Wer an Rock‘n‘Roll aus Australien denkt, der denkt an AC/DC. Dabei sind die Kultrocker nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, blickt man tiefer in die Musikszene dort. Eine der stilprägenden Bands des Kontinents gastiert am 29. August im Nürnberger Hirsch: Rose Tattoo um ihren genialen Frontmann Gary „Angry“ Anderson und Ex-AC/DC Bassist Mark Evans.
Spricht man heute von geistigen AC/DC-Brüdern, reden Freunde rockiger Riffs von Airbourne. Dabei sind die, erst 2001 gegründet, eigentlich nur die Fortführung von viel älteren, nicht minder genialen Bands, aus dem Dunstkreis der Kultrocker. An vorderster Front Rose Tattoo. Die pflegen zu den australischen Vorzeigerockern eine besondere Beziehung. Nicht nur, da die Ex-AC/DC-Produzenten Vanda und Young für die ersten Alben von ihnen verantwortlich zeichneten. Sänger „Angry“ Anderson verbindet eine enge Freundschaft mit Angus Young. Und auch die ersten Bühnenerfahrungen sammelten die Bands im selben Schuppen, dem Chequers Club. Die Wege der Bands hätten unterschiedlicher nicht sein können, ehe sich der Kreis wieder schloss. Während AC/DC durch die Decke gingen, standen Rose Tattoo stets im Schatten. Auch wenn es genug Gründe gegeben hätte, dass es hätte anders laufen können. Wer kann schon von sich behaupten, auf einem Festival in London Led Zeppelin den Rang als lauteste Band abgelaufen zu haben? Anderson, früher nicht selten in komatösen Zuständen auf der Bühne und nach schmerzhaften Begegnungen mit dem auf das kahle Haupt getrommelte Mikro blutüberströmt performend, kann das mit Fug und Recht behaupten. In den späten 80ern lösen sich Rose Tattoo auf. Um mehr als eine Dekade später grandioser als zuvor zurückzukommen und nicht mehr von der Bildfläche zu verschwinden. Anderson, zwischenzeitlich an der Seite von Tina Turner in Mad Max III als Schauspieler aktiv, und seine Mitstreiter liefern ab. Ob als Vorband von Guns‘n‘Roses 1993, ob als Opener für die Onkelz 2005 am Lausitzring oder auch in Wacken: Rose Tattoo sind zurück, stellen nach vielen Jahren sogar ein Album in Aussicht. Kürzlich überzeugten die Australier beim Rockavaria-Festival mit einem atemberaubenden Gig und einer musikalischen Bereicherung: Neuer Bassist ist seit kurzem kein Geringerer als Mark Evans, drei Jahre lang bei AC/DC tätig. Die in der australischen Hall of Fame aufgenommene Band stellte ihr Können unter Beweis – der geneigte Anhänger durfte sich überzeugen, warum Guns‘n‘Roses Rose Tattoo als einen ihrer größten musikalischen Einflüsse nennen. Gary Anderson und seine Kombo sind zwar weit ruhiger geworden als noch vor Jahren. Dafür keinen Tick schlechter. Im Gegenteil, so agil und dynamisch wie jetzt hat man sie selten erlebt, wobei die Skandale der Vergangenheit angehören. Wenn Gary Anderson „I‘m a rock‘n‘roll outlaw“ anstimmt, werden Erinnerungen an alte Zeiten wach, die in der Neuzeit keinen Deut weniger dynamisch anmuten, als sie es früher taten.
Fotocredits:
Angry Anderson, Foto © Andreas Bär