Vorhang auf!

Gestrandet wegen Nine Eleven

Im Theater Regensburg kommt das Erfolgsmusical „Come From Away“ auf die Bühne

veröffentlicht am 14.02.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Martin Köhl

Das Theater Regensburg zeugt das Erfolgsmusical „Come From Away“

Das Theater Regensburg zeugt das Erfolgsmusical „Come From Away“, Foto © Marie Liebig

Für ein Musical scheint es ein eigenartiges Thema zu sein, was 2013 den Anlass zur Entstehung von Irene Sankoffs und David Heins „Come From Away“ gab. Aber wenn ein dramatisches Ereignis zu einer solch berührenden Geschichte führt, dann ist ein Musical wohl die geradezu ideale Gattung für deren Erzählung. Anlass sind die Geschehnisse am 11. September 2001, als aufgrund der Angriffe auf die Türme des World Trade Centers und andere Ziele in Amerika ein eher unbekannter, aber aufgrund seiner Nähe zu New York wichtiger Flughafen, zum spontanen Ersatzlandeplatz für viele Maschinen wurde.

Die kleine Gemeinde Gander liegt im kanadischen Teil von Neufundland und besitzt einen kaum noch genutzten, aber sehr großen Flughafen. Als am 11. September 38 Flugzeuge mit vielen Tausend Menschen dort landeten, ereignete sich eine vorbildliche Welle der Hilfsbereitschaft. Sprachbarrieren und politische oder kulturelle Konflikte schienen wie weggewischt, weil die Einwohnerschaft des Ortes die Gestrandeten versorgte und so demonstrierte, dass trotz der schrecklichen Vorfälle alle Menschen in einer solchen Situation letztlich Teil einer globalen Familie sind.

Das Musical „Come From Away“ war ursprünglich für ein kanadisches Theaterprojekt entwickelt worden und wurde am Broadway und andernorts ein großer Erfolg. Die deutschsprachige Erstaufführung wird nun am Theater Regensburg realisiert. Die musikalische Leitung dieser Produktion obliegt Andreas Kowalewitz, die Choreographie wird von Gabriel Pitoni verantwortet. Die Regie liegt in den Händen von Sebastian Ritschel, dem ART. 5|III einige Fragen zur geplanten Inszenierung stellte.

Wenn durch einen Zufall viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern zu einer Art geschlossenen Gesellschaft werden, sind eigentlich Konflikte vorprogrammiert. In Gander war das damals anders, so zumindest erzählt es das von Ihnen inszenierte Musical. Ist das Unerhörte der Geschehnisse vom 11. September der Grund dafür, dass Zusammenhalt gestiftet wurde?

Natürlich war der kleine Ort von dem plötzlichen „Zustrom“ so vieler Menschen erst einmal überfordert. Aber die Bürgerinnen und Bürger von Gander sahen es einfach als Selbstverständlichkeit an, dass man Menschen in Not hilft. Natürlich wäre dieser besondere Zusammenhalt ohne die erschütternden Ereignisse, die später als 9/11 bekannt wurden, niemals notwendig gewesen. Aber es entstand eine spontane Solidarität unter Menschen, ungeachtet der Herkunft.

Wie ist der Musicaltitel „Come From Away“ gemeint?

Die Einheimischen haben damals diese gestrandeten „Fremden“ aus aller Welt schon als „Come From Awayers“ und „Those who have come from away“ bezeichnet, also „Die-von Anderswoher“.

Der Stücktitel bezieht sich also auch einfach auf die reale Bezeichnung, die die Neufundländer für ihre unfreiwilligen Gäste hatten.

Menschen aus aller Welt sind in Gander gestrandet. Die Herkunft spielt dabei keine Rolle. Es sind nicht die netten Menschen aus Kanada, die Bedürftigen aus aller Herren Länder helfen. Es sind einfach nur Menschen, die Menschen helfen.

Weshalb haben Sie dieses Werk, dessen Thema ja nicht auf leichte Musical-Unterhaltung schließen lässt, für das Theater Regensburg ausgewählt?

Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir einen ernsten, politischen Stoff als Musical auf der Bühne präsentieren. Bereits in meiner ersten Spielzeit hatten wir PARADE von Jason Robert Brown auf der Bühne, das einen antisemitisch motivierten Lynchmord thematisiert. Wenn Sie sich die Inhalte „klassischer“ Opern anschauen, geht es da ja auch nicht unbedingt um „leichte Kost“, sondern oft Mord und Totschlag. Anders ausgedrückt: Für mich ist ein gutes Musical nicht gleich leichte Muse, sondern erzählt Geschichten mit zeitgenössischen und durchaus populären musikalischen Mitteln.

COME FROM AWAY ist ja, obwohl an einem konkreten Ort angesiedelt, eine sehr universelle Geschichte über Solidarität, Mitgefühl und Menschlichkeit – gerade auch im Angesicht von Unglück und Katastrophe. Die Frage heißt, ganz ohne mit dem Finger auf jemanden zu zeigen oder den Diskurs zu verschieben, schlicht: „Was verbindet uns? Wie können wir zusammenarbeiten, um Herausforderungen zu bewältigen?“ anstelle von „Wer ist schuld an meiner Misere?“

Welche menschlichen Befindlichkeiten bzw. Gefühle stehen im Vordergrund: Solidarität, Trauer, Mitgefühl, Liebe o.a.?

Es stehen über 20 Figuren im Vordergrund und mindestens genauso viele Gefühle. Es geht nicht um Solidarität oder Trauer oder Liebe, sondern es geht um Solidarität UND Trauer UND Liebe und, und, und … um einen ganzen Kosmos von Emotionen. Jede dieser Figuren durchlebt ihre eigene Geschichte, mit ihren eigenen Gefühlen. Dementsprechend erleben wir eine riesige Bandbreite an Emotionen, von denen keine wirklich im Vordergrund steht.

Wie würden Sie die verwendeten Musikstile charakterisieren?

COME FROM AWAY ist musikalisch und kompositorisch breit aufgestellt. Getragen wird das Stück musikalisch von Irish Folk und Pop-Musik. Allerdings gibt es durchaus klassischen Broadway-Sound. So vielfältig wie die Menschen, die dort strandeten, so vielfältig ist auch die Musik.

Schlagworte:

Weitere Artikel: