Szene

Legende der Liedermacher

Hannes Wader im Interview

veröffentlicht am 01.04.2015 | Lesezeit: ca. 9 Min.

Unter den Liedermachern des Landes ist Hannes Wader längst Legende - und dennoch produktiv und relevant wie eh und je. Erst kürzlich mit dem ECHO für sein Lebenswerk ausgezeichnet, meldet er sich jetzt mit einem neuen Album und zehn neuen Liedern zurück.

Darin geht es mal bitterböse um Flüchtlingsproblematik („Morgens am Strand“) und deutsche Spießigkeit („Alles nur Schein“), mal melancholisch um Vergangenes („Das kleine Gartentor“) und allzu Menschliches („Bei dir“). Wie immer mit der Wader-typisch kraftvollen Stimme, mit Haltung und Humor.

Im Titelsong „Sing“, einem überraschend eingängigen Ohrwurm, stellt Hannes Wader als Fazit seines musikalischen Schaffens fest: „Singen macht dich stark mein Freund, Singen besiegt die Angst, kann dir dein Selbstvertrauen wiedergeben. Doch für mich ist Singen mehr, es ist mein Leben.“ Sein Publikum dankt es ihm mit ausverkauften Konzerten und zu Recht ungebrochener Begeisterung. Am 20. April gastiert der 72-Jährige, nimmermüde Liedermacher im Bamberger Hegelsaal. Art. 5 III stand er für ein Telefoninterview zur Verfügung. Und so viel sei verraten: Er präsentierte sich redselig. Sehr sogar. Aus anberaumten 20 Minuten wurden, mir nichts, dir nichts, deren 40.

Hallo Herr Wader. Schön Sie zu hören. Wie geht es Ihnen?

Hannes Wader: Danke der Nachfrage. Ich bin schon voller Vorfreude auf Bamberg (grinst verschmitzt).

Heute hier, morgen dort. Der Leitsatz des Hannes Wader gilt weiterhin ungebrochen. Hand aufs Herz. Kotzt Sie dieses unstete Musikerleben nicht irgendwann einmal an? Wollen Sie nicht irgendwann auch, wie jeder „vernünftige“ Arbeitnehmer, Ihren Ruhestand genießen?

Hannes Wader: Die Frage stellt sich mir nicht. Ich habe es nie ausprobiert, habe keine Ruhestandsübung. Ich bin jetzt 50 Jahre ständig auf der Piste. Es ist einfach schwer vorstellbar. Obwohl ich es vielleicht tun sollte, jetzt wo ich 72 Jahre alt bin. Der andere Grund: Ich kann es mir einfach nicht leisten. Das ist doch ein überzeugendes Motiv. Ich muss einfach Musik machen, da ich in der Vergangenheit schlecht gewirtschaftet habe. Außerdem singe ich lieber als je zuvor. Würden wir nicht gerade telefonieren, säße ich hier und würde singen.

Dabei sagten Sie vor einigen Jahren doch deutlich, dass Sie eigentlich kein Bühnenmensch seien. Jetzt sind Sie über 70. Und was passiert? Der Wader geht wieder auf Tour.

Hannes Wader: Das stimmt. Ich bin der Ansicht, ein Bühnenmensch muss eine Rampensau sein. Und eine Rampensau darf die Bühne nicht verlassen. Ich gehe schon gerne auf der Bühne. Aber ich gehe auch gerne wieder von der Bühne runter.

Haben Sie keine Angst davor, einmal zu enden, wie es Udo Jürgens jüngst geschah? Oder ist so ein Ende vielleicht sogar der Traum eines jeden Bühnenmenschen. In der Nachbarschaft im Park in Kassel spazieren und bumm! Ende. Und das Lied vom Tod haben Sie ja längst schon geschrieben.

Hannes Wader: Ganz ehrlich. Einen Tod wie den von Udo Jürgens wünsche ich mir sogar. Das wäre ein Traum. Ich glaube, da träumen viele Künstler davon.

Noch einmal Hand aufs Herz. 2011 muss für Sie doch ein Horrorjahr gewesen sein. Da sterben Ihnen mit Georg Kreisler, Ludwig Hirsch und Franz Josef Degenhardt die alten Weggefährten vor der Nase weg. Und sie selber und Reinhard Mey feiern ein Jahr später ihren 70. - wird man da nicht langsam wehmütig?

