Szene

Hagen Rether beehrt die Kulturfabrik

Der scharfzüngige und brillante Kabarettist Hagen Rether kommt nach Roth

veröffentlicht am 04.01.2025 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Andreas Bär

Hagen Rethers Programm „LIEBE“ ist tragisch, komisch und schmerzhaft zugleich

Hagen Rethers Programm „LIEBE“ ist tragisch, komisch und schmerzhaft zugleich, Foto © Klaus Reinelt

Ein Klavier, Desinfektionsspray, ein Reinigungstuch, eine Flasche Mineralwasser und einige Bananen. Was das mit Kultur zu tun hat? Eigentlich hat nur das Klavier einen direkten Bezug dazu. Wer den tieferen Sinn dieser Utensilien nicht kennt: Dem sei ein Auftritt von Hagen Rether empfohlen.

Am 12. Januar gastiert der Kabarettist in der Kulturfabrik Roth. Und wer sich auf einen Abend voller lieblicher Klavierklänge freut: Der wird enttäuscht werden. Nur ab und zu, manchmal gar nicht, entlockt der 55-jährige, gebürtige Bukarester, seinem Spielgerät den ein oder anderen Ton. Ansonsten begibt sich der Sohn deutschstämmiger siebenbürgischer Eltern, der mit nur vier Jahren im Schlepptau dieser ins Breisgau übersiedelte, auf Spurensuche. Im Gegensatz zu anderen Kabarettisten, die den Regierenden den Spiegel vorhalten oder gesellschaftliche Entwicklungen in der Politik anprangern, geht es Rether um sein Publikum. Er hält den Gästen den Spiegel vor die Nase. Kritisiert aktuelle wie vergangene Denkweisen, verknüpft das Jetzt mit dem Damals und dem Demnächst. Mitunter sprunghaft, im Laufe der Jahre scharfzüngiger und doch immer konsequent. Und so derb, dass ein jeder Gast die Intuition des Gesagten versteht.

Bis zu dreieinhalb Stunden plädiert der Kabarettist in seinem sich ständig weiterentwickelten Programm leidenschaftlich für Aufklärung und Mitgefühl, gegen Doppelmoral und konsumselige Wurstigkeit: Wandel ist möglich – wenn wir wollen. Apropos möglich: Möglich wäre es Hagen Rether auch, auf seinem Klavier zu spielen. Bevor er den Weg des Kabarettisten beschritt, stand – respektive saß – er zehn Jahre lang an der Seite von Ludwig Stratmann als Pianist auf der Bühne. Der Schritt zum eigenen Bühnenprogramm bot sich da an. Seit 2003 inzwischen spielt er sein „Liebe“ genanntes Programm. 21 Jahre lang. Immer weiter entwickelt, fortgeschrieben, aber nie umbenannt. Was dabei immer im Fokus, aber nie im Mittelpunkt steht, ist sein Klavier. Das putzt er mit seinem Reinigungstuch und dem Desinfektionsspray mit der gleichen Hingabe, mit der er sich seinen Pointen widmet. Ab und an ein Schluck Wasser, stets die ein oder andere Banane naschend. Ansonsten aber immer wieder mit Überraschungen aufhorchend und mit teils harten Wahrheiten konfrontierend. Wer Rether live auf der Bühne gesehen hat, der weiß: Ein Perspektivwechsel hat dem eigenen Dasein noch nie geschadet. Er rüttelt auf, ohne dabei belehrend auftreten zu wollen. Ein in der heutigen Kabarett-Zeit nicht selbstverständlicher Wesenszug. Sich selbst stellt er ungern in den Mittelpunkt. Und wenn: Dann würde er vermutlich das Reinigungstuch bei sich selbst ansetzen. Gott sei Dank bleibt das reserviert für sein Klavier.

Schlagworte:

Ähnliche Artikel: