Hintergrund

Vier Augen sehen mehr als zwei: Silke Rieger und Monika Ammerer-Düll

Die treibenden Frauen hinter den Rother Bluestagen im Gespräch

veröffentlicht am 21.02.2024 | Lesezeit: ca. 10 Min. | von Andreas Bär

Silke Rieger und Monika Ammerer-Düll, hier zusammen mit Bürgermeisterin Christine Lux (von rechts), zeichnen federführend verantwortlich für die Programmgestaltung der Rother Bluestage

Silke Rieger und Monika Ammerer-Düll, hier zusammen mit Bürgermeisterin Christine Lux (von rechts), zeichnen federführend verantwortlich für die Programmgestaltung der Rother Bluestage, Foto © Andi Bär

Nach dem Jubiläum ist vor den Bluestagen. In der beschaulichen Kleinstadt Roth freut man sich auf die 31. Auflage des Festivals. Die bisherige Erfolgsgeschichte – das lässt sich einmal mehr schon im Vorfeld feststellen – findet dabei eine Fortsetzung. Nicht nur ein Hochkaräter ist in der Zeit von 16. bis 24. März vor den Toren Nürnbergs zu Gast. Bei einem Festival, das längst in einem Atemzug mit anderen grandiosen Jazz- und Blues-Veranstaltungen genannt wird. Und das Roth in seiner Bekanntheit enorm hilft. Grund genug, für Art. 5|III, sich mit den beiden Festivalmacherinnen Silke Rieger und Monika Ammerer-Düll im Vorfeld zu unterhalten. Zusammen zeichnen die beiden seit 16 Jahren federführend und maßgeblich für die Planungen und das Gelingen der Erfolgsgeschichte verantwortlich, sind in der Programmgestaltung und den Abläufen an der Seite ihres Teams unverzichtbarer Bestandteil geworden.

Hallo Frau Rieger. Wie geht es Ihnen denn so einige Tage vor Beginn der Rother Bluestage? Überwiegt die Freude, dass wieder einmal ziemlich viel reibungslos im Vorfeld über die Bühne ging oder hat die Anspannung auf das kommende Programm schon die Oberhand gewonnen?

Silke Rieger: Die Freude überwiegt – das Gros an Planung, Vorbereitung und Werbung ist gelaufen und jetzt heißt es nochmal durchatmen und (nebenbei) den laufenden Betrieb abwickeln, denn bis zu den Bluestagen haben wir noch anderes ansprechendes Programm im Hau

Hallo Frau Ammerer-Düll: Schafft man es eigentlich in der jährlichen Arbeit so etwas wie Routine zu erlangen oder ändern sich die Abläufe je nach den Planungen und vor allem den Zusagen?

Monika Ammerer-Düll: Ja und nein. Natürlich haben wir längst eine Routine entwickelt, was die doch immer sehr ähnlichen Abläufe vor einer Veranstaltung betrifft. Und auch auf die besondere Situation eines Festivals, für das man neun Tage am Stück auf Achse ist, teilweise sogar mit zwei parallel stattfindenden Konzerten, sind wir immer gut vorbereitet - weil wir um die Stärke des gesamten Teams wissen. Jede/r weiß, was er/sie zu tun hat. Nun ist es aber so, dass kein Veranstalter sich darauf ausruhen kann, ein gutes Angebot ans Publikum gemacht zu haben. Wir sind zu 100% abhängig von der Reaktion unserer Besucher. Und das ist immer wieder aufs Neue das große Fragezeichen, das einem durchaus auch mal schlaflose Nächte beschert. Wenn es darum geht, jede Woche aufs Neue den jüngsten Vorverkaufsbericht zu lesen, stellt sich wohl nie Routine ein. Wir arbeiten schließlich für die Menschen, die zu uns kommen, nicht für unser Ego.

Jetzt ist es Ihrem Team gelungen, mit Keb’Mo‘ einen derer zu gewinnen, den Sie seit Urzeiten auf der Agenda hatten. Ihre Partnerin Monika Ammerer-Düll hat diesen Coup auf eine Stufe gestellt mit der Zusage von Gary Moore vor einigen Jahren. Erzählen Sie doch mal. Wie darf man sich so etwas vorstellen?

Silke Rieger: Ja dem großen Glück geht oft eine monatelange Zitterpartie voraus – ein Nachfragen und Hoffen… Dadurch, dass man den Platz ja dann auch ziemlich lange freihalten muss, steht die Festivalarchitektur, wie wir es nennen, oft bis zum Schluss auf wackligen Füßen. Das ist echt nervenaufreibend – weil dann auf den Punkt ja alles andere auch passen muss. Im vergangenen Jahr wars so mit Thomas D & The KBCS. Aber das Glücksgefühl ist dann umso größer (strahlt).