Hannes Wader: Da ging es echt Schlag auf Schlag. Klar, wir hatten auch früher schon Verluste. Aber man wird älter und da greift einen so etwas mehr an. Man wird ja auch einsamer. Viele neue Freunde kommen nicht dazu, man sammelt weniger Erfahrungen und Begegnungen, merkt, dass man Freunde vernachlässigt hat. Der Eintritt in einen anderen Zustand macht den Unterschied.

Immerhin. Mit Reinhard Mey, Konstantin Wecker und Ihnen sind drei der größten Pioniere linker Liedermacherei Gott sei Dank noch unter uns. Tut es gut, die beiden an seiner Seite zu wähnen? Mit Wecker scheint Sie ja eine Art Seelenverwandtschaft zu verbinden.

Hannes Wader: Natürlich tut das gut! Unser aller Vorstellung ist es ja, noch einmal zu dritt zu touren. Einfach nur eine kleine Tour zusammen. Das scheitert aber immer wieder daran, dass wir Individuen sind. Keiner hat Zeit, alle haben viel zu tun. Das kollidiert meist, daher ist bisher nie etwas daraus geworden. Und irgendwann ist Schluss. Ich wollte ja mit 75 Schluss machen. Aber wer weiß das schon…

Und da war ja auch noch 2013. Hannes Wader bekommt den ECHO für sein Lebenswerk. In den 80er-Jahren eine schier unvorstellbare Tatsache. Der Revoluzzer mit einem Echo für sein Lebenswerk. Und dann kommt auch noch Reinhard Mey in Lederkluft und huldigt fast schon über Gebühr. War Ihnen die Laudatio eigentlich unangenehm?

Hannes Wader: Das war mir nicht peinlich. Da habe ich meinen Freund Reinhard erkannt. Er kann emotional sehr überschwänglich sein. Das zeichnet ihn aus. So muss ein Künstler sein. Aber peinlich war das überhaupt nicht.

Und der Auftritt mit Campino und den Toten Hosen? Unter uns: Sie wirkten - sagen wir - leicht irritiert. Grinsend. Aber irgendwie gequält. War das geplant, dass die Hosen ihr „Heute hier, morgen dort“ übernehmen. Oder war das eine Überraschung?

Hannes Wader: Das war absolut geplant, wir haben das zwei Tage geprobt. Aber Campino und der Kameramann hatten vorher einen Schnaps. Mein Einsatz war im Fernsehen wegen eines Kameraschwenks nicht zu sehen, weshalb es wie ein Überfall aussah. Und dann vergisst Campino den Text. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er einen Blackout hatte. So etwas kann passieren. Um ehrlich zu sein. Mir passiert es ständig, dass ich Texte vergesse.

Haben Sie die Preisverleihung eigentlich wie angekündigt am nächsten Tag tatsächlich noch einmal auf You Tube angesehen und sacken lassen?

Hannes Wader: Nur die Laudatio. Die musste ich unbedingt noch einmal sehen. Und genießen.

Letzten Freitag gab es im Magazin der Süddeutschen Zeitung ein einmal mehr sehr lesenswertes Interview mit Ihrer Person. Mit einigen doch sehr überraschenden Erkenntnissen. „Obwohl ich als politischer Liedermacher gelte, habe ich bis heute kein echtes politisches Interesse entwickeln können. Ich sehe das für mich als eine Strafarbeit an, mich mit Politik zu befassen.“ sagten Sie dort - ist das Ihr Ernst?

Hannes Wader: Da war einiges übertrieben. Das haben Kollege Michaelsen und ich so eingebaut, um überrissen auf den Punkt zu kommen. Sagen wir so: Irgendwann habe ich eingesehen, dass ich Tausende erreiche, wenn ich eine Botschaft habe. Ich bin dafür verantwortlich, was ich sage. Und irgendwann habe ich das eingesehen. Wenn auch nur mit Krampf. Aber dafür, was ich sage, übernehme ich die Verantwortung. Ich bin politisch, aber habe keine politische Leidenschaft. Ich will nicht Bundespräsident werden.

