Hintergrund

Traumberuf Kapellmeister - Ziel erreicht

Der 30-jährige Ire Killian Farrell ist seit einem Jahr Generalmusikdirektor in Meiningen

veröffentlicht am 16.03.2025 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Elke Walter

Generalmusikdirektor (GMD) Killian Farrell beim Neujahrskonzert am Staatstheater Meiningen am 3. Januar 2025

Generalmusikdirektor (GMD) Killian Farrell beim Neujahrskonzert am Staatstheater Meiningen am 3. Januar 2025, Foto © Elke Walter

Schon als Teenager wollte Killian Farrell Kapellmeister werden. Nun ist der erst 30-jährige Ire seit der Spielzeit 2023/24 sogar schon Generalmusikdirektor (GMD) am Staatstheater Meiningen und Leiter der Meininger Hofkapelle. Das erste Jahr als GMD hat der gebürtige Dubliner mit großem Erfolg hinter sich und startet mit großer Begeisterung in seine zweite Spielzeit. Liest man seine Biographie, kommt man nicht aus dem Staunen heraus. Alles deutet auf eine Blitzkarriere hin, allerdings hatte sein musikalischer Weg sowie seine umfassende Ausbildung schon früh begonnen. Als Sechsjähriger war Farrell zum „Palestrina Choir“ der Dublin Cathedral, dem einzigen katholischen Knabenchor Irlands gekommen, wurde dort Stimmführer und Solist. Mit dem Stimmbruch, anders als bei deutschen Knabenchören, endete die Gesangskarriere. Die Musik hatte ihn aber nicht losgelassen. Mit 17 Jahren gründete er einen Chor und brachte als Dirigent Johann Sebastian Bachs „Johannes-Passion“ zum Kirchenjubiläum auf die Bühne. Farrell studierte am DIT Conservatory of Music and Drama in Dublin Klavier, Orgel und Dirigieren, absolvierte parallel dazu ein Studium der Musikwissenschaften am Trinity College in Dublin, das er 2016 mit Auszeichnung beendete. Weitere Impulse bekam der junge Musiker unter anderem als Korrepetitor und Young Artist am National Opera Studio in London. Seit 2021 ist Farrell Stipendiat beim Forum Dirigieren des Deutschen Musikrats.

Weitreichende Erfahrungen konnte der junge Ire auf seinem weiteren Weg sammeln, kam als 23-jähriger Korrepetitor zunächst an das Theater Bremen, wurde dort Erster Kapellmeister und wechselte dann in selber Funktion und als Assistent des Generalmusikdirektors an die Staatsoper Stuttgart. Mit der Inszenierung von Mozarts Zauberflöte gab er 2022 sein Debüt an der Semperoper Dresden. Und nun ist Farrell erster irischer GMD an einem deutschen Staatstheater, wo er sich dem Publikum 2023 erstmals mit Wagners „Feen“ vorstellte und in dieser Spielzeit unter anderem die musikalische Leitung für „Don Carlos“ sowie „The Wreckers“ übernimmt. Wir haben den jungen Iren am Staatstheater Meiningen getroffen, um mit ihm über seinen Beruf, die Musik und seine neue Aufgabe zu sprechen.

Herr Farrell, Sie haben Ihre Position bereits vor einem Jahr angetreten, wir gratulieren Ihnen daher nun zu Ihrer ersten, erfolgreich verlaufenen Spielzeit am Staatstheater Meiningen. Können Sie sich an die ersten Gedanken erinnern, als Sie zum neuen Generalmusikdirektor ernannt wurden?

Das war eine große Ehre, so jung eine derart wichtige Position bekleiden zu dürfen. Natürlich braucht es dazu gewisse Fähigkeiten und das Wissen um die Musik, aber sich einem Auswahlverfahren zu stellen, ist schon noch etwas anderes. Von Stuttgart aus hatte ich mich dann für die Bewerbung entschieden. Unter den mehr als einhundert Mitbewerber:innen konnte ich mich dann so vorstellen, dass ich den Zuschlag bekommen habe. Dazu braucht es auch eine Kommission, die einem jungen Musiker wie mir auch die Chance gibt, sich zu bewähren. Dafür bin ich sehr dankbar.

Sie treten damit in die Reihe prominenter Vorgänger und Musiker, wie etwa Hans von Bülow, Richard Strauss, Max Reger, Richard Wagner, Kirill Petrenko oder auch Ihrem Vorgänger Philippe Bach. Grund zur Sorge?

Nein, so empfinde ich das nicht, allerdings weist das schon auf die Bedeutung dieser Position hin, davor habe ich durchaus Respekt. Die Meininger Hofkapelle gibt es seit mehr als 300 Jahren. Diese reichhaltige Geschichte ist für mich eher Inspiration und Verantwortung, macht mir aber keine Angst. Eine Herausforderung und Verpflichtung, gute Arbeit zu machen, ist meine Position sicherlich. Ich möchte meine Begeisterung für Musik an das Publikum weiterreichen, die Tradition pflegen und erhalten, aber auch neue Impulse setzen und die einzelnen Vorstellungen zu einem gemeinsamen Erlebnis, einem Dialog zwischen Orchester, GMD und Zuhörer:innen, aber auch zwischen den Musiker:innen und ihrem Dirigenten machen.

Wie haben Sie die Meininger Hofkapelle bisher erlebt? Was schätzen Sie an der gemeinsamen Arbeit?

Das Orchester ist mir von Anfang an mit großer Offenheit begegnet, die Zusammenarbeit macht unheimlich Spaß. Ein ausgezeichneter und sehr vielseitiger Klangkörper, den mir mein Vorgänger Philippe Bach da übergeben hat. Die Musiker:innen, momentan sind das 61 Mitglieder, verfügen über ein breites Repertoire, lassen sich aber auch auf Neues ein. Das gefiel mir von Anfang an.

Mit 29 Jahren waren sie schon recht jung, um den Kolleg:innen der Hofkapelle den Weg zu weisen. War es schwierig, da zusammenzufinden?

Nicht wirklich. Natürlich mussten wir uns erst kennenlernen, das ging aber sehr schnell. Ich denke, wenn man als Dirigent gut vorbereitet ist, seinem Orchester und allen Beteiligten mit dem nötigen Respekt gegenübertritt, dann klappt das. Impulse und wichtige Erfahrungen bringen auch alle anderen mit ein. Meine Aufgabe als Dirigent ist es, diese aufzunehmen und in Verbindung mit meinen Vorstellungen den passenden Weg für ein Werk beziehungsweise die Konzerte zu finden. Dann ist das Alter zweitrangig.

Wichtig ist für Sie offensichtlich immer auch Repertoire zu spielen. Wie ist das, wenn dieselben Stücke immer wieder auf Sie zukommen? Stumpft man da irgendwann ab?

Richtig, auf manche Stücke kommt man immer wieder zurück, sie sind dann eher wie vertraute Freunde. Ich finde das aber spannend, weil man sich mit einem Werk dann immer von Neuem beschäftigen kann. Fertig wird man da nie, aber man kommt dem Wesentlichen immer näher. Und man lernt, etwa bei der Arbeit mit anderen Orchestern oder Kolleg:innen, bei jedem Mal Neues dazu. Frei nach Chaplin, formuliere ich das mal so: Ein Tag, an dem ich nichts gelernt hab, ist ein verlorener Tag. Man kann immer neue Facetten entdecken, vor allem im Austausch mit anderen.

Macht das auch das Wesentliche Ihres Berufs aus?

Als Dirigent kann ich alleine gar nichts bewirken, ohne Orchester geht da nichts. Der Austausch steht da an erster Stelle, nur gemeinsam ist es zu schaffen, tolle Projekte auf die Bühne zu bringen. Andernfalls wäre die Tätigkeit als Dirigent recht einsam.

Gibt es auch etwas, was für Sie an Ihrer neuen Tätigkeit neben der Musik eine neue Herausforderung darstellt?

Naja (Farrell schmunzelt), ich habe kein BWL oder etwas Ähnliches studiert, das mich auf die Führung von Mitarbeiter:innen vorbereitet hätte. Das gehört natürlich jetzt auch zu meinen Aufgaben, wenn auch das Dirigieren sowie das Partitur-Studium nach wie vor zu meinen Hauptaufgaben gehört. Aber man lernt das mit der Zeit. Und man übernimmt mit der Position gleichzeitig auch Verantwortung für all die Menschen, mit denen man arbeitet.

Sie hatten ja schon mit 17 die „Johannes-Passion“ einstudiert, dirigiert und aufgeführt. Auf den ersten Blick ein nahezu unmögliches Vorhaben. Hatten Sie da schon den Wunsch, Dirigent zu werden?

Ja, bereits da. Kapellmeister werden, das wollte ich schon lange vorher. Mit 15 hatte ich mich da schon dafür begeistert. Zum ersten Mal war ich in der Biografie von Georg Solti auf den Begriff des „Kapellmeisters“ gestoßen. Ich war fasziniert von Musik, der Oper und dem Wunsch, diesen Beruf zu ergreifen. Damals wurde mir auch klar, dass es in Deutschland da eine ganz andere Tradition gibt als in Irland, man fürs Operndirigieren sogar bezahlt wird (lacht dabei).

War das auch der Impuls für Sie, von der Insel auf den Kontinent zu wechseln?

Ich hatte damals begriffen, dass ich meinen Berufswunsch in Irland so nicht hätte verwirklichen können. Also ging ich nach Deutschland zu einem ersten Engagement als Korrepetitor an das Theater in Bremen. Es folgte eine Dirigierverpflichtung und die Stelle des Ersten Kapellmeisters. In diesen Bremer Jahren konnte ich viel lernen und reichlich Erfahrungen sammeln. Ich wechselte als Kapellmeister nach Stuttgart, konnte mein Repertoire erweitern. Rückblickend die Basis für meine jetzige Arbeit in Meiningen.

Reicht das Können allein aus für eine solche Karriere?

Nein, sicherlich nicht, aber es ist die Basis für alles, was daraus erwachsen kann. Eine Portion Glück gehört immer dazu, natürlich auch, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Vor allem aber ist es ein Glücksfall, auf Menschen zu treffen, die einem auch zutrauen, die gestellte Aufgabe erfüllen zu können. Dafür bin ich sehr dankbar.

Sie haben neben dem Dirigieren auch Klavier und Orgel studiert. Wären das möglicherweise berufliche Alternativen gewesen?

Nein, das Dirigieren stand immer im Vordergrund, wobei der Gedanke an eine Ausbildung zum Orgelbauer durchaus auch einmal durch den Kopf gegangen war. Die Karriere als Pianist stand da auch nicht zur Debatte, ich wollte immer gemeinsam mit anderen arbeiten und musizieren. „Kapellmeister“ zu werden, war und ist das Höchste für mich, alternativlos.

Darf ich das so verstehen, dass Sie Ihre eigene Leidenschaft zum Beruf machen durften? Was bedeutet das für Ihr Publikum?

Das ist tatsächlich so. Unserem Publikum, in Meiningen haben wir übrigens ein tolles und treues Publikum, würde ich das gerne auch vermitteln und im besten Fall so Begeisterung und Neugier bei den Menschen zu wecken. In diesem Zusammenhang finde ich es auch wichtig, unseren Besucher:innen vorab Informationen zu den Konzerten und Opernaufführungen zu geben. Das soll jetzt nicht belehrend klingen, aber vorherige Einführungen erleichtern oft den Zugang und vertiefen das Hörerlebnis. Wir können so den Zuhörer:innen unsere Vorstellungen zu einer Produktion oder zu einer Komposition verständlicher machen, gegebenenfalls auch auf einen anderen, vielleicht sogar neuen, ungewöhnlichen Ansatz eingehen. Der Kontakt zum Publikum sowie den Menschen in der Stadt selbst ist mir sehr wichtig.

Wie erleben Sie Ihren neuen Wohnort?

Ich fühle mich hier sehr wohl. Als Wahl-Meininger wurde ich von allen sehr gut aufgenommen. Die Landschaft im Thüringer Wald erinnert mich auch etwas an die Landschaft meiner Heimat. Meiningen hat als ehemalige Residenzstadt ein reichhaltiges Erbe zu bieten, das es zu erhalten gilt. Das finde ich spannend. Als Musiker und GMD will ich gerne meinen Beitrag dazu leisten, gleichzeitig aber auch neue Formate, wie etwa „Mittendrin-Konzerte“ für junge Zuhörer:innen zu entwickeln, bei denen diese auf der Bühne mittendrin zwischen den Musiker:innen sitzen können.

Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute weiterhin.

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