Klassiker

„Eroica“ versus „Sinfonia espansiva“ – 261 : 2

Nielsens und Beethovens Dritte mit Blomstedt und den Bambergern

veröffentlicht am 31.03.2015 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Auch in ihrer bald siebzigjährigen Geschichte finden die Bamberger Symphoniker immer einmal wieder Noten auf ihren Pulten vor, die sie nie zuvor noch haben Klang werden lassen. In diesem März gehörten dazu beispielsweise des Polen Karol Szymanowski Vierte Symphonie, sodann das vor vierzehn Tagen erstmals im Keilberth-Saal gegebene Concerto for Double String Orchestra, das Michel Tippett 1938/1939 geschrieben hatte und zu den beliebtesten Werken des mit W. H. Auden und T. S. Eliot, den er als seinen „geistigen Vater“ erachtete, befreundeten Komponisten zählt, zumindest in seiner britischen Heimat.

Auch die Symphonie Nr. 5 D-Dur von Ralph Vaughan Williams hatte die Bayerische Staatsphilharmonie nie noch gemacht, ehe Roger Norrington unlägst an die Regnitz kam, um ein rein englisches Programm zu dirigieren. Deren keinesfalls geringe Klangschönheiten vermochte der Kritiker des lokalen Blättchens im Übrigen nicht zu vernehmen und wunderte sich darob kaum, dass man diese Jean Sibelius zugeeignete Symphonie so selten höre. Jedenfalls hierzulande.

Neben dem Finnen zählt zu den Jubilaren dieses Jahres der Däne Carl Nielsen, und auch dessen Symphonie Nr. 3 op. 17, die sogenannte „Sinfonia espansiva“, erlebte nun ihre Bamberger Premiere. Bereits Mitte der Siebziger hatte Herbert Blomstedt, der Ehrendirigent der Staatsphilharmoniker, der wie deren Chefdirigent Jonathan Nott (und wie Bernard Haitink) in Luzern lebt, mit dem DR SymfoniOrkestret Kopenhagen, dessen Chef er damals war, Nielsens komplettes symphonisches Œuvre eingespielt. Und auch über seine schwedischen Wurzeln, die der im Sommer 1927 in Springfield, Massachusetts, geborene, in Stockholm, Uppsala, Darmstadt, an der Juilliard School, an der Schola Cantorum Basiliensis, am Mozarteum und in Tanglewood ausgebildete Blomstedt über seine Eltern hat, liegt seine Affinität zur skandinavischen Musik nahe.

Mit Nielsens Klangkosmos ist Blomstedt derart vertraut, dass er ganz selbstverständlich auswendig (und taktstocklos) dirigierte. Die Partitur lag lediglich pro forma auf dem Pult und blieb selbstverständlich über knapp drei Dutzend Minuten hinweg geschlossen. Mit seiner 1910 komponierten und zwei Jahre später unter dem Dirigat ihres Schöpfers in Kopenhagen uraufgeführten Dritten wollte Nielsen den Protest gegen das „typisch dänische sanfte Dahingleiten“ ausrufen. Das ist ihm prächtig gelungen.

Was für ein Einstieg! Scharf akzentuierte Viertelschläge in den vier Hörnern, den drei Trompeten, den beiden Tenorposaunen, den Timpani, den hohen wie den tiefen Streichern entfachten einen Furor, der unmittelbar wachrüttelte, der sogleich erahnen ließ, dass Nielsen in der „Sinfonia espansiva“ mit „kräftigeren Rhythmen und einer avancierteren Harmonik“ aufwarten wollte, als jene, die ihm vorausgegangen (und wohl auch als er selbst, in jüngeren Jahren; unter Nielsens frühen Klavierstücken beispielsweise finden sich einige, die an Mendelssohn erinnern). Der Kopfsatz kulminierte in einem wilden Walzer, ein Freudenfest für das Blech.

Das Andante pastorale sorgte sodann für eine nahezu meditative Ruhe, mit einem zarten Dialog zwischen Flöte und Oboe, dem sich alsbald Fagott und Klarinette anschlossen. Dieses idyllische Melos – Nielsen sprach von einem „breiten, landschaftsartigen Andante“ – gipfelte in den Vokalisen, die eine Sopranistin (hinter den Kontrabässen versteckt) und ein Bariton, der hinter der Tuba stand, intonierten. Dass beide namentlich nicht genannt wurden im Programmheft, dass Sebastian Urmoneit in seiner Einführung vor dem Konzert nicht auf diesen in der symphonischen Literatur doch recht raren und zum allersten Male überhaupt von Nielsen verwendeten kompositorischen Einfall einging, verwunderte. Im Allegretto ließ das jeweils dreifach besetzte Holz aufhorchen und durfte sich dafür, nach einem fugierten Finale, ebenso wie Sopran und Bariton, einen Sonderapplaus einholen.

Nach der Pause dann eines der meistgespielten Werke, Ludwig van Beethovens „Eroica“, der sich die Bamberger Symphoniker am Sonntagnachmittag zum zweihunderteinundsechigsten Male annahmen. Herbert Blomstedt entlockte den gut gelaunten Musikern eine jugendfrische Interpretation. Wunderbar das Prometheus-Thema (und hernach Bravi für Daniela Koch, Soloflöte), famos die drei Hörner (zumal Maria Teiwes, die von den Münchner Philharmonikern auf die Solostelle an der Regnitz wechselte), kernig, präzise und schlagfertig Robert Cürlis an den Pauken. Der größte Beifall aber, vom Orchester wie vom Publikum, galt Blomstedt. Und dies völlig zu Recht.

Fotos © Martin U. K. Lengemann

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