Weimar im Zeichen von Goethes Jahrhundertwerk
Die Klassik Stiftung Weimar widmet das Themenjahr 2025 ganz dem „Faust“
veröffentlicht am 19.04.2025 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Nele Wicher

Mephistopheles, lebensgroße Papierfigur aus Weißenburg im Elsass, HAAB-Sign.: 285357D, 165 × 67,5 cm, Detail, Foto © Klassik Stiftung Weimar
Fast 60 Jahre lang hat Johann Wolfgang von Goethe an seinem „Faust“ geschrieben, heute ist es eines der bedeutendsten Werke der deutschsprachigen Literatur. Schon als der damals 26-jährige Dichter im Jahr 1775 nach Weimar kam, befanden sich Teile des „Fausts“ in seiner Tasche, die ihn nicht nur während seines Aufenthalts in der thüringischen Kulturstadt, sondern auch noch den Großteil seines Lebens beschäftigen sollten. Kein Wunder, dass die Klassik Stiftung Weimar sich für das Themenjahr 2025 Goethes literarisches Meisterwerk vorknöpft. Zum 250. Jahr nach der Ankunft Goethes in Weimar widmet sich die Klassik Stiftung Weimar somit dem Jahresthema „Faust“ und lädt über das Jahr verteilt mit Ausstellungen, Installationen, Debatten und zahlreichen weiteren Aktionen dazu ein, den Spuren Fausts durch Weimar zu folgen. Am 30. April, passend zur Walpurgisnacht, wird das Themenjahr 2025 feierlich im „Wohnzimmer“ vor dem Stadtschloss eröffnet. Ab diesem Zeitpunkt präsentiert sich Weimar im teuflisch-literarischen Zeichen Goethes.
Mit dem Faust-Parcours durch die Museen und Archive
Im Rahmen des Jahresthemas werden die Schätze der einzigartigen Weimarer Goethe-Sammlungen mit Bezug zu Faust erstmals in eine stadtübergreifende Beziehung gestellt und durch eine Art „Faust-Parcours“ erlebbar gemacht. Ein großer Teil der städtischen Museen zieht mit und widmet sich mit ihrem Ausstellungsprogramm dem Meisterwerk Goethes.
„Faust“ im Schiller-Museum Weimar (1. Mai bis 1. November 2027)
Im Zentrum des Faust-Parcours steht die multimediale Literaturausstellung „Faust“ im Schiller-Museum. Unter der Frage „Geht ‚Faust‘ uns heute etwas an?“ spannt sie den interessanten Bogen zwischen Themen des Literatur-Klassikers und Fragestellungen der aktuellen Zeit, etwa Künstlicher Intelligenz, Umweltschutz und den Krisen des Kapitalismus. Dr. Heinrich Faust wird als Protagonist einer ambivalenten Moderne neu gedacht, wofür eigene Darstellungsformen und Medien, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem renommierten Comic-Künstler Simon Schwartz und Film-Expert:innen der Deutschen Kinemathek, sorgen. Inszeniert wird eine eigene Lesart des Werks, die nicht nur zum Staunen, sondern auch zum Mitmachen einlädt.
„Dass ich erkenne, was die Welt // Im Innersten zusammenhält." — Vers 382 f. / Faust
„Experiment Faust“ im Goethe- und Schiller-Archiv (1. Mai bis 14. Dezember 2025)
„Back to the roots“ oder besser gesagt „back to the original“ führt das Goethe- und Schiller-Archiv, das mit seiner Ausstellung „Experiment Faust“ wertvolle Manuskripte zu Faust II zeigt und einen tiefgehenden Blick auf den Entstehungsprozess des Werks und die Arbeitsweise des Dichters wirft. Viel zu sehen sein sollte hier allemal, immerhin arbeitete Goethe, wie eingangs bereits erwähnt, fast 60 Jahre an seinem „Faust“ und schrieb in dieser Zeit nicht einen, nicht zwei, sondern wohlgemerkt drei Anfänge für das Werk. Wer seinen Arbeitsprozess besser verstehen und seltene Einblicke in die Handschriften, Skizzen und Entwürfe des großen deutschen Dichters werfen will, ist hier goldrichtig.
Das Goethe- und Schiller-Archiv besitzt mit Goethes handschriftlichem Nachlass, der zum UNESCO-Weltdokumentenerbe zählt, die meisten Werkmanuskripte zu Faust I und Faust II. Neben einer Fülle an unveröffentlichten Texten und Fragmenten gehören auch der sogenannte „Urfaust“ und der erst postum veröffentlichte Faust II zur Sammlung des Archivs.
"Denn eben wo Begriffe fehlen, // Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein." — Vers 1995 f. / Mephistopheles
„Teuflisch! Mephisto in der Bibliothek“ in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (8. Mai bis 31. Oktober 2025)
Fausts Spuren führen wohl oder übel auch zu seinem teuflischen Gegen- und Mitspieler: Mephistopheles, kurz Mephisto. Die Präsentation „Teuflisch! Mephisto in der Bibliothek“ im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek nimmt die Vielschichtigkeit des Mephistos in den Fokus und verfolgt den medialen Weg der ikonischen Figur von frühen Buchillustrationen über Bilderbogen für Papiertheater hin zu Schallplattencover, Comics und Werbezeichnungen auf Einkaufstüten und Bierflaschen. Mit über 21.000 Objekten und Publikationen zur historischen und literarischen Faust-Figur gilt die Herzogin Anna Amalia Bibliothek als die weltweit größte Faust-Sammlung. Jeden Dienstag und Donnerstag können Besucherinnen und Besucher ausgewählte Stücke bei einer geführten Tour durch die Schätze der Faust-Sammlung hautnah erleben.