Monika Ammerer-Düll: Das Engagement von Gary Moore war damals ein besonderer Meilenstein für uns, da wir ihn 2007, also in unserem ersten Jahr als Kulturfabrik-Leitungsteam, engagieren und damit signalisieren konnten, dass auch wir große Fische an Land ziehen. Bei Keb‘ Mo‘ verhält es ich ein bisschen anders, die Freude über seine Zusage ist eher inhaltlicher, denn sportlicher Natur.

So ein bisschen ist er ja auch vergleichbar mit den Rother Bluestagen. Die Sehnsucht nach Schlichtheit und Authentizität prägt beide Seiten. Würden Sie Wetten abschließen, dass er nach seinem Gastspiel in der Kulturfabrik sofort noch einmal zusagen würde? Schließlich war der Abend mit ihm binnen kürzester Zeit ausverkauft.

Monika Ammerer-Düll: Ich sehe das ehrlich gesagt ein bisschen anders. Wir alle haben viele verschiedene Sehnsüchte. Es gibt eine Zeit für Schlichtheit, aber auch eine Zeit für Ausgelassenheit, eine Zeit für Bombast und selbst eine Zeit für extreme Gefühle wie Wut oder Verzweiflung. Ein über 70-jähriger Eric Burdon ist immer noch wütend auf der Bühne - und das zu erleben ist elektrisierend und vor allem nicht weniger authentisch. Und mal ganz ehrlich: Was gibt es Authentischeres in uns als uns selbstvergessen zur Musik zu bewegen – egal, welches Gefühl sie hervorruft. Ob Keb‘ Mo‘ noch einmal zusagen würde, kann ich nicht beantworten. Ich kann lediglich versichern, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, damit es sich bei uns wohlfühlen wird. Und diesen Anspruch haben wir bei all unseren Künstlern.

Jetzt geht es in Roth ausdrücklich nicht nur um die Stars der Szene, die freilich die Kirsche auf der Sahnetorte sind. Oft haben noch kleine Sternchen am Blueshimmel sich erste Meriten bei euch verdient, um Jahre später als Stars zurückzukehren. Stichwort: The Brew. Die kamen 2010 zum ersten Mal, standen gerade vor dem Durchbruch. Dieses Jahr sind Jason Barwick und Co. wieder da. Macht einen so eine Geschichte stolz?

Silke Rieger: Stolz würde ich es nicht nennen. Wir freuen uns einfach riesig mit, wenn eine Bandgeschichte sich positiv weiterentwickelt und wir an einem frühen Punkt da mit im Boot waren. Joe Bonamassa war bei uns, als er noch kleine Häuser bespielte. Joe Bonamassa! Okay. In dem Fall sind wir schon stolz!

Wenn Sie gerade schon einmal dabei sind, im Anekdotenkoffer zu kramen. Gab es da eine oder mehrere, die nachhaltig in Erinnerung geblieben sind?

Silke Rieger: Oh ja, die gibt es natürlich. Wir sind, was das angeht, echt loyal und nennen keine Namen. Wir hatten betrunkene Stars auf der Bühne, die das Publikum und den Techniker beschimpft haben, wir hatten berühmte Künstlerpersönlichkeiten, die ihrem Tourmanager die Nase gebrochen haben, wir hatten den Godfather des Bluesrock, der unseren Koch zum Weinen und uns zur Verzweiflung gebracht hat, aber auch ein Künstler, der mir zum Beispiel Tipps zum Durchschlafen meines damals 9-monatigen Babys gegeben hat. Wir hätten daher beide fast die Showtime verpasst. Moni, jetzt Du!

Monika Ammerer-Düll: Robert Cray wünschte sich ganz spontan einen Sessel in seiner Garderobe, um dort innere Einkehr zu üben. Also schnappte ich mir unseren damaligen Buddy und transportierte mit ihm meinen eigenen Ohrensessel samt Hocker in die Kufa. Er war sehr zufrieden, das Konzert war genial, und ich sitze jeden Tag in einem Sessel, in dem Robert Cray vor dem Konzert entspannte. Nachhaltiger geht kaum.

Kennen Sie eigentlich die Rother Geschichte aus der Zeit, bevor Sie vor 16 Jahren die Geschicke übernommen haben? Ich glaube, viele würde interessieren, wie James Brown damals so war…

Monika Ammerer-Düll: Ich war damals, also am 6. November 2000, Assistenz der Leitung und woran ich mich nach so vielen Jahren am eindrücklichsten erinnere, ist tatsächlich nicht die Show, sondern, dass James Brown während des Soundchecks mit dem Tontechniker nicht zufrieden war und sich sehr schnell selbst ans Pult begab, um die Show exakt klingen zu lassen, wie er es von seinen Musikern erwartete. Bei einem solchen, durchaus nervenaufreibendem Konzert, bekommt man von der Show leider nicht allzu viel mit – weshalb unsere gesamte Mannschaft am Vorabend nach Ingolstadt fuhr, um James Brown dort einfach nur als normale Konzertbesucher zu erleben. Diesen Luxus haben wir natürlich sonst nie – aber wünschenswert wäre es.

