Hubert Kolling
Von Augenblicken und Glücksmomenten. Landart-Installationen I.
veröffentlicht am 14.09.2024 | Lesezeit: ca. 5 Min.
Die künstlerische Ausdrucksweise „Landart“ ist in der heutigen Kunstwelt insofern kaum populär, da die Motive bzw. „Installationen“ nicht für die Ewigkeit geschaffen werden. Aus teils biologischen, teils geologischen, aus dem näheren Umfeld gegriffenen Objekten wird ein feingliedriges, minuziös zusammengesetztes Ganzes hergestellt, das sich einem vorher vom Künstler ausgewählten Titel unterordnet. Letzterer bleibt jedoch dem Betrachter vor Ort verborgen. Zu Beginn dieser vor zirka zehn Jahren im Bad Staffelsteiner Umland auftauchenden Kunstgattung war es noch ein Rätsel, wer der Urheber dieser Bilder sei. Doch als im Netz sein „Monogramm“ – „HK“ – publik wurde [auf einem Dolomitstein mit ebener Oberfläche waren die von Schlehendorn-Früchten umrahmten Buchstaben aus Carrara-Marmorkies auf einer aus schwarzen Gartenerde geformten Sprechblase mit Durchmesser von 50 Zentimeter aufgesetzt (S. 80)], – erst ab da war das Geheimnis gelöst!
Hubert Kolling lebt in Unterzettlitz bei Bad Staffelstein. Bekannt ist der aus dem Saarland stammende, in Marburg studierende und promovierte Dozent der hiesigen Zivildienstschule bisher durch seine Forschung im lokal- und regionalgeschichtlichen Bereich, die er mittels zahlreicher Publikationen dokumentiert hat. Zudem ist er aktives Mitglied im Arbeitskreis der Kultur-Initiative Bad Staffelstein (KIS) für bildende Kunst. So lag es auf der Hand, dass Arbeitskreisleiter Anton Köcheler im Vorwort dessen Person und die Arbeitsmethode „Landart“ detailliert vorstellt. Man dürfe Hubert Kolling nicht als „Fotokünstler“ verstehen: „Aufgrund seiner eigenen Naturverbundenheit möchte der Künstler durch seine im öffentlichen Raum – wenngleich oft ganz bewusst auch etwas versteckt – platzierten Kunstwerken, Menschen überraschen, erfreuen, staunen lassen, neugierig machen und zum Nachdenken anregen“, so wird Kolling skizziert (S. 9). Und diese Vermittlung ist aufgrund der praktizierten „Landart“ voll und ganz gelungen!
In dem die Stadt umgebenden Naturraum kann der Künstler aus dem Vollen schöpfen. Seine Werke gestaltet er aus Materialien, wie Blätter, Blüten, Beeren und Früchten, Holz und Ästen, Lehm und verschieden farbige Erden, Kiesel und Sand, aber auch Eis und Schnee, je nach saisonalem Angebot und Jahreszeit. Diese „Skulpturen“ werden jedoch je nach Witterung mehr oder weniger schnell vom Wind verweht, vom Regen weggespült oder von Vögeln bzw. anderen Tieren gefressen. Sie schmelzen dahin, verrotten im Lauf der Zeit oder werden durch Menschenhand zerstört. In der Regel stößt der Wanderer auf die bunten Collagen aus ortsfremdem Material und gerät ins Staunen. Er rätselt über Bestandteile sowie beabsichtigte Provokation, bewundert den Aufwand des Künstlers, auch schwere Baustoffe an nicht gut zugängliche Plätze transportiert zu haben, hält inne und genießt!
Mit diesem Buch „Von Augenblicken und Glücksmomenten“ wird erstmals diese von Kolling im Umkreis von Bad Staffelstein zelebrierte Kunsttechnik einem größeren Publikum vorgestellt. Und das ist tatsächlich etwas sehr Außergewöhnliches! Die einzelnen Motive wurden nach Fertigstellung vom Künstler selbst fotografiert und sind nun für die Ewigkeit dokumentiert! Somit erfüllen sie den ungeahnten Kunstgenuss ein zweites Mal. Bei Ansicht der 94 Farbmotive gerät man ins Schwärmen. Auf den ersten Blick haben sie etwas Meditatives, da die Materialien und Formen an den Naturschauplätzen nicht erwartet werden. So sind bunte Blätter von Wildem Wein in Form des „Peace-Zeichens“ auf einer grünen Wiese als „Friedensbewegung“ tituliert (S. 40). Wichtig ist es auch, sich die Ausmaße vorzustellen, die dem Titel beigefügt sind, denn der Durchmesser dieser heute nicht mehr existierenden „Landart“ betrug tatsächlich 360 Zentimeter! Nachdenklich ging der Spaziergänger daran vorbei und der Leser blättert jetzt neugierig weiter …
Die Installationen zeigen, dass sich der Künstler provokativ, wie „Die ganz große Liebe“ aus Zwergmispel- und Ligusterbeeren (S. 30), und mit Augenzwinkern („Logistikunternehmen – Schnecken-Post“/das Wort „Post“ ist mit Schneckenhäusern zwischen zwei Briefkästen am Straßenrand gelegt; S. 71), aber auch exzessiv mit dem Zeitgeschehen und Umweltproblemen auseinandersetzt. Diese neue, die Wahrnehmung innovativ bereichernde Erfahrung „Von Augenblicken und Glücksmomenten. Landart-Installationen I“ sollte man sich nicht entgehen lassen. Da dieser 32. Band der Bad Staffelsteiner Schriften mit der Unterziffer „römisch I“ betitelt wurde, darf man auf das baldige Erscheinen eines Nachfolgerwerkes von Hubert Kolling hoffen.
Hubert Kolling: Von Augenblicken und Glücksmomenten. Landart-Installationen I., Bad Staffelstein 2023, Herausgegeben von der Stadt Bad Staffelstein (Bad Staffelsteiner Schriften, Band 32), durchgehend Farbfotos, 112 S., Festeinband, ISBN 978-3-935302-21-0, VK 12,00 €.
Adelheid Waschka