den Années de pèlerinage I, Suisse. Bernd Glemser, der Würzburger Pädagoge und Pianist, wird am 20. Mai im Theater Gera Liszt spielen, beispielsweise dessen Transkription von Wagners „Liebestod“. Die Sopranistin Kim Sheehan, die bereits mit dem Zürcher Opernhaus und dem Royal Opera House London zusammengearbeitet hat, gibt Arien von Mozart, Rossini und Salieri. Laurent Wagner leitet das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera.

Am 23. Mai darf man sich auf den „Tannhäuser“ freuen, und welcher Ort wäre wohl authentischer für diesen „Sängerkrieg auf der Wartburg“ als der Festsaal der Wartburg in Eisenach, wo das legendäre Ereignis vor acht Jahrhunderten stattgefunden haben soll? Für die halbszenische Aufführung zeichnet der Meininger Intendant Ansgar Haag verantwortlich. Die Leitung der Meininger Hofkapelle hat abermals Philippe Bach inne. Ernst Garstenauer singt den Landgraf Hermann von Thüringen, Paul McNamara die Titelrolle. Naturgemäß werden auch Wolfram von Eschenbach (Dae-Hee Shin), Heinrich der Schreiber (Stan Meus) und Walther von der Vogelweide (Rodrigo Porras Garulo) mit von der Partie sein. Den Chor des Meininger Theaters hat der Niederländer Sierd Quarré einstudiert.

In der Aula der Friedrich-Schiller-Universität zu Jena werden Nike Wagner und Igor Levit am 21. Mai Liszt vergegenwärtigen. Die Festivalgründerin liest aus den Schriften ihres Ur-Urgroßvaters. Sie handeln von Liszts Weg zum singulären Klaviervirtuosen und gehen zudem der Frage nach, wie der Künstler der Zukunft sein solle. Levit, der für seine Einspielung der späten Beethoven-Sonaten mit dem ECHO Klassik 2014 bedacht und 2009 beim Kissinger Sommer mit dem Luitpoldpreis für junge Künstler ausgezeichnet worden ist, Igor Levit, den die FAZ-Kritikerin Eleonore Büning vor fünf Jahren als „einen der großen Pianisten dieses Jahrhunderts“ feierte, wird das Opus magnum der Etüdenliteratur zu Gehör bringen, die zwölf Etudes d’exécution transcendante. Liszt hat sie 1852 vorgelegt. Einige tragen programmatische Titel, beispielsweise das Finalstück („Chasse neige“, also Schneetreiben) oder die dritte Etüde („Paysage“, Landschaft). Dieser Abend wird am 24. Mai in Eisenach wiederholt.

Trägerin der Liszt Biennale ist die Deutsche Liszt-Gesellschaft mit Sitz in Weimar. Im Großen Haus des dortigen Deutschen Nationaltheaters werden die Staatskapelle Weimar und die Herren des Kammerchores der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar am 24. Mai den Sonnenhymnus des heiligen Franz von Assisi sowie die beiden symphonischen Dichtungen „Orpheus“ und „Prometheus“ machen. Am Pult wird Peter Gülke stehen. Die Biennale, die am 25. Mai im Weimarer Liszt-Haus zu Ende geht, dürfte, das steht zu vermuten, schon bei ihrer Erstauflage zu begeistern wissen. Auch jenseits von Hexerei und Virtuosität.

Copyright Fotos:

Staatskapelle Weimar, Foto © Matthias Horn

Liszt-Flügel, Riesensaal, Foto © Deutsches Nationaltheater Weimar

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