Kultur als Basis einer demokratischen Gesellschaft
Leon Tölle, Schauspieler am ETA Hoffmann Theater, ist Preisträger des Bayerischen Kulturförderpreises 2024
veröffentlicht am 04.02.2025 | Lesezeit: ca. 4 Min. | von Elke Walter

Unser Interviewpartner: Leon Tölle, Ensemblemitglied am ETA Hoffmann Theater Bamberg und Bayerischer Kunstförderpreisträger, Foto © Yannis Konstantinos
Der Bayerische Kunstförderpreis wird seit 1965 in den Kategorien Musik, Bildende Kunst, Literatur sowie Darstellende Kunst und Tanz vergeben. Er geht an Nachwuchskünstler:innen, die durch außergewöhnliche Begabung oder eine besondere Leistung auffallen. Zu früheren ausgezeichneten Personen gehören bekannte Größen wie Nora Gomringer oder Axel Milberg. In der Kategorie „Darstellende Kunst und Tanz“ kam im Dezember 2024 Leon Tölle dazu. Der junge Schauspieler kam 2022, unmittelbar nach seinem Abschluss an der Folkwang Universität der Künste, zum Ensemble des Bamberger ETA Hoffmann Theaters. Dort ist er neben anderem in der Hauptrolle in Matthew Lopez‘ „The Legend of Georgia McBride“ zu sehen, einem Stück, das sich humorvoll und emotional mit Themen wie Identität und Selbstausdruck auseinandersetzt. In Bamberg hat sich der junge Schauspieler in ganz unterschiedlichen Rollenprofilen bereits einen Namen erspielt, etwa auch in „Romeo und Julia“, „Das Vermächtnis“ oder „Dantons Tod“.
Schon früh fand Tölle, 1995 in Bochum geboren, in Jugendclubs zum Theater, begann zunächst allerdings ein Studium im Fach Psychologie. Wie er dann doch den Weg zur Bühne gefunden hatte, erzählte uns der Förderpreisträger bei einem Treffen in Bamberg.
Der starke Fokus auf den empirischen Anteil in diesem Studiengang war für mich nicht das Richtige. Ich wollte unbedingt Theater spielen, weil ich dort aktiv und kreativ an etwas mitwirken kann. In der Psychologie geht es viel um das große Ganze, mich interessiert aber eher der einzelne Mensch oder die Figur.
Ich mag es, zusammen mit meinen Kolleg:innen tief in einen Text und in Figuren einzutauschen. Bei den Proben wird ein Raum geschaffen, in dem man als Team Dinge ausprobieren kann, wegwerfen und dann wieder neu erschaffen – um diese schließlich live auf der Bühne zum Leben zu erwecken. Zudem bin ich sehr dankbar, dass mir Intendantin Sibylle Broll-Pape die Chance gegeben hat, mich hier in tollen Rollen zu zeigen und weiterzuentwickeln. Am Theater speziell schätze ich das Live-Erlebnis, das Menschen zusammenbringt, gemeinsame Erlebnisräume entstehen lässt und vielleicht Impulse für Gespräche setzen kann. Mich faszinieren Geschichten, ich lese auch gerne. Ich glaube, da muss ich meinen Vater sehr verantwortlich machen, der mit früher mit einer unglaublichen Ausdauer vorgelesen hat.
Das Entscheidende in der Literatur und im Theater sind für mich immer die Figuren. Wie Menschen denken und was sie antreibt. Sie in ihren Facetten zu spiegeln und zu ergründen, macht für mich das Wesen des Schauspielberufs aus.
In Zeiten, in denen Menschen vermehrt in einer digitalen Welt leben, viel vor einem Bildschirm sitzen, wird das gemeinsame Erlebnis immer wichtiger. Theater ist ein Raum, in dem Menschen sich begegnen und gemeinsam etwas schauen, was im Moment passiert. Ich habe das Gefühl, in der heutigen Zeit nehmen diese Räume immer mehr ab, was ich schade finde.
Auf der Bühne nehme ich auch vieles davon wahr – ich sehe die Zuschauenden, spüre die Spannung im Saal. Theater ist für mich immer ein lebendiger Dialog, ein stetiger Energieaustausch. In der Vorstellung genauso wie im Schaffensprozess.
Kultur hat für mich einen riesigen Stellenwert. Eine vielfältige Kultur ist für mich die Basis eines demokratischen Systems, in seiner gesamten Vielfältigkeit. Und wir als Gesellschaft müssen alles tun, um diese Räume zu ermöglichen und zu bewahren.
Es ist mein erster großer Preis, dafür bin ich sehr dankbar. Diese Auszeichnung bestätigt mich dabei, auf dem richtigen Weg zu sein. Und er ist ein echter Anreiz, weiterzumachen.
Auf ein bestimmtes Format möchte ich mich nicht festlegen. Ich liebe Komödien genauso, wie ernste Stücke. Oft liegen beide ja ganz nah nebeneinander oder greifen sogar ineinander. Diese Schnittstellen sind spannend.
Nicht im Speziellen. Die Geschichte muss passen und die Figuren sollen interessant und vielschichtig sein. Spannend fände ich vielleicht mal ein Stück nach einem Buch von Dostojewskij. Ich lasse das mal auf mich zukommen.