Im März feierte man in Norwegen: Jan Garbarek, einer der ganz Großen des europäischen Jazz, feierte seinen 70. Geburtstag. Kein Grund für den virtuosen Saxophonisten, kürzer zu treten: Am 15. Dezember können sich auch fränkische Anhänger davon wieder einmal ein Bild machen. In der Helmbrechtser Göbel-Halle gibt er sich ein Stelldichein.
1970 war es, als sich die europäische Jazzlandschaft einschneidend veränderte. Es war der Zeitpunkt, an dem Jan Garbarek die Bühne betrat. Der eigentliche Tenorsaxophonist lieferte mit „Afric Pepperbird“ einen Meilenstein ab. Nach der Aufnahme wussten wir, dass wir etwas Besonderes erschaffen hatten“, erinnerte sich Produzent Manfred Eicher später. Es war nicht nur die Geburtsstunde Garbareks, der bis heute mit dem deutschen Label ECM zusammenarbeitet. Es war der Wegbereiter für jahrelange Erfolge des norwegischen Jazz. Und immer federführend und trendgebend: Jan Garbarek. Der Sohn einer Norwegerin und eines Polen ebnete vielen Künstlern den Weg auf die Bühnen und in die Charts. Sich selbst stellt er nur ungern in den Vordergrund. Er ist eigentlich lieber der Macher, der anderen Plattformen bietet. Ein Fakt, den diese Künstler genauso schätzen wie sein Publikum. Das liebt den Jazz und dessen Garbarek‘sche Auslegung. Schließlich sieht er seine eigene Musik nicht mehr als Jazz an. „Jazz war in den 60ern“, sagt er, „alles was danach kam, ist kein Jazz mehr.“ Eine Definition seines eigenen Stils von ihm erhofft man vergeblich. Er spielt einfach. Auf einem Instrumentenunikum. Sein gebogenes Sopransaxophon unterscheidet sich von dem eigentlichen, einer Klarinette ähnelndem, Spielgerät, entscheidend: Es ist gebogen. So wie man das Tenorsaxophon kennt. Erst als er ein solches in Stockholm entdeckte, wechselte er das Instrument. Bei ECM Records brachte Garbarek in den kommenden Jahrzehnten etliche Alben heraus, die heute als Meilensteine der Jazzgeschichte gelten: In den 70ern „Witchi-Tai-To“ und – als Partner von Keith Jarrett – „Belonging“ und „My Song“, im Trio mit Charlie Haden und Egberto Gismonti „Folk Songs“ und „Magico“, in den 90ern dann weitere Meisterwerke und als i-Tüpfelchen „Officium“, einen der größten musikalischen Crossover-Erfolge aller Zeiten, den der Nordländer gemeinsam mit dem klassischen Hilliard Ensemble einspielte. Die Krönung seines Schaffens erlangte er, als er die traditionsreiche Londoner Royal Albert Hall ausverkaufte und aus dem Gig ein umjubelter Gipfelsturm wurde. Sarah Chaplin, in London als Betreiberin des größten Veranstaltungskalenders der Stadt Kultstatus genießend, adelte Garbarek in den London Jazz News. „Jetzt, nach über vierzig Karrierejahren, ist Garbarek der Perfektion so nah, wie es menschlich möglich ist, und erweist sich als Meister der Stille und des Klanges, als Meister eindrucksvoller rhythmischer Figuren ebenso sehr wie schmerzlich schöner Phrasen.“ Mehr Ritterschlag geht in einer boomenden Stadt wie London, in der der Jazz weiterhin einen hervorragenden Stellenwert genießt, kaum. Doch Garbarek lässt sich davon nicht beeindrucken. Bodenhaftung und eine fast schon beängstigende Zurückhaltung gehört zu den herausragenden Eigenschaften des 70-Jährigen. Diese Zurückhaltung gibt er erst auf, wenn seine Lippen sein Spielgerät umschließen. Dann avanciert er zum Tausendsassa auf der Bühne.
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Jan Gabarek, Foto © Guri Dahl