Szene

Uns geht`s gut

Franken nach vorne - mit dem Kellerkommando

veröffentlicht am 01.04.2015 | Lesezeit: ca. 8 Min.

Seit 2009 ist die siebenköpfige, fränkische Bande ausgezogen, um dem Rest der Nation das musikalische Fürchten zu lehren. Ihre bescheidene Mission: Volksmusik fit zu machen für den zeitgenössischen Pop-Salon, die großen-Open-Air-Bühnen des Landes und die Bretter, die die Welt bedeuten. Tanzen, Singen, Lachen - das war schon immer wesentlicher Gegenstand des Musizierens des gemeinen Volkes. Warum also sollte das heute nicht immer noch oder zumindest wieder und immer wieder funktionieren, wenn die heimische Folklore auf Beats and Rhymes der Partyklasse trifft, wenn die fränkische Schatzkiste der Volksmusik gepaart wird mit globalen, urbanen Sounds aus der ganzen weiten Welt. Crossover Marke Kellerkommando kommt an. Nicht umsonst ergab sich für das revolutionäre Volks-Musik-Septett schnell der Vertrag bei einem der fünf großen der Musikindustrie. Spätestens seitdem geht es noch steiler bergauf. Um die Band herum hat sich ein professionelles Team geschart, zahlreiche Partner sorgen für den Steilflug durch die Lande und stützen das entstaubte Troubadour-Erscheinungsbild und -Image der Band ungemein, zimmern am attraktiven Gesamtbild und schmieden das Erfolgskonzept. Trotz gesteigerter Kommerzialität und einiger mehr Köche am Herd fühle sich, so Sänger und Mastermind David Saam, das alles absolut richtig und gut an. Freiheiten ließe sich die Band nicht nehmen und auch das letzte Wort liege nach wie vor ausschließlich bei ihr selbst. Und ja, man habe von Anfang an Popmusik machen und dabei gute Laune haben wollen. Daran hat sich auch nichts geändert. Ganz im Gegenteil.


Wenn Kellerkommando aktuell zu einer weiteren großen Solo-Tournee ausholen, sind sie nicht nur gut vorbereitet, sondern dürfen sie sich auch auf gut gefüllte Clubs und jede Menge feierlauniges Publikum freuen. Zwischen 16. April und 02. Mai rocken sich die Kommandanten durch die Säle der ganzen Republik und haben ihr eigenes Malzgetränk an Bord sowie die neue EP „Uns geht`s gut“. Der Titel ist Programm und verspricht nicht zu viel. Viel Dancehall und Hip Hop, fette Beats und mehr oder weniger folkloristische Elemente prägen nach wie vor den Sound der Franken. Sie gehen steil in alle Richtungen und grüßen mit dem „Belzebub“, der kurzer Hand und folgerichtig zum Namenspatron des im Sommer folgenden Albums gemacht wird. Klares Ding also, wenn Kellerkommando in 2015 an den Start gehen. Und Grund genug für art5drei, dem musikalischen Konzept der Truppe einmal ein wenig auf den Zahn zu fühlen und die Ist-Situation von Kellerkommando etwas näher abzuklopfen. Im Gespräch mit David Saam wurde dann viel über Ursprünge und Problemfelder der Volksmusik philosophiert und die fränkische Band im Reigen internationaler Musikströme verortet, wobei sich interessante Parallelen und unaufdringliche Abstandhalter auftaten:

Volxmusik ist Rock`n`Roll, Deine Parole ist in Bamberg und Umgebung seit langem bekannt, ebenso dein „Antistadl“ und der in all diesen Feldern steckende Anspruch Volksmusik in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen. Als Musikethnologe bist Du zwangsläufig mittendrin in dieser Auseinandersetzung. So steckt, das liegt nahe, hinter der revolutionären Facette des Vorhabens ausreichend ernsthafter Kern. Vielleicht kannst Du uns etwas mehr darüber verraten, wie dieser Weg für Dich entstanden ist und an welcher Stelle dann Kellerkommando in diese Bahn gerutscht ist?

David Saam: Es gab schon einige Stationen bei mir, die prägend waren für das, was aktuell mit Kellerkommando passiert. Dazu gehören sicherlich einige musikalische Strömungen, die Folklore mit zeitgenössischem Pop verbinden, z.B. Bands wie Orishas, die kubanische Hip-Hop-Band, die ihren Sound maßgeblich mit Folklore-Elementen angereichert hat. Dazu gehören aber grundsätzlich alle Erlebnisse, die mich bisher begleiteten, bei denen diese Offenheit für eine Mischung aus Folklore und Pop besonders spürbar war. Ganz prägend habe ich in dieser Hinsicht auch meine Zeit in Finnland in Erinnerung, wo musikalisch vermeintliche Gegensätze sehr offen und sehr selbstverständlich miteinander vermischt werden und sehr gut funktionieren. Und auch aus Südamerika gibt es hierfür sehr gute Beispiele.

