Originelle Inszenierung, faszinierendes Bühnenbild
Das Staatstheater Meiningen bringt eine aufregende Version von Jean-Philippe Rameaus „Castor et Pollux“ auf die Bühne
veröffentlicht am 24.02.2025 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Martin Köhl
Er hat es wieder getan, und abermals wurde ein großer Erfolg draus: Jens Neundorff von Enzberg, Intendant des Meininger Staatstheaters, gelang es jetzt zum dritten Male, einen bedeutenden Künstler nach Südthüringen zu holen und ihm die Gestaltung des Bühnenbildes anzuvertrauen. Bei Tony Cragg, dem britischen Bildhauer von Weltformat, muss man das allerdings in die Mehrzahl setzen, denn es gab unzählige Bühnenbilder zu sehen bei der Premiere von „Castor et Pollux“ am Staatstheater Meiningen, und das lag vor allem am verwendeten Material und dessen schier unerschöpflichen Wandlungsmöglichkeiten.
Cragg inszeniert ein faszinierendes Spiel mit Linien – man könnte auch sagen: mit Fäden. Sie bündeln sich zu den unterschiedlichsten Strukturen, die kaum Wiederholungen dulden und auf einen außergewöhnlichen Einfallsreichtum dieses Künstlers schließen lassen. Die Gebilde kommentieren bisweilen die Geschehnisse direkt, vor allem wenn dramatische Zuspitzungen in der Musik vorkommen.
Die erste Opernhälfte ist von diesen Strukturen und Strichfindungen dominiert, während in der zweiten Hälfte nach der Pause, die im Elysium spielt, die räumliche Dimension hinzutritt. Dann wölben sich gewaltige Säulen in den Raum, deren Wölbungen und Frakturen teils an Gesichtszüge erinnern. Wenn später noch die Strichmuster darüber geblendet werden, schafft das eine eigentümliche Atmosphäre. Mit der Arbeit von Tony Cragg knüpft Meiningen bruchlos an das künstlerische Niveau an, das zuvor von Markus Lüpertz (in „Una cosa rara“) und Achim Freyer (in „Don Carlos“) auf die Bühne gestellt wurde.
Die schnörkellose Inszenierung von Adriana Altaras geht souverän mit der Abstraktion des Bühnenbildes um und überzeugt nicht zuletzt durch eine schlüssige Personenführung (Dramaturgie: Matthias Heilmann). Nina Lepilinas schwarz-weiße Kostümwelt meidet textile Überspitzungen, gönnt aber dem Oberpriester mit leicht ironischem Seitenblick ein Übermaß an Behäbigkeit.
Bezüglich der musikalischen Umsetzung dieser Barockoper stand das Meininger Haus vor keiner leichten Aufgabe. Das Stammpersonal muss alle denkbaren Epochenstile bewältigen, besitzt aber kaum spezialisierte Kräfte, zumal in Sachen historisch orientierter Aufführungspraxis. Außer für die kleine Rolle des Mercure (Laura Braun) wurden keine externen Kräfte engagiert, das Hausensemble stemmte also alles ganz alleine.
Im instrumentalen Bereich, also der von Christopher Moulds inspirierend angeführten Meininger Hofkapelle, gelang das sehr überzeugend, im gesanglichen mit gewissen Einschränkungen. Es ist nun einmal nicht leicht, vom vibratoreichen dramatischen Gesangsstil, der an allen Opernhäusern vorherrscht, zum schlankeren Stil des Barockgesangs zu wechseln. Sara-Maria Saalmann als Phébé und Aleksey Kursanov als Castor schien das mit Leichtigkeit zu gelingen. Das relativiert aber keinesfalls die sängerdarstellerisch ausgezeichneten Darbietungen von Emma McNairy (Télaire) und Tomasz Wija (Pollux). Der mächtige Bass von Selcuk Hakan Tirašoglu (Jupiter) und die voluminöse Stimme des Oberpriesters (Mark Hightower) ergänzten das Gesangsseptett.
Fazit: Meiningen kann Oper und hat das mit Rameaus „Castor et Pollux“ abermals auf originelle Weise gezeigt.