Zurück in die Zukunft. Wir hatten es vorhin schon kurz davon. „Outside the box“ denken nannte es Monika im Vorfeld des Festivals, was euch auch auszeichnet. Sprich: Über den Tellerrand blicken und Bandentwicklungen beobachten. Gibt es denn für sie in diesem Jahr einen Favoriten, was eine mögliche Karriere angeht? Fasziniert war ich ja von der Geschichte der Bluesanovas aus Münster. Stimmt das, dass die euch initiativ ein Booklet zugeschickt haben und ihr gleichermaßen fasziniert und neugierig wart, weil das so spannend war?

Silke Rieger: Ja so war es tatsächlich, es war sozusagen der Door-opener. Wir hatten die Band zuerst gar nicht so auf dem Schirm. Eine Schande! Höchste Zeit, dass die Jungs bei uns die Bühne betreten. Ja und natürlich Justina Lee Brown… die geht unter die Haut!

Und ihr Geheimtipp? Was sollten sich Bluesfreunde keinesfalls entgehen lassen?

Monika Ammerer-Düll: Wenn wir gemeinsam einen Schritt zurücktreten und das Wort „Blues“ in Ihrer Frage streichen, wären all unsere Musiker Geheimtipps. Und genau das ist unser Langzeitziel: nicht nur Bluesfreunde für unser Festival zu begeistern. Wer gerne seine alten Led Zeppelin-Scheiben auflegt, sollte auf keinen Fall The Brew verpassen. Es muss auch nicht immer Beth Hart sein, eine Sari Schorr steht ihr in Sachen Stimmgewalt nur wenig nach. Ein Henrik Freischlader spielt seine Gitarren durchaus in einer Liga mit Clapton und Co, und wer bei Big Daddy Wilsons nicht innerhalb von drei Sekunden Gänsehaut bekommt, der befindet sich höchstwahrscheinlich längst „six feet under“. Aber zurück zu Ihrer Frage: Den Bluesfans, also dem Inneren Kreis, empfehlen wir mit Delgres eine französische Combo, die unser Abschlusskonzert bestreiten wird und noch mehr als alle anderen Acts in diesem Jahr unser Motto „Think outside the Box“ in Musik umsetzt.

Lassen Sie uns noch einmal zurück kommen auf die ganze Planungsgeschichte. Sie beide sind ja längst untrennbar mit den Rother Bluestagen verbandelt. Gibt es eigentlich etwas, was sie an ihrer Partnerin besonders schätzen. Und etwas, was ohne sie fehlen würde?

Silke Rieger: Ohne Moni? Undenkbar. Wir sind sehr unterschiedlich, ergänzen uns aber perfekt. Das würde nicht mit jedem oder jeder so funktionieren. Wir diskutieren viel und finden meistens einen Konsens – vier Ohren und Augen hören und sehen mehr als zwei und vier Schultern können mehr wupppen. Außerdem ist Moni bei uns eher die Rampensau und ich der Backstage-Manager – wir können unsere Fähigkeiten gut einsetzen und müssen uns nicht verbiegen. Das ist ideal! Wir sind zusammen gewachsen und zusammengewachsen.

Monika Ammerer-Düll: Dem ist eigentlich nichts, aber auch gar nichts, hinzuzufügen.

Und zum Abschluss noch die Frage aller Fragen. Welchen Künstler würden sie persönlich eigentlich am liebsten einmal in Roth auf der Bühne bestaunen dürfen? Und wer wäre da für die Kontaktaufnahme zuständig?

Silke Rieger: Ich hatte mir im vergangenen Jahr schon mit Thomas D einen Riesenwunsch erfüllt! Ich glaube, ich würde mir Anouk wünschen. Ich liebe diese niederländische Sängerin.

Monika Ammerer-Düll: Wäre das Leben tatsächlich ein Wunschkonzert, würde ich gerne klotzen, nicht kleckern: Jack White! Er schrieb nicht nur das Fußballstadion-tauglichste Riff aller Zeiten, sondern hat bei all den verschiedenen Einflüssen, die seine Musik auszeichnen, den Blues verinnerlicht wie wenige in seiner Liga.

Da wünschen wir doch viel Glück bei dem Vorhaben! Danke für die Zeit und die Zeilen. Und vor allem viel Erfolg und noch wichtiger: Spaß in den nächsten, turbulenten Tagen!

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