Klassiker

BallettFestwoche an der Bayerischen Staatsoper

Ein Sommernachtstraum und Mahlers Siebte

veröffentlicht am 20.04.2015 | Lesezeit: ca. 6 Min.

Seit einem Vierteljahrhundert existiert das Bayerische Staatsballett, denn seit der Spielzeit 1989/1990 ist das Tanztheater in München von der Staatsregierung der Oper und dem Schauspiel gleichgestellt und als eigenständige Kompagnie von Konstanze Vernon als Gründungsdirektorin eine (erste) Dekade lang geleitet worden. Dieses Jubiläum ist nun wahrlich Grund genug für eine hochkarätige BallettFestwoche, die neben eigenen Produktionen auch ein Gastspiel des Ballett am Rhein in den Mittelpunkt stellt.

Die im Herbst 2001 konzipierte Reihe „Ballett extra“ feiert am heutigen Montagabend (im Ballett-Probenhaus, Platz 7) 25 Jahre Staatsballett, ist allerdings bereits ausverkauft, sodass sich Tanzaficionados höchstens Hoffnung auf zurückgegebene Karten machen können. Trösten kann man sich mit weiteren, mit anderen Produktionen, die bis Sonntag, den 26. April, das Ballett hochleben lassen. Am Dienstag sowie am Mittwoch ist das Ballett am Rhein an der Isar zu Gast mit der schlicht „7“ geheißenen Choreographie Martin Schläpfers, eben nach Gustav Mahlers Siebter Symphonie in e-Moll (die, nebenbei, am 29. April und am 30. April auch im Joseph-Keilberth-Saal der Bamberger Konzerthalle auf dem Programm stehen wird; Adam Fischer dirigiert dann die Bayerische Staatsphilharmonie). Im Nationaltheater werden von 19.30 Uhr an die Düsseldorfer Symphoniker spielen.

Für Bühne und Kostüme zeichnet Florian Etti verantwortlich, die Beleuchtung liegt in den Händen von Volker Weinhart, das Dirigat in jenen von Axel Kober, der in Würzburg studierte und seit 2009/2010 Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein ist. Man sieht Tänzer in schweren Stiefeln und Mänteln, die, so hat es den Anschein, nach langem Unterwegssein in einer Welt ankommen, welche womöglich zu ihrer neuen Heimat wird. Mahlers im September 1908 in Prag uraufgeführte Musik und Martin Schläpfers Choreographie verbinden sich zu einem Psychogramm getriebener Existenzen.

Da ist aber auch, neben den dunklen Seiten beispielsweise des Scherzos („Schattenhaft“, heißt es bei Mahler), neben der gewaltigen Architektonik und dem Rohen etwa des Rondo-Finales oder des Einstiegs in die Siebte, immer wieder und wie so oft bei dem gebürtigen Böhmen Humor, und da ist naturgemäß auch die Liebe. Die zweite Nachtmusik (Nacktmusik?), die man damals in Prag fast zu wiederholen verlangt hatte, ist zum Beispiel „Andante amoroso“ überschrieben.

In einer Besprechung der Uraufführung, von Victor Joß für die „Allgemeine musikalische Zeitung“ verfasst, ist zu lesen, Mahler, dem „stürmische Ovationen bereitet“ worden seien, habe mit seiner Siebten einen „imposanten Kulminationspunkt“ erreicht. Im Übrigen, mutmaßt Joß, könne diese e-Moll-Symphonie „Nachtwanderung“ überschrieben werden. Wie der als Tänzer wie Choreograph vielfach ausgezeichnete, 1959 in Altstätten im Kanton St. Gallen geborene Schläpfer diese Musik Tanz werden lässt, dürfte arg spannend zu verfolgen sein.

Solisten und Ensemble des Bayerischen Staatsballetts sind dann am Donnerstag, den 23. April, im Nationaltheater zu erleben. Der Abend beginnt mit einer choreographischen Inszenierung von Wassily Kandinskys Manifest „Der gelbe Klang“, das in dem berühmten, bei Piper 1912 herausgekommenen Almanach „Der Blaue Reiter“ zu finden ist. Michael Simon, der lange Jahre in Frankfurt für William Forsythe als Lichtdesigner und Bühnenbildner arbeitete, hat für München, zusammen mit Besim Morina, auch die Kostüme entworfen und greift zu musikalischen Vorlagen von – Frank Zappa. Von Russell Maliphant stammen Choreographie und Bühne zu „Spiral Pass“ (Musik: Mukul Patel, der Mitbegründer von ambientspace).

Die dritte Choreographie des Abends schließlich hat die Kanadierin Aszure Barton geschaffen. Sie hat das Violinkonzert von Mason Bates umgesetzt, einem Schüler von John Corigliano, von David Del Tredici, von zwei führenden Vertretern des „New Romanticism“ also, und Schüler auch von Samuel Adler. Bates zielt darauf ab, möglichst viele Menschen für die klassische Musik zu begeistern. Das ist ihm beispielsweise durch seine enge Zusammenarbeit mit Riccardo Muti und dem Chicago Symphony Orchestra nahezu vorbildlich gelungen. Die musikalische Leitung hat Myron Romanul inne. Er steht am Pult des dann gerade von einer kurzen Wien-Budapest-Tournee zurückgekehrten Bayerischen Staatsorchesters.

Der Freitagabend lockt mit einer meisterhaften Choreographie nach Mendelssohn und György Ligeti, „Ein Sommernachtstraum“ (Bühne und Kostüm: Jürgen Grose), die aus der Hand von John Neumeier stammt. Karten gibt es nur noch ganz wenige. Dafür sind die noch zu habenden Billets mit sieben Euro überaus preisgünstig veranschlagt. Es heißt also ganz unbedingt zuzugreifen. Am Samstag kommt „Paquita“ auf die Bühne. Die Choreographie von Alexei Ratmansky feierte im vergangenen Dezember in der bayerischen Kapitale Premiere. Ratmansky bezieht hierbei die choreographische Überlieferung von Marius Petipa, mithin des bedeutendsten Choreographen des vorvergangenen Jahrhunderts, mit ein. Am Pult steht wiederum Myron Romanul.

Am Sonntag, den 26. April, feiern Ensemble und Solisten des Bayerischen Staatsballetts sodann Serge Diaghilew und dessen „Ballets Russes“. Mikhail Fokine vertanzt(e) 1910 „Shéhérazade“, Bronislawa Nijinska 1924 „Les Biches“ (nach der Musik von Francis Poulenc; das Ballett sollte zu Poulencs Durchbruch werden). Terence Kohler endlich, 1984 in Sydney geboren, bediente sich 2009 bei der Sechsten, der „Pathétique“, aber auch bei den Klassikern „Schwanensee“ und „Dornröschen“. Tschaikowsky satt. Für Bühne, Kostüme und Lichtinstallation zeichnet Gudrun Müller verantwortlich, 1953 im schwäbischen Gemmrigheim geboren, die als Künstlerin auf das Alias rosalie zurückgreift. In den späten Siebzigern, in den frühen Achtzigern, studierte rosalie bei Jürgen Rose in Stuttgart Bühnenbild.

Copyright Fotos:

Martin Schläpfer: 7, Fotos © Gert Weigelt

Ähnliche Artikel: