Ungeahnt sehenswert
Zwickau zeigt kulturelle Stärke im Kulturjahr 2025
veröffentlicht am 14.05.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Oliver Will

Im Januar eröffnete die Stadt Zwickau das Kulturhauptstadtjahr 2025 mit einem KulturTREFF im Zwickauer Rathaus, Foto © Stadt Zwickau
Während die Kulturhauptstadt Chemnitz sich nach ihrem fulminanten Anfangsfeuerwerk derzeit vor allem um sich selbst dreht, präsentiert sich die Region schon mal eigenständig. Zwickau 2025 ist hier augenfällig. Die Schwanenstadt verordnet sich unter dem Motto „ungeahnt sehenswert“ ein neues, kulturelles Selbstvertrauen und setzt sich neben ihrem ausgeprägten Ruf als Autostadt kulturelle Leistungskraft auf die Fahnen, die über den Robert-Schumann-Geburtsort hinausreicht. Ähnlich wie das „C the Unseen“ des Kulturhauptstadtkerns poliert Zwickau ebenfalls, was es zu bieten hat. Die viertgrößte Stadt in Sachsen trägt sorbische Geschichte und die ist über 1.000 Jahre alt. Unterschiedliche Klöster, die Anlage einer Burg – später: Schloss Osterstein – und ab dem frühen 14. Jahrhundert Silber- und Kupferfunde beschleunigten das Wachstum der Stadt. Im 16. Jahrhundert war Zwickau eine der frühen Zentren der Reformation. 1520/21 predigte Thomas Müntzer in Zwickau, 1522 Martin Luther.
Die alten Priesterhäuser, gleich neben dem faszinierenden Dom St. Marien, zählen zu den ältesten Wohnbauten Deutschlands. Heute befindet sich das Stadtmuseum darin. Besucherinnen und Besucher können sich hier auf eine stadtgeschichtliche Zeitreise begeben und erfahren mehr über das Mittelalter, traditionelles Handwerk und den Bergbau. Aktuell steht der Altar des Marien-Doms ganz im Zeichen der Fastenbotschaft. In der Tradition der Fastentücher wurde er für die Fastenzeit durch den Wiener Michael Endlicher verhüllt. Die Gestalt gewordene Auseinandersetzung des Künstlers mittels Buchstaben soll den Betrachtenden zum Umgang mit Lebensabbrüchen, Schuld und Verrat, Verlust und Angst, Einsamkeit und Leiden anregen. Wie erleben Menschen dies? Was macht die Stärke des Menschen aus? Was kann das Kulturgut Religion dem Betrachter als Anregung und Hilfe anbieten?
Große Namen der sächsischen Mittelstadt sind der romantische Komponist Robert Schumann, der in Zwickau geboren ist, sowie der Automobilbauer-Ingenieur und Audi-Gründer August Horch, der Zwickau zur Wahlheimat macht, 1904 sein Unternehmen nach Zwickau verlagert und es damit prägt wie kein anderer. Das August Horch Museum befindet sich an der historischen Geburtsstätte von Audi. In diesen ehemaligen Produktionshallen wurden später auch DKW und Trabant gefertigt. Heutzutage rollt der Volkswagen in Zwickau vom Band. Das Museum präsentiert heute die Geschichte von 120 Jahren Zwickauer Automobilbau auf 6.500 m² Ausstellungsfläche.
Wer es lieber musikalisch mag, wird im Robert-Schumann-Haus fündig. Leben und Werk des berühmten Komponisten sind darin eindrücklich präsentiert. Zahlreiche Veranstaltungen, einschließlich Konzerte, widmet die Stadt Zwickau ihrem Lieblingsbürger. Vom 5. bis 15. Juni steht Zwickau dann ganz in seinem Zeichen. Das Schumann-Fest 2025 lädt unter dem Motto „Clara und Co“ zur Werkschau fünf Generationen übergreifender Komponistinnen. Beim Eröffnungskonzert erklingen nicht nur Stücke aus weiblicher Feder, auch am Dirigentenpult der Clara-Schumann-Philharmoniker steht eine Frau: die tschechische Dirigentin Alena Hron. Die beliebten Meisterkurse in den Fächern Klavier und Hammerflügel sowie Gesang/Liedgestaltung für Pianistinnen und Pianisten stehen auf dem Programm und erarbeiten zwei Abschlusskonzerte. Wer das Besondere sucht, hört die Fahrradkonzerte im Zuge einer Radtour nach Glauchau. Im Schumann-Haus wird im Reigen des Festes und bis 1. September die Sonderausstellung „Die Schumanns und Chemnitz“ gezeigt. Karten für die konzertanten Veranstaltungen, einschließlich des romantischen Lichterfests, sind bereits erhältlich.
Weniger glücklich präsentiert sich aktuell das Theater Plauen-Zwickau, das sich existentiell bedroht fühlt, was durch seine Petition zum Erhalt und seinen Ruf nach einer auskömmlichen Finanzierung durch die Gesellschafter deutlich unterstrichen wird. Wir wünschen dem Theater „ungeahnt sehenswerte“ Perspektiven in dieser für die Kultur schwierigen Zeit.
Immerhin die Kunstsammlungen sind ob ihrer Interimsphase wortwörtlich ganz aus dem Häuschen. Unter dem Titel „ZwischenRAUM“ präsentieren die Kunstsammlungen Zwickau Max-Pechstein-Museum ihre Sammlungen seit Januar in einem innovativen und experimentellen Rahmen. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, Kunstwerke und Mineralien neu zu entdecken. Grund für den Umzug in das historische Kunstvereinsgebäude ist die baubedingte Schließung des Museums in der Lessingstraße. In den drei neuen Bereichen Farb-, Max- und Freiraum sind bekannte und weniger bekannte Schätze in völlig neuer Ordnung und Wechselwirkung zu sehen.