Szene

Frisch, symphatisch und fränkisch: Younee kommt nach Bayreuth

Die Naturbühne in Trebgast als Wendepunkt in der Karriere

veröffentlicht am 04.04.2024 | Lesezeit: ca. 7 Min. | von Andreas Bär

Younee gilt als herausragende Improvisations-Pianistin und gastiert am 11. Mai in Bayreuth

Younee gilt als herausragende Improvisations-Pianistin und gastiert am 11. Mai in Bayreuth, Foto © Na Young Lee

Jazz und das Klavier. Eine Symbiose, die seit jeher spannende Spielformen bietet. Mit der aus Korea stammenden Younee, seit einigen Jahren am Rande Würzburgs beheimatet, hat auch Franken eine Künstlerin, die in diesem Genre verwurzelt ist. Younee, die nicht nur kleinere Locations bespielt, sondern auch die Elbphilharmonie in Hamburg und andere große Spielstätten füllt. Am 11. Mai gastiert die überaus charmante Unterfränkin im Rahmen des Pijazzo-Festivals in Bayreuth. ART. 5|III traf sich vorab im Klavierhaus Steingräber mit ihr zum Gespräch, einem höchst unterhaltsamen. Und eines, das durchaus spannende Anekdoten bot und vorausblickend auf das Konzert die Vorfreude auf mehr schürt. Im Rahmen des Termins durfte Younee die unzähligen Klaviere im Haus antesten, von denen mehrere bei ihrem Gastspiel im Hof der Manufaktur stehen werden. Mit jedem neuen Spielgerät wuchs das Funkeln in ihren Augen und die Vorfreude auf das Gastspiel in der Wagnerstadt – am Ende spielte sie sich selbst fast ein bisschen in einen Rausch und präsentierte ihr Können synchron an zwei Pianos. Ein Wow-Erlebnis fürden Gesprächspartner. Und nicht nur für den. Auch Hausherrin Fanny Steingräber staunte nicht schlecht.

Hallo Younee, schön Sie hier in den heiligen Hallen des Klavierhauses Steingräber zu treffen!

Das ist wirklich toll hier. So viele historische Instrumente. Man weiß ja gar nicht, welches man zuerst ausprobieren soll. Da freue ich mich schon heute auf das Konzert am 11. Mai – ich glaube, dass das echt super wird (sie setzt sich auf einen Stuhl und spielt – scheinbar – ganz entspannt auf zwei verschiedenstimmigen Klavieren).

Sie sind in Seoul aufgewachsen, haben jahrelang in London gelebt und sind in bekannten Jazzkreisen aufgetreten. Und dann kommen Sie vor die Tore Würzburgs in die Provinz. Ein echter Kulturschock! Oder?

Eigentlich nicht! Ich habe das von Anfang an gemocht. Ich genieße den Kontrast von Metropolstadtleben und hier im fränkischen Naturparadies zu leben. Ich sehe hier den Horizont. Und Weinberge!

Sind Sie denn schon Weintrinker?

(leise): Ja. (lauter) Und außerdem habe ich mir während der Coronazeit überlegt, wie ich diese zwei Welten verbinden kann. Ich habe mich jeden Tag, weil man ja wenige Konzerte hatte und kaum Leute treffen durfte und ich nur Weinberge gesehen habe, intensiv mit Frankenwein beschäftigt. Also labormäßig. Richtig ernst. Und am Ende, als ich die passenden Weine ausgesucht habe, entschloss ich mich Frankenweine nach Korea zu importieren. Damit kann ich dem Koreaner auch zeigen, was ich hier so liebe, wo ich lebe.

Und was haben Sie aus Korea nach Würzburg gebracht?

(lacht): Meine Musik. Also meine Seele!

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, dieses improvisierte Klavierspiel zu ihrem Markenzeichen zu machen? Das ist ja auch eher seltener der Fall.

Jetzt bringe ich Sie gleich zum Lachen. Schuld daran ist eines meiner ersten Konzerte in Deutschland. Vorher habe ich das nicht gemacht. Ich war damals in Trebgast auf der Naturbühne. Und als Zugabe habe ich einfach aus dem Bauch heraus ein Stück gespielt und immer mehr improvisiert. Am Ende haben mir viel Leute gesagt, wie toll sie das fanden und dass ich das öfter machen soll. Daraufhin habe ich mehr und mehr Mut gefasst, komplett frei zu improvisieren. Seit meiner Kindheit habe ich zu Hause sehr viel frei improvisiert. Zum Beispiel habe ich, wenn ich ein Stück von Beethoven geübt habe, immer weiter improvisiert. Unter dem Mottto: "Wie hätte Beethoven sein Stück improvisiert, wenn er jetzt leben würde?". Solche Fragen waren immer in meinem Kopf und mit diesem Gedanken ist mein deutsches Debütalbum "Jugendstil" entstanden. Aber während meines klassischen Musik-Studium hat mich niemand gefördert, weiterzumachen, auch wenn in der Mozart- und Beethoven-Zeit, Improvisation ein Trend war. Diese Tradition ist in Vergessenheit geraten, aber als ich in Deutschland mit dem Publikum immer mehr Überraschungsmomente erlebt habe, ist "freie Improvisation" natürlicherweise mein Markenzeichen geworden. Und ich bin oft gefragt worden, wie man meine Musik beschreiben könnte. So ist am Ende dieser Name entstanden "Free Classic und Jazz".

