Szene

In Extremo kommen am 13. Juni zum HUK Open Air nach Cortendorf

Sänger Michael Rhein über Mittelalterrock, das Bier danach und die Kelly Family

veröffentlicht am 05.04.2024 | Lesezeit: ca. 8 Min. | von Andreas Bär

In Extremo, hier beim Strandkorbfestival in Nürnberg, beglücken die Kulturfabrik in Cortendorf

In Extremo, hier beim Strandkorbfestival in Nürnberg, beglücken die Kulturfabrik in Cortendorf, Foto © Andi Bär

Michael „Micha“ Rhein gilt im deutschen Mittelalter-Rock als eine der wegbereitenden Kräfte. Der 59-jährige und seine Kombo In Extremo sind seit gut 30 Jahren so etwas wie die Speerspitze des Genres. Die Verkaufszahlen der Band sprechen Bände – und auch die stets ein Erlebnis darstellenden Live-Auftritte sind dank viel Feuer, Pyro und einer Vielzahl historischer Instrumente mit einer gewissen Brachialität immer wieder sehenswert. Am 13. Juni gastieren In Extremo im Rahmen ihrer Burgentour beim HUK Open Air-Sommer in der Cortendorfer Kulturfabrik. Im Vorfeld hat sich Art. 5|III mit dem Sänger, in der Szene als "Das letzte Einhorn" firmierend, nicht nur über musikalische Dinge unterhalten.

Hallo Herr Rhein, oder doch lieber hallo letztes Einhorn? Was ist Ihnen denn lieber?

Einfach Micha. Das ist mir am liebsten!

Wo erreichen wir Sie denn gerade? Wikipedia verrät, dass Sie nicht nur in Köln beheimatet sind, sondern zeitweise auch in einem kroatischen Fischerdorf.

Das ist tatsächlich so. Momentan bin ich aber zuhause. Nicht direkt in Köln. Das ist ein kleines Dorf vor den Toren der Stadt.

Das klingt recht gemütlich. Man ist schnell in der Stadt, hat aber auch seine Ruhe (im Hintergrund tönt ein Martinshorn).

Das stimmt auch. So ungefähr.

Wie kommt man eigentlich auf den Namen „Das letzte Einhorn“? Der ist ja jetzt nicht gerade typisch mittelalterlich und auch nicht thüringisch!

Das war ein Spitzname auf den Mittelaltermärkten damals. Ich habe zu der Zeit immer die Klaus Kinski T-Shirts mit dem Einhorn vorne drauf verkauft. Viele wussten gar nicht, wie ich heiße. Und so ist das dann gekommen.

Haben Sie das eigentlich geahnt, dass das Einhorn irgendwann einmal – vor allem bei den Damen - diese Popularität genießen wird, die es inzwischen hat?

(lacht) Das kann ich Ihnen nicht sagen. Da müssen Sie die Damen fragen.

Sie stammen ja ursprünglich aus dem beschaulichen Örtchen Leinefelde. Die wenigsten werden das kennen – es liegt behutsam in der Nähe des geographischen Mittelpunkts Deutschlands. War das ein einschneidendes Erlebnis, als die innerdeutsche Grenze fiel und Hessen und Niedersachsen plötzlich nicht mehr unerreichbar, sondern nur noch knapp 20 Kilometer weg waren.

Ich war ja damals schon lange in Berlin, als die Mauer fiel. Meine Wurzeln kann und will ich natürlich nicht verleugnen. Ich bin immer noch gerne dort, habe Freunde und Verwandtschaft. Ansonsten habe ich mit Leinefelde gar nicht mehr so viel zu tun. Es sind schon Heimatgefühle da. Die Kindheit prägt einen natürlich. Das wäre auch doof, das zu verleugnen. Ganz einfach. Als die Mauer fiel, waren natürlich alle happy. Das weiß man ja. Man hätte vieles besser machen können. Aber das ist der Lauf der Zeit. Ganz klar.

Leinefelde ist ja alle Jahre wieder im Fokus aufgrund des „Tags der Heimat“. Ein Aufmarsch von rechten Gruppen. Jetzt seid ihr als In Extremo ja eine Band, die politisch eine klare Kante zeigt und Arsch in der Hose hat. Waren Sie denn bei den Gegendemonstrationen dort schon einmal vor Ort?

Ich kenne es tatsächlich nur vom Hörensagen. Wir sind jetzt auch nicht die Band, die auf politischen Konzerten spielt oder sich vor irgendeinen Karren spannen lässt. Wir wollen gute Laune verbreiten. Ich weiß, was da unten los ist. Und nicht nur dort. In ganz Europa hast du ja diesen Rechtsruck. Und wenn ich an Leinefelde denke, denke ich an diesen Vogel von Höcke. Der wohnt ja nicht weit weg von dort. Wenn ich etwas zu sagen hätte – als einziges Statement von mir: Ich würde diesen Faschisten einfach einsperren.

Lassen Sie uns auf die Musik zurückkommen. Mit dem als „Teufel“ bekannten Mike Paulenz, später bei Corvus Corax und Tanzwut erfolgreich, haben Sie vor In Extremo zusammen musiziert. 2012 spielten Sie zusammen ein Benefizkonzert. Gab es da eigentlich Überlegungen, das noch einmal in welcher Form auch immer, noch einmal intensiver zu machen?

Das kann immer mal passieren. Wir haben fünf Jahre lang von 1990 an zusammengespielt. Das war eine wunderbare Zeit. Er ist damals zu Corvus Corax. Das war alles nicht so schön. Dadurch ist aber In Extremo entstanden. Wir kommen gut klar, telefonieren ab und an. So soll es einfach sein.

Im Punkrockbereich gab es früher immer die Frage, ob die Ärzte oder die Toten Hosen. Fan von beidem zu sein, das ging irgendwie nicht. Gibt es sowas bei euch mit Subway to Sally auch? Es ist ja inzwischen bekannt, dass ihr nicht spinnefeind miteinander seid, sondern eher cool.

Ich hatte damit nie Probleme! Wir haben ja ab und an gemeinsam gespielt. Ich kenne diese Leute vom Sehen her, wir grüßen uns, wenn man sich sieht. Wenn ich mal ganz arrogant bin: Der Unterschied zwischen ihnen und uns beträgt ungefähr 1,6 Millionen verkaufte Tonträger. Da mache ich mir überhaupt keinen Kopf drum. Wir grüßen uns ganz normal. Die Leute erzählen auch immer viel. Nimm doch nur Wikipedia. Da kann jeder reinschreiben, was er möchte. Viele Leute fallen da noch drauf rein.

Apropos 1,6 Millionen mehr verkaufte Tonträger. Das werden ja vermutlich bald mehr sein. Wie sieht es denn mit einer neuen Scheibe aus? In Extremo sind ja eigentlich bekannt für eine recht hohe Taktung an Veröffentlichungen. Die letzte Platte ist jetzt doch schon vier Jahre her! Auf Instagram war dieser Tage ein bisschen was zu lesen. Warum hat es eigentlich so lange gedauert?

Die letzte Platte kam ziemlich genau mit dem Tag des Lockdowns auf den Markt. Das war natürlich fatal! Unsere neue Scheibe ist seit letzter Woche fertiggestellt und wird im Laufe des Augustes erscheinen. Die Maschinerie fängt jetzt an zu laufen.

Sind denn irgendwelche spannenden Neuigkeiten zu erwarten?

Es klingt wieder anders als die anderen, ist aber trotzdem In Extremo, wenn man es hört. Einige Featurings sind drauf. Lasst euch überraschen, wir sind echt zufrieden. Wir machen es uns ja nicht immer einfach. Es ist jetzt denke ich das 15. Album – und du kannst dir nicht alles aus den Rippen schneiden. Deshalb ist uns das sehr gut gelungen.

Dann lassen Sie uns auf die Tour kommen. Eine Burgentour. Und mittendrin dann Cortendorf und seine Industriebrache. Wie kam es denn dazu?

Ich kenne die Location noch nicht. Wir suchen natürlich immer neue Plätze. Unsere Agentur kümmert sich da prächtig drum und findet immer wieder spannende Locations. Nicht nach dem Motto des immer wieder grüßenden Murmeltiers. Ich finde sowas Klasse.

Eine meiner Lieblingsfragen… Was zeichnet eigentlich die private Playlist von Micha Rhein aus? Mittelalterrock oder ganz anderes? Ich gehe ja davon aus, dass Ihr Instagram-Post mit einer Mütze der Kelly-Family eher mit einem Augenzwinkern zu betrachten ist….

Der Joey ist ein sehr guter Freund. Wir kennen uns seit 30 Jahren und sind mehr als freundschaftlich verbandelt. Irgendwann kam er und hat mir die Mütze geschenkt, da macht man einfach einen schönen Gag draus. Ich meine, man kann über die Kelly Family schmunzeln. Man kann sie mögen oder auch nicht. Fakt ist, dass es deutschlandweit die Band mit den meistverkauften CDs ist. Da kommt kein Rammstein, keine Scorpions, kein Peter Maffay und wie sie alle heißen, hin. Sie haben glaube ich 38 Millionen Tonträger verkauft. Unvorstellbar! Das ist einfach irre!

Das stimmt wohl. Und von fünf bis 85 Jahre hört sie jeder. Also offiziell hört sie natürlich niemand…

(lacht): Wie ABBA früher! Die haben schon gute Sachen gemacht. Wir haben ja auch mal zusammen in der Chartshow gespielt. Da hatte Joey die Familie nicht zusammengekriegt, dann hat er uns gefragt. Dann sind wir mit ihnen auf die Bühne und haben den Song neu aufgenommen. Das hat Megaspaß gemacht. Ich selber höre übrigens querbeet. Ich höre mir tatsächlich keine Mittelalterbands an. Ich bin totaler Filter-Fan. Black Stone Cherrys. Dazu bin ich totaler Reggea-Fan, höre viel Weltmusik. Deftones höre ich sehr gerne. Ich bin da echt total offen.

Und was dürfen die Leute, die InEx noch nie gesehen haben, erwarten? Die, die euch kennen, wissen das ja.

Das ist einfach eine spaßige und energiegeladene Show, die wir machen. Wir sind Entertainer. Wir werden einige alte Sachen spielen. Dazu vielleicht ein oder zwei neue Stücke. Im Herbst gehen wir ja mit dem neuen Album auf Tour – übrigens am 6. Dezember auch in Nürnberg in der KIA-Metropol-Arena. Also es wird eher die Setlist der letzten Tour und ab Herbst gibt es dann das neue Programm.

Wie sieht es nach dem Konzert aus? Dürfen sich die Fans in dem herrlichen Biergärtchen dort auf ein Bier mit Micha Rhein freuen?

Das ist möglich. Nach den Konzerten macht jeder so seines. Bis zur Abfahrt trinken manche noch ein Bier, andere gehen an den Merchandise-Stand oder eben direkt zum Bus. Das ist immer so ein Stück Stimmungsabhängig. Aber mei: Schönes Wetter, schöner Biergarten. Warum nicht? (schmunzelt).

Dann freuen wir uns auf den Gig und sind gespannt!

Wir freuen uns auch. Sag den Leuten liebe Grüße!

Schlagworte:

Ähnliche Artikel: