Wie viel Franz Huchel steckt in uns?
„Der Trafikant“ am Stadttheater Fürth in einer Zeit des Umbruchs
veröffentlicht am 25.02.2025 | Lesezeit: ca. 4 Min. | von Barbara Pittner
Mit einem Schlag ist alles anders. Aus seinem sorgenfreien Leben im Salzkammergut gerissen, sieht sich Franz Huchel als Lehrling in einem Trafik mit dem Leben in der Großstadt Wien konfrontiert.
2012 veröffentlichte Robert Seethaler seinen Roman „Der Trafikant“. Eine Geschichte über das Erwachsenwerden; eine Geschichte über ein dunkles Kapitel Zeitgeschichte. Der Roman bildet die Vorlage für das gleichnamige Schauspiel, das am 7. März 2025 Premiere am Stadttheater Fürth feiert.
Was hat er gewusst?
Es ist das Jahr 1937. Es ist Spätsommer in Wien. Die Stadt, das Land Österreich ist in einem Umbruch. Der junge Franz Huchel, Hauptfigur der Geschichte, erlebt die große Stadt mit ihren Überraschungen in persönlicher als auch in politischer Hinsicht. In dem Trafik, einem Tabak- und Zeitungsgeschäft, lernt er Sigmund Freud kennen. Der Professor ist Stammkunde in dem Geschäft und besorgt sich hier regelmäßig seine Zeitungen und seine Zigarren. Franz Huchel ist von dem älteren Mann fasziniert. Er besucht den berühmten Psychoanalytiker und sucht Rat bei ihm, als er sich in die Varietétänzerin Anezka verliebt. Doch der lebenserfahrene Mann bleibt ihm einen Rat schuldig.
Während der Wochen, die Franz Huchel in seine eigenen emotionalen Verstrickungen gefangen ist, gewinnt der Faschismus auch in Österreich die Oberhand und überrollt das Land. Sein Lehrmeister, der Trafikant Otto Trsnjek, zeigt ihm, wie wichtig es gerade in diesen Zeiten ist, die eigene Menschlichkeit nicht aus dem Blick zu verlieren. Jedoch obsiegt in seinem Fall die Staatsgewalt und Trsnjek wird gedemütigt und verhaftet. Die Versuche von Huchel, im Gefängnis zu ihm durchzudringen, scheitern. Schließlich erhält er die Nachricht, Trsnjek sei „verstorben“ und er selbst solle zusehen, dass er verschwinde. Obgleich er zunächst den Trafik fortführen kann, muss Franz Huchel kapitulieren. Sein Versuch, das Geschäft mit Tabak und Zeitungen in Wien aufrechtzuerhalten, ist aussichtslos.
Der Roman endet am 12. März 1945. Die Spur von Franz Huchel hat sich verloren. Der Trafik existiert nicht mehr. Lediglich einige Zettel, die an den Fenstern kleben, erinnern an vergangene Zeiten.
Wie viel Franz Huchel steckt in uns?
„Der Stoff lässt sich gut erzählen.“ Udo Eidinger, Dramaturg am Stadttheater Fürth, sieht in Franz Huchel eine spannende Figur. Für ihn ist der junge Mann zu Beginn der Geschichte von einer gewissen Naivität geprägt, die sich konträr zu der politischen Entwicklung im Land verhält. Und es stellen sich ihm die Fragen: „Wie verhalten sich Menschen in so einer Zeit?“ Oder: Wie politisch werden Menschen in Zeiten des Umbruchs? Wenden sie sich von der Politik ab? Verschließen sie die Augen vor der politischen Entwicklung oder nehmen sie sich der politischen Umbrüche an und werden politisch aktiv? „Wir wissen heute, was historisch passiert ist“, erklärt der Dramaturg. Mit diesem Wissen schauen wir auch auf die Figur des Franz Huchel. Doch der Autor Robert Seethaler lässt es im Ungewissen, was der Protagonist selbst von der politischen Entwicklung wusste und wie er sie eingeschätzt hat.
Auf die heutige Zeit bezogen, lädt die Inszenierung dazu ein, die Frage an sich selbst zu stellen: Wie viel Franz Huchel steckt in jedem von uns?
Regisseur Thomas Ladwig und die Dramaturgin Nilufar K. Münzing adaptieren den Roman in der Form, dass sich jeder einen Reim auf die Geschehnisse machen kann. Die Vielzahl der Personen, die in dem Roman vorkommen, werden auf ein kleineres Ensemble reduziert. In der Inszenierung werden Symbole und Zeichen verwendet. Es wird mit diesen Symbolen gespielt. Doch die Inszenierung versteht sich nicht als Anklage. Vielmehr lädt Udo Eidinger das Publikum dazu ein, das Schauspiel als Anregung zu betrachten. „Die Übersetzung des Stoffs in die Gegenwart muss jeder für sich selbst machen“, sagt der Dramaturg.
Matinee und Publikumsgespräch
Das Stadttheater Fürth lädt am 23. Februar 2025, 11 Uhr, zu einer Matinee ein. Im Rahmen dieser gibt es Informationen zu der Besetzung und zur Inszenierung. Außerdem bekommt das Publikum am 14. März 2025 in einem „Publikumsgespräch“ unmittelbar nach der Aufführung die Gelegenheit, Fragen an das Ensemble und die Dramaturgie zu stellen. Mit Ausnahme der Premiere gibt es vor jeder Aufführung um 19 Uhr eine Einführung in das Stück.
Weitere Informationen zu dem Schauspiel „Der Trafikant“ und dem Stadttheater Fürth gibt es unter www.stadttheater.de.