"Bescheidne Wahrheit sprech ich dir. // Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt, // Gewöhnlich für ein Ganzes hält." — Vers 1346 ff. / Mephistopheles
„Nietzsche-Goethe-Faust“ im Nietzsche Archiv (21. März bis 1. November 2025)
Nietzsche und Goethe? Nietzsche und Goethe! Auch wenn der Philosoph und der Dichter zeitlich nicht direkt miteinander in Verbindung standen – Goethe starb 1832 und Nietzsche wurde erst 1844 geboren –, hatten die beiden Denker großen Einfluss aufeinander. Nun, zumindest Goethe auf Nietzsche, welcher den deutschen Literaten zutiefst bewunderte und sich auch in seinen Schriften kritisch mit ihm auseinandersetzte. Goethe war für ihn Orientierungspunkt und Abgrenzungsfigur zugleich. Die intellektuelle Verbindung zwischen Nietzsche und Goethe wird in der Kabinettausstellung „Nietzsche-Goethe-Faust“ im Nietzsche Archiv thematisiert. Auch greift sie die bis in die Moderne andauernde Wirkung des „Fausts“ auf.
„Du gleichst dem Geist, den Du begreifst." — Vers 512 / Geist
„Don Juan und Faust“ im Bauhaus-Museum Weimar (21. März bis 3. November 2025)
Im Bauhaus-Museum Weimar wird derweil das fast vergessene Bühnenbild „Don Juan und Faust“ des Bauhaus-Meisters Oskar Schlemmer zu Christian Dietrich Grabbes gleichnamigen Stücks in den Fokus genommen. Das Ideendrama wurde von dem Bauhaus-Meister 1925 eigens für das Deutsche Nationaltheater Weimar gestaltet. Christian Dietrich Grabbe hatte das Stück ursprünglich geschrieben, um Goethes „Faust“ zu überbieten. Jetzt, 100 Jahre später, ergibt sich die Möglichkeit, mittels einer abstrakten, reduzierten Gestaltung ganz im Sinne des Bauhauses, eine der wenigen Auftragsarbeiten von Oskar Schlemmer für die Sprechbühne kennenzulernen und seine neuartigen und eindrucksvollen Bühnenbilder vor Auge geführt zu bekommen.
„Greift nur hinein ins volle Menschenleben! // Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt, // Und wo Ihr's packt, da ist's interessant." — Vers 167 ff. / Lustige Person
Ein Themenjahr ist ein Themenjahr ist ein Themenjahr
Abseits des breiten Ausstellungsprogramms laden die Veranstalter bis Ende November zu einem breiten Veranstaltungsprogramm. Ein Highlight dürfte ohne Frage der Goethe.Kultur.Lauf am 27. April sein. Ein Lauf durch die Kulturhauptstadt Weimar, bei dem an acht Kulturstationen die Region durch Goethes Auge erlebt werden kann: Musik der Goethezeit am Schloss Belvedere, Theaterszenen von Goethe und Schiller in Schloss Tiefurt, Goethes Schreibwerkstatt im Römischen Haus – es ist für alle Sinne etwas dabei. Je nachdem, wie viele „Kulturauszeiten“ man sich gönnen mag, kann die Gesamtstrecke des Laufs von 25,6 Kilometer auf rund 4,8 oder 14 Kilometer gekürzt werden.
Ein weiteres Highlight ist – wie sollte es auch anders sein – Goethes Geburtstag am 28. August, in diesem Jahr der 276. seiner Art. Bereits zu Lebzeiten wurde Goethes Geburtstag in ganz Weimar feierlich begangen. Diese Tradition hat sich bis heute gehalten: Ende August feiert ganz Weimar den Geburtstag des Dichterfürsten als großes öffentliches Fest. Auf dem Programm stehen Live-Musik, Performances und verschiedene Mitmach-Aktionen, die allesamt am Frauenplan vor dem Goethe-Nationalmuseum stattfinden.
In den Sommermonaten Juni und Juli wird jeden Mittwoch zur Open Stage beim Co-Labor vor dem Weimarer Stadtschloss geladen. Das Co-Labor ist ein „Wohnzimmer zum Mitmachen“ und das wortwörtlich: Eingeladen sind alle, man kann einfach vorbeikommen und verweilen oder am Programm teilnehmen. Neben der Open Stage, bei der Musikerinnen und Musiker egal welcher Genres und egal welches Erfahrungsstands gemeinsam musizieren, finden hier auch Gespräche, Diskussionen, Workshops, Konzerte und Lesungen rund um das Themenjahr statt. Und das bei freiem Eintritt!
Auch die Wissbegierigen kommen nicht zu kurz: Von April bis November finden fast monatlich spannende Vorträge und Lesungen statt, so referiert zum Beispiel der Germanist Prof. Dr. Albert Meier am 10. April unter dem Titel „Was die Welt im Innersten zusammenhält. Faust 2 als Antwort auf Faust 1“ und PD Dr. Michael Jaeger aus Berlin spricht am 12. Juni über „Faust und die Geldschöpfung aus dem Nichts. Zur Inflationsthematik in Goethes Drama“.
In den Veranstaltungszeitraum fallen darüber hinaus die Lange Nacht der Museen (17. Mai), der UNESCO Welterbetag (1. Juni), die Thüringer Schlössertage (6. bis 9. Juni), der Tag des offenen Denkmals (14. September) und der Europäische Tag der Restaurierung (20. Oktober), die allesamt zu einem breiten Angebot einladen.
Detaillierte Informationen zu den einzelnen Aktionen finden Interessierte unter www.klassik-stiftung.de.