Martins Problemwörter
Phobien
veröffentlicht am 01.06.2024 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Martin Köhl
Krankhafte Abneigungen oder gar Wutausbrüche scheinen in unserer sich immer stärker polarisierenden Gesellschaft mehr und mehr en vogue zu sein. Wer ist schon ganz frei davon? Als Jugendlicher empfand ich geradezu Hass auf den Wind, weil mir das Federballspiel die bevorzugte Freizeitbeschäftigung war. Der leiseste Windhauch, und aus war’s mit dem Vergnügen. Als mein Sohn sich für einen Segelschein auf der Adria anmeldete, war ich fassungslos. Rudern gerne, aber segeln? Eine windige Geschichte. Um vor luftigen Turbulenzen sicher zu sein, kraxele ich lieber auf Berge, vorzugsweise natürlich auf der Luv-Seite. Jüngst habe ich gelernt, wie man die tiefe Abneigung gegen alles Windige vornehmer ausdrücken kann: „Anemophobie“. Womit wir beim Titelbegriff angelangt wären.
Neuerdings spricht man immer häufiger von „Phobien“, wenn von solchen Abneigungen die Rede sein soll. Das kommt von griechisch ‚phobos‘ und lässt sich wahlweise übersetzen mit „Hass auf…“, „Ekel vor…“, „Abneigung gegen…“ oder auch „Angst vor…“ Aber Ekel und Hass sind recht verschiedene Dinge, was man leicht an einem Exempel nachweisen kann. Fangen wir daher ganz ordentlich mit dem Buchstaben ‚A‘ an. Die „Arachnophobie“ wird man kaum mit dem Hass auf Spinnen übersetzen, es ist eher der Ekel davor.
Da mittlerweile auch des Griechischen Unkundige wissen, was Phobien sind, sind dem inflationären Gebrauch des Begriffes keine Grenzen mehr gesetzt. Wer wasserscheu ist, sollte besser „Aquaphobie“ für sich in Anspruch nehmen, denn das klingt schlauer. Befremdlich ist die „Antophobie“, denn wer hat schon etwas gegen Blumen? Dahinter muss wohl irgendeine Allergie stecken. Die „Chiomophobie“ – Hass auf Schnee – kann man sich künftig angesichts der Schneearmut sparen. Geläufiger ist die „Klaustrophobie“ (für Platzangst). Als Neuzugang ist die „Nomophobie“ zu vermelden, genauer: No Mobile Phobia, also die Angst vor dem Verlust des Handys.
Eine besonders hässliche, aber leider sehr aktuelle Gemütsverbohrung ist die „Judeophobie“, die fast immer unter dem verallgemeinernden Begriff „Antisemitismus“ subsumiert wird, obwohl doch damit auch andere semitische Völker gemeint sein können. Wenn es um den spezifischen Hass auf alles Jüdische geht, sollte man das Kind auch beim Namen nennen, „Judeophobie“ eben. Schöner wäre freilich eine Welt, in der wir diese Nachsilbe gar nicht bräuchten.