Dann wären Sie ja jetzt im Dschungelcamp gewesen.

Hannes Wader (lacht): Ganz ehrlich. Ich habe es nie gesehen. Ich lese nur immer darüber. Aber ich finde es abstoßend.

Zurück auf die Bühne und zu Ihrer neuen Platte. Die ich gestern hören durfte. Eine erneut sehr hörenswerte Scheibe im Gepäck. Mein tiefster Respekt. Die Jungen würden wohl von einer richtig fetten Scheibe sprechen. Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Inspiration. Immer noch - wie Sie früher stets betonten - streng autobiografisch oder doch eher den Gedanken entspringend? Erzählen Sie uns etwas über die neue CD.

Wirklich? Das Kompliment macht mich sprachlos. Das freut mich zu hören. Da kann ich ja nur hoffen, dass das andere auch so sehen. Es war einfach wieder einmal etwas ganz anderes. Es ist wie aus einem Guss. Alles ist von mir getextet, jeder Ton selber gemacht. Das war das geplante Element. Und dann kam da noch das Gefühl dazu. Ich habe die Dinge einfach laufen lassen. Beides muss da zu seinem Recht kommen. Die Grundlage ist immer wieder autobiografisch. Und manchmal gebe ich dem Affen Zucker. Das darf, soll und tue ich auch.

Ihre Frau ist Psychologin - im SZ-Interview haben Sie das verraten. Ist das vielleicht sogar so ein bisschen Grundvoraussetzung, um es mit Hannes Wader auszuhalten. Zu meiner Entlastung muss ich vorbringen, dass meine Lebensgefährtin Erzieherin ist....

Hannes Wader: Ich glaube schon. Mit den Widersprüchen von mir muss man professionell umgehen können. Wir führen daheim aber keine psychologischen Gespräche oder so. Ich habe aber auch kein Problem damit, vor meiner Frau innerlich nackt da zu stehen.

Meckert die Frau da nicht ab und zu, wenn Sie schon wieder 21 Konzerte lang in Deutschland touren?

Hannes Wader: Nein, nein. Das war einmal. Vor 30 Jahren, als wir zusammenkamen. Da gab es schon einmal Probleme, wenn ich von der Bildfläche verschwunden war. Heute genießt sie es, denke ich, wenn ich mal weg bin. Also ich hoffe, sie kann es genießen.

Und jetzt Butter bei die Fische. Was kann das Publikum in Bamberg erwarten, wenn der ewig junge Hannes Wader auf der Bühne auftaucht?

Hannes Wader: Eine Mischung aus neuen und alten Songs. Ich hoffe, die ist brauchbar. Man darf die alten Lieder nicht auf die leichte Schulter nehmen. Für die Leute ist es sehr wichtig, alte Lieder, mit denen man etwas verbinden kann, zu hören. Die will man hören. Ein Programm mit nur neuen Liedern, das halten die Leute nicht durch.

Abschließende Frage: Weshalb würde Hannes Wader unbedingt auf ein Konzert von Hannes Wader gehen, wäre er nicht Hannes Wader?

Hannes Wader: Ich wüsste keinen Grund, hinzugehen (lacht). Ich glaube, ich würde gar nicht hingehen. Mich selbst zu betrachten, ist eher eine irritierende Vorstellung. Ich meine: Ich sehe mich nicht gern auf Fotos. Inzwischen kann ich mich anhören. Aber ganz ehrlich, seit die CD abgemischt ist, habe ich nicht mehr reingehört. Die geht jetzt als Flaschenpost um die Welt und jeder, der den Korken aufmacht, ist gut.

Ein schönes Schlusswort. Und die CD „Sing“ sei hiermit den Lesern ausdrücklich noch einmal ans Herz gelegt. Alleine schon wegen des sensationellen „Wo ich herkomme“. Vielen Dank für Ihre Zeit und bis in Bamberg.

Hannes Wader: Ich habe zu danken. Danke für Ihre Zeit. Und ich freue mich auf das Konzert und auf Bamberg.

Copyright Foto: © Karl Anton Koenigs

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