Es gibt großformatige Werke des Musiktheaters, deren Besuch aufgrund ihres Anspruchs wohlüberlegt sein will. In einen Wagnerschen „Parsifal“ geht man nicht mal beiläufig hinein wie in Mozarts „Cosí fan tutte“ oder den „Freischütz“, so brillant diese Opern auch sein mögen. Spätestens wenn Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“ auf dem Spielplan steht, muss man wissen, worauf man sich einlässt. Sie zu inszenieren gilt seit jeher als heikel aufgrund ihrer relativen Handlungsarmut und langer Zweierszenen. Zugleich ist sie ein musikalisches Faszinosum mit Kultstatus, dessen Magie man sich kaum entziehen kann - so gilt z.B. die „sixte ajoutée“ des Tristanakkords als wirksamstes Opiat der Musikgeschichte.
Das Regensburger Theater nimmt zu Beginn der neuen Saison diese dramaturgisch-musikalische Herausforderung an und bringt ab 28. September (Premiere) eine Neuinszenierung des „Tristan“ heraus. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von GMD Stefan Veselka, die Dramaturgie besorgt Ronny Scholz. Die Inszenierung wird von Dennis Krauß verantwortet. Art5III stellte dem Regisseur einige Fragen zu seinen inszenatorischen Vorstellungen.
Zumindest als Aufzeichnung kenne ich alle, die man gesehen haben muss. Angefangen bei Wieland Wagner, über Heiner Müller und Patrice Chéreau bis hin zu den Inszenierungen der letzten Jahre. Ich habe also meine Hausaufgaben gemacht (lacht). Aber im Ernst: Auch wenn ich viele Aufführungen gesehen habe, ist es am Ende der Blick in die Partitur, der mich inspiriert und die Arbeit mit dem Ensemble in einem konkreten Bühnenraum, die mich zu Entscheidungen führt.
Ich hoffe, wer den Weg ins Theater findet, möchte auch optisch etwas geboten bekommen. Natürlich ist der „Tristan“ im Kern ein Kammerspiel und geizt im Vergleich zu anderen Opern mit Schauwerten. Doch für mich schreit diese Musik nach der Anwesenheit lebendiger Menschen, die gemeinsam etwas durchleben. Aus Liebe wird Hass, aus Hass wird Liebe. Für diese emotionale Achterbahnfahrt braucht es neben der Musik auch Bilder, die verdeutlichen, worum es gerade geht. Ich bin der festen Überzeugung, dass jede Position und jede Geste auf der Bühne etwas erzählt, und daher ist eine durchdachte Personenführung für mich essentiell. Zumal wir die ungestrichene Fassung spielen.
Das ist wohl eine Frage der Hauspolitik. Während Bayreuth mit dem Verzicht auf Übertitel nicht bloß einen Anspruch an die Textverständlichkeit der Sängerinnen und Sänger formuliert, sondern auch an das Publikum, sind wir hier in Regensburg vergleichsweise niedrigschwellig. Die vorbereitende Lektüre ist bei uns nicht zwingend, denn es wird Übertitel geben. Und auch ich gebe mein Bestes, dass die Inszenierung für sich sprechen kann.
Kurz: ‚Die Liebe als Querschläger‘. Das Stück spielt in einer Welt, die mit einer Liebe wie der zwischen Tristan und Isolde nicht umgehen kann - und die beiden selbst können es ja auch nicht. Die Geschichte spielt in einer militärischen Welt, in der die Begegnung von Tristan und Isolde zum Querschläger wird. Zwar gibt es keine konkrete zeitliche Verortung - mir ist die Überzeitlichkeit wichtig - doch unser Setting öffnet Assoziationen zum Kalten Krieg und atomarer Bedrohung. Wir befinden uns an Bord eines Kriegsschiffes, auf dem der Kommandant Tristan zwischen militärischer Pflicht und seinen Gefühlen für Isolde aufgerieben wird. Frieden ist nicht in Sicht, zumindest nicht in dieser Welt.
Die „Neuinterpretation“ ist für mich persönlich keine Kategorie. Dafür macht mir die Arbeit mit der Musik und dem Ensemble zu großen Spaß, um nur nach „Neuheit“ zu suchen. Andererseits akzeptiere ich nichts, das für mich unstimmig ist - auch wenn ich weiß, dass es oft so gemacht wird.
Ich suche einfach nach dem für mich relevanten Bogen und feile in den Proben zugleich akribisch an den Details. Wenn sich für das Publikum dann eine neue Sicht einstellt, freut mich das. Wenn sich das Gefühl der Vertrautheit einstellt, würde mich das aber nicht stören, solange die Leute eine intensive Aufführung erleben. Originalität ist schön, aber kein Selbstzweck.