Vorhang auf!

Macht, Mord und Melodrama

Das Staatstheater Nürnberg bringt Giuseppe Verdis „Macbeth“ in einer Inszenierung von Kateryna Sokolova auf die Bühne

veröffentlicht am 17.02.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Martin Köhl

Die Dramaturgie übernehmen Wiebke Hetmanek und Katharina John

Die Dramaturgie übernehmen Wiebke Hetmanek und Katharina John, Foto © Oper Graz, Werner Kmetitsch

Giuseppe Verdis relativ frühe Oper „Macbeth“ (nach Shakespeare) gehört zu den eher selten gespielten Werken des Komponisten, hat aber in letzter Zeit erstaunlich an Präsenz auf deutschen Bühnen zugelegt. So auch in Nürnberg, wo das dortige Staatstheater die Oper ab dem 22. Februar (Premiere) unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Roland Böer aufführen wird. Es handelt sich um eine Koproduktion mit der Oper Graz.

Die Inszenierung des „Melodramma“ liegt in den Händen von Kateryna Sokolova, die in der ukrainischen Hauptstadt geboren wurde. Sie ging aus Kiew zum Studium nach London und erwarb dort 2012 einen theaterspezifischen Mastertitel. Seither hat sie vorwiegend an deutschsprachigen Häusern gearbeitet und eine ganze Reihe von Regiearbeiten im Bereich Musiktheater verantwortet. ART. 5|III durfte der Dramaturgin Wiebke Hetmanek Fragen zu dieser Inszenierung an der Nürnberger Staatsoper stellen, auch über Sokolovas Vorstellungen und Pläne für die Darbietung.

Was macht den spezifischen Reiz dieses Stoffes und dieser Musik für Sie aus?

Diesem Werk merkt man an, dass zwei der größten europäischen Theatergenies zusammenwirken: William Shakespeare und Giuseppe Verdi. Stoff und Figuren sind bei aller Gradlinigkeit der Handlung sehr plastisch, spannend und komplex erzählt, und sie haben eine Allgemeingültigkeit, die frappierend ist. Das ist schon sehr besonders.

In Shakespeares Plot geht jemand über Leichen, um oben anzukommen. Ist das ein ewig gültiges Ritual oder hat es zurzeit besondere Aktualität?

Ich fürchte, so jemanden wie Macbeth wird es immer geben, er stellt keinen Sonderfall dar. Die Faszination der Macht und die Gefahr des Machtmissbrauchs sind offenbar zeitlos. Shakespeare legt den Finger in die Wunde: Er zeigt Macbeth nicht als machtgierigen Exzentriker, sondern als einen eigentlich loyalen Menschen, der erst durch das Versprechen der Macht korrumpiert wird und schließlich vollends das Gefühl für Recht und Unrecht verliert.

Welche Fassung wird in Nürnberg gespielt?

Wir spielen die spätere Pariser Fassung, ohne Balletteinlagen. Allerdings greifen wir für das Ende auf das ursprüngliche Finale aus Florenz zurück; denn damit bleiben wir bis zum Schluss bei Macbeth und seinen Gedanken. Das Finale der Pariser Fassung öffnet noch einmal den Raum für ein großes Chorfinale, in dem der Sieg über Macbeth gefeiert wird. Regisseurin Kateryna Sokolova misstraut diesem Sieg, der nur den nächsten Kandidaten durch einen Mord auf den Thron verhilft. Sie konzentriert sich eher auf den Titelhelden und will den Fokus bis zum Schluss auf ihn lenken.

Diese frühe Oper verabschiedet sich geradezu demonstrativ von der Belcanto-Tradition der Zeit zwischen 1810 und 1850, die sich mit Namen wie Rossini, Donizetti und Bellini verbindet. Keine Liebesszene, kein Belcanto, stattdessen Machtgier mit all ihren Konsequenzen; fehlt da nicht etwas?

Die Musik ist ein echter Verdi, also psychologisch hochinteressant und dramatisch packend. Theatermusik eben. Ja, es ist ungewöhnlich, dass es keine Liebesgeschichte gibt. Aber die Konzentration auf die innere Entwicklung des Titelhelden, auf die Auswirkungen seiner Machtgier ist total spannend – und komplex genug. Mir fehlt da nichts. Für Verdi stellt diese Oper den Beginn seines Wegs zum Musikdrama dar. Sowohl was die Komposition betrifft, als auch in Bezug auf Stimme und Darstellung. Legendär sind die Schilderungen der Proben für die Uraufführung, die der Komponist selbst geleitet hat. Er wollte, dass die Sänger:innen sich dem Text, dem Drama mehr verpflichtet fühlen als der Musik. Sie sollten sich trauen, auch mal hässlich zu klingen, denn sie seien schließlich auch „hässliche“ Figuren. Das war in seiner Zeit geradezu revolutionär und hat entscheidende Impulse für die Oper im Allgemeinen gegeben.

Verdi hat aus der Lady Macbeth die treibende Kraft und beherrschende Figur der Oper gemacht. Hätte er das Werk nicht nach ihr betiteln müssen?

Tatsächlich sind beide Figuren wichtig, das wird in dem Stück sehr schnell deutlich. Man sollte aber auch nicht die „Hexen“ vergessen, die Verdi selbst als dritte Hauptrolle bezeichnet hat. Für Kateryna Sokolova sind sie die Alter Egos von Macbeth, die seine eigenen Gedanken repräsentieren. In ihrer Inszenierung tragen sie das gleiche Kostüm wie Macbeth, um diesen Ansatz zu unterstreichen. Die Fokussierung auf Macbeth ist im Stück angelegt. Sowohl bei Shakespeare als auch Verdi reiht sich ein Monolog an den anderen. Wir können quasi live verfolgen, wie ihn Macht, Morde und schlechtes Gewissen von innen auffressen und am Ende zu einem weltverachtenden Nihilisten werden lassen.

Werden wir uns bei Ihnen in der einen oder anderen Figur wiedererkennen?

Man wird bei der ein oder anderen Figur sicherlich Handlungsmuster erkennen, die es heutzutage in Politik und Gesellschaft immer noch gibt. Das liegt aber an Shakespeare. Kateryna Sokolova hat es nicht darauf angelegt, Parallelen zum Heute aufzuzeigen. Sie liegen schlichtweg auf der Hand.

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