In der Tat drängen sich südamerikanische Vorreiter als Parallelen zu Kellerkommando auf. Nehmen wir Bands wie Desorden Publico, Manu Chao, Panteón Rococó oder Che Sudaka. Wenn man so will, liegt ihnen ebenfalls das Konzept zugrunde ihre Volksmusik mit neueren musikalischen Stilrichtungen zu kreuzen. Ein Konzept, das bei all diesen Bands hervorragend aufgeht. Nur sind die musikalischen Grundlagen dort sehr verschieden zu unserer Volksmusik, die Rhythmiken kaum vergleichbar. Während insbesondere traditionell verbundene Instrumente wie das Akkordeon, das ja auch Du spielst, innerhalb solcher Cross-Over-Projekte immer wieder stark prägend sind. Dennoch erinnert Kellerkommando vielleicht nicht auf den ersten Blick an die südamerikanischen Mestizo-Bands. Vielmehr liegt ein Vergleich mit bayerischen Wegbereitern des Folkpop bzw. des Mundart-Rock wie der La Brass Banda, die Ziehgäuner, Moop Mama oder Django3000 nahe. Siehst Du da ebenfalls Parallelen?

David Saam: Das sind alles hochgeschätzte Kollegen aus dem Bayernland. Dennoch sehen wir uns nicht als fränkisches Pendant dazu. Klar, Dialekt und Bläser bilden Parallelen. Unser musikalischer Ansatz unterscheidet sich trotzdem, schon allein durch unsere Bezüge zur Kerwa-Battle-Rhyme-Kultur. Kellerkommando ist so vielschichtig, dass man es in diese und noch viele weitere Schubladen stecken könnte, und dennoch würde es in jeder der Schubladen eine besonders leckere Extrawurst bleiben. Du siehst das gut an unserem Publikum. Da findet sich der 16-jährige Hip-Hop-, Punk- oder Mainstream-Fan ebenso wie die Generationen 50er, 60er und älter und das unabhängig von regionalen Grenzen. Wir legen uns da stilistisch auch nicht wirklich fest. Unsere Musik mischt moderne Beats und Traditionelles inzwischen sehr organisch und harmonisch. Dabei legen wir unseren Fokus nicht auf die eine oder andere Ecke, sondern das ergibt sich beim Songwriting, beim Musik machen. Die unterschiedlichen musikalischen Charaktere der Band befruchten sich hier gegenseitig. Und die einzelnen Musiker sind dabei lange nicht mehr die gegensätzlichen Pole, die sie vielleicht am Anfang noch waren. Wir haben der eine vom anderen gelernt und finden sehr gut den gemeinsamen Nenner - den Kellerkommando-Sound.

Der Kellerkommando-Sound. Das ist ein gutes Stichwort. Machen wir die Schubladen wieder zu und unterhalten uns über ein paar Namen, die mir spontan beim Hören Eurer neuen EP eingefallen sind. Mich würde interessieren, wie einverstanden Du damit jeweils bist, wenn ich sage, dass ich diesen oder jenen Aspekt diverser mehr oder weniger großer Künstler bei Euch heraushöre. Da wären Hans Söllner, Rammstein, Haindling, Biermösl Blosn, Stefan Raab, Seeed, Max Herre, Che Sudaka, Heino, Miss Platnum oder Culcha Candela!?

David Saam: Seeed ist auf jeden Fall eine gute Assoziation zu Kellerkommando. Und bis auf Hans Söllner, den ich sehr mag, wo ich aber keine musikalischen Gemeinsamkeiten sehe, kann ich das nachvollziehen. Spontan ergänzen würde ich die Liste mit Wolfgang Buck. Insbesondere zur Zeit seines Sambesi-Albums ist er mir stark aufgefallen und alleine der Mut mit dem Fränkischen, aber auch das Einbetten seiner Mundart-Lieder in sehr spannende und sehr viel weiter reichende Arrangements... Ich hoffe, dass Kellerkommando inzwischen genauso Beispiel gebend sind in dem Punkt anderen Musikern Mut zu geben, fränkische Mundart anzuwenden. Dann fallen mir unbedingt noch Deichkind ein. Das liegt aus meiner Sicht noch nahe. Kategorie Heino, DJ Ötzi oder Florian Silbereisen jedoch muss ich abwinken. Solche Assoziationen mag ich nicht nachvollziehen.

Naja, ich sag mal so. Wenn ich mir Teile der aktuellen EP vor Augen führe. Die können schon für das gleiche Publikum funktionieren, bei der Apres-Ski-Party, am Ballermann, beim Oktoberfest oder auch im Musikantenstadl?

David Saam: Grundsätzlich haben wir gar nichts dagegen, wenn auch bei solchen Veranstaltungen Kellerkommando-Lieder Menschen zum Tanzen, Feiern und Glücklichsein anregen. Ein Teil unseres Repertoires kann wohl auch beim Apres-Ski funktionieren. Nur zielen wir überhaupt nicht auf diese Schiene ab. Es ist uns wichtig, dass wir uns damit identifizieren können, dass wir am Ende sagen, dass es uns absolut überzeugt und gefällt. Das Resultat muss so sein, dass wir es gut finden. Dann schließt sich auch der Kreis: „Uns geht`s gut“.

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