Also sind wir Oberfranken daran schuld, dass Sie so sind, wie Sie sind? Ich glaube, hier können wir das Interview beenden. Die Überschrift und das Thema sind gefunden! Aber gut. Das wäre zu kurz. Vorher haben Sie das echt nie gemacht?

Eigentlich nicht. In England habe ich es ein bisschen gemacht. Aber da lag die Konzentration auf dem Album. Der Grund, warum ich das immer mehr gemacht habe, war, dass ich den Leuten damit immer näher kam. Für den Moment. Wie ein Foto. Du hältst ihn fest. Ich halt nicht mit einem Foto, sondern mit dem Piano. Mit Musik die Leute und die Momente einfangen. Ich kann also immer mein Stück vom Album spielen, auch wenn ich etwas ganz neues mache. Ich mag das einfach. Ich mache es mit Konsequenz, zu improvisieren. Dinge, die das Publikum aber auch nachvollziehen kann.

Und dann fragen Sie bei den Leuten auch nach, ob sie Ideen haben?

Klar. Manchmal bekomme ich dann auch neue Ideen, auf die ich selber nicht in diesem Moment gekommen wäre. So wie Jungle, Frühling, Wüstensand, Regen, Vollmond oder irgendetwas Interessantes. Viele Dinge passieren auf der Bühne. Und während ich das gemacht habe, habe ich gemerkt, dass die Leute viel konzentrierter
sind. Weil sie neugierig sind. Daher habe ich viel mehr improvisiert.

Und das kommt jetzt auch mit einem Album zum Tragen?

Das stimmt. Das neue Album „Live in Germany“ ist schon fertig und wird dieses Jahr veröffentlicht. Es ist das Ergebnis meiner Musikreise durch Deutschland. Alle Tracks sind von verschiedenen Veranstaltungsorten. Es enthält auch Ansagen oder Stimmen aus dem Publikum. Es ist sehr interessant.

Waren Sie eigentlich schon einmal in Bayreuth?

Vor einigen Jahren war ich mit meinem Pianotechniker hier bei Steingräber. Ich habe damals auf dem Liszt-Flügel gespielt. Ich weiß natürlich, dass Bayreuth die Stadt Richard Wagners ist. Auch wenn ich noch nie auf dem grünen Hügel und im Festspielhaus war. Aber vielleicht besuche ich das demnächst auch einmal. Oder ich spiele drinnen. Das klingt gut. Was ich ganz besonders an Deutschland und Bayreuth finde, dass es nicht nur Geschichte gibt, sondern diese Historie auch lebendig gehalten wird.

Was dürfen die Leute in den 90 Minuten denn erwarten? Oder wie lange spielen Sie?

Ich brauche immer eine Uhr. Weil ich die Zeit vergesse und zu lange spiele (lacht).

Gegenüber ist ja die Stadtkirche. Und die Glocken sind richtig laut. Aber daher ein guter Tipp: Improvisieren, wenn die läuten, das wäre richtig gut!

Das habe ich einmal gehabt. Da habe ich in einer Kirche in Seelze gespielt. Und dann hat die Glocke das Läuten angefangen. Das war lustig!

Sie sind ja nicht nur im Jazz daheim. Dürfen die Leute in Bayreuth denn Überraschungen erwarten? Unabhängig davon, dass die ja Teil der Improvisationen sind.

Ach, davon dürfen Sie ausgehen. Wenn es möglich ist, dann spiele ich mit zwei Flügeln. Oder sogar drei. Hoffentlich. Wir wählen heute ja die Instrumente aus. Sehr alte Instrumente. Mit denen möchte ich etwas Neues schaffen.

Und haben Sie denn schon ein Wagner-Stück im Repertoire?

Es wird sich sicher ein Weg finden, die ein oder andere Melodie von Richard Wagner einzubauen. Das wäre eine gute Überraschung.

Wir sind gespannt!

Ich erst! Das wird bestimmt schön werden. Ich freue mich jetzt schon auf den 11. Mai und was alles an diesem Tag passieren wird.

Schlagworte:

Ähnliche Artikel: