(Kultur)lauf durch Bamberg
Ein Weg zwischen Geschichte und Gegenwart
veröffentlicht am 21.06.2025 | Lesezeit: ca. 10 Min. | von Nele Wicher

Blick auf die Bergstadt in Bamberg, das Alte Rathaus im Vordergrund, Foto © Lara Müller, Stiftungsmanagement Stadt Bamberg
Ein fröhlicher Frühlingstag – die Sonne hängt satt und voll am Himmel, die Stadt ist es auch. Menschen verschiedensten Alters bereiten sich auf den Bamberger Weltkulturerbelauf vor, der in diesem Jahr bereits zum 11. Mal nicht nur Laufbegeisterte aus ganz Deutschland, sondern auch die Bamberger Stadtbevölkerung in all ihrer Vielfalt auf die Straßen holt. Immerhin führen die Laufstrecken des Weltkulturerbelaufs traditionell durch die kulturellen Schönheiten der Domstadt, unter anderem durch die Bamberger Altstadt, die seit 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, hinauf zum Domberg und entlang der Regnitz. Das Motto für Bamberg-Neulinge an diesem Tag: Wo ein Band, dort entlang.
Den Rucksack geschultert und in weiser Voraussicht den noch leeren Strecken folgend, geht es vom Bahnhof aus in Richtung Stadtzentrum. Der Weg präsentiert sich als gemütlicher Spazierweg, über die Kettenbrücke, vorbei am Maximiliansplatz und dem Grünen Markt mit der eindrucksvollen Kirche St. Martin. Schon findet man sich im Stadtzentrum wieder, welches sich einem als solches zunächst nicht aufdrängt. Charmante Lädchen laden zum Schaufensterbummeln ein, kleine Cafés und Restaurants zum Verweilen. Gentrifizierung und Kommerz scheinen in Bamberg noch nicht eingezogen zu sein, zumindest in der Altstadt. Die präsentiert sich im Stile einer französischen Kleinstadt mit frühmittelalterlicher Grundstruktur: Schmale, verwinkelte Berggassen und mittelalterliche Fachwerkhäuser geben zwischendrin verwunschene Blicke auf blumengesäumte Kanäle frei. Ganz im Motto der drei historischen Stadtteile Bambergs – Inselstadt, Bergstadt, Gärtnerstadt.
Erster Stopp: Untere Brücke mit der Statue der hl. Kunigunde, Gemahlin des Kaisers Heinrich II., sowie der imposanten Bronzeplastik „Centurione I", des polnischen Bildhauers Igor Mitoraj aus dem Jahre 1987. Sie zeigt das überdimensionale Fragment eines Gesichts, welchem große Teile – darunter beide Augen und der Hinterkopf – fehlen. Der Künstler thematisiert mit ihr die Unvollkommenheit des menschlichen Körpers und seine Zerbrechlichkeit. Doch die Melancholie schwingt nur kurz nach. Der Blick auf die ehemalige Fischersiedlung Klein Venedig und das Alte Rathaus mit seinen imposanten Fresken holen schnell ins Hier und Jetzt zurück. Leider bleibt es beim Blick von außen: Das Alte Rathaus wird derzeit saniert und bleibt daher bis auf weiteres geschlossen. So auch der dort beherbergte repräsentative Rokokosaal und die Sammlung Ludwig Bamberg, eine der größten privat zusammengetragenen Porzellan- und Fayencesammlung Europas, mit über 1.300 Objekten aus dem frühen 18. Jahrhundert. Ein kleiner Teil der Porzellane und Fayencen wird aktuell und noch bis 29. Juni unter dem Titel „Höfische Begegnungen – die Sammlung Ludwig zu Gast in der Neuen Residenz Bamberg“ in der Neuen Residenz Bamberg ausgestellt. Schnell ist die Interimsausstellung als nächstes Ziel der Erkundungstour auserkoren.
Das fränkische Rom
Von der Inselstadt aus geht es geradewegs (um nicht zu sagen hochwegs) in die Bergstadt. Auf diesen Stadtteil mit seinen imposanten Bauten und atemberaubenden Aussichten bezieht sich auch die Bezeichnung Bambergs als „das fränkische Rom“, erbaut auf sieben Hügeln. Der Domberg war vom 11. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert das geistliche und weltliche Machtzentrum der Stadt. Hier präsentieren sich mit dem Kaiserdom St. Peter und St. Georg, der Alten Hofhaltung und der Neuen Residenz mit Staatsgalerie die Vermächtnisse Kaiser Heinrichs II., welcher das Bistum gründete, den Dom stiftete und die Stadt mit großen Kunstschätzen bedachte. Bis heute ist er in Bamberg allgegenwärtig spürbar. Auch das Historische Museum Bamberg, die Staatsbibliothek und das Diözesanmuseum befinden sich in unmittelbarer Nähe – allein schon deswegen lohnt sich der Gang hinauf.
Auch die Alte Hofhaltung kann sich sehen lassen. Mit ihren Fachwerkbauten lädt sie gedanklich zum Märchenschreiben ein. Kein Wunder, dass hier Szenen aus „Die drei Musketiere“ oder der Netflix-Serie „Die Kaiserin“ gedreht worden sind. Ganz zu schweigen von der „Schönen Pforte“, die der Bildhauer Pankras Wagner geschaffen hat und durch die man den Platz betritt. Sie zeigt in einem Relief die Muttergottes, die Heiligen Petrus, Georg, Kunigunde und Heinrich sowie die personifizierten Flüsse Main und Regnitz. Die Alte Hofhaltung beherbergt zudem die Katharinenkapelle, in welcher seit 2004 unter dem Titel „Licht und Schatten“ an den Wochenenden von Mai bis Oktober die 100-jährige Geschichte der Stadt Bamberg aufgeführt wird, und das Historische Museum.
Das Historische Museum zeigt in der Sommersaison die kostbaren Sammlungen der Welterbestadt. Seit dem 29. April präsentiert das Haus wieder alle Abteilungen. So zum Beispiel die künstlerische Intervention „RE-CALL“, bei der internationale Kunstschaffende sich mit den Kunstwerken aus den Ausstellungen des Museums auf ihre eigene Art und Weise auseinandersetzen und eine wunderbare Mischung aus zeitgenössischer Kunst und historischen Werken zeigen. In der Abteilung „Bilderspaziergang | Gemälde erzählen Geschichten“ wird zu einem Kunstspaziergang durch kunsthistorisch bedeutende Gemälde vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert geladen und in der Ausstellung „Eine neue Zeit bricht an | Bambergs Bürgertum zwischen Romantik und Gründerzeit“ von der Bedeutung des Engagements der Bamberger Stadtbevölkerung erzählt. Und das sind nur drei der insgesamt sieben Ausstellungen, die noch bis 30. Oktober 2025 im Historischen Museum Bamberg zu sehen sind. Wahrlich kulturelle Leckerbissen!
Ein bisschen Platz sollten sich Kulturbegierige dennoch lassen: Das Diözesanmuseum, hervorgegangen aus der alten Domschatzkammer des Bamberger Doms, sollte definitiv ein Ziel des Bamberg-Besuchs sein. Es beherbergt den Domschatz – darunter auch das 600 Kilogramm schwere Domkreuz, sechs mittelalterliche Kaisermäntel aus dem 11. Jahrhundert und den Ornat aus dem einzigen Papstgrab nördlich der Alpen. Bereits der Eingang ins Museum ist bemerkenswert: Über den gotischen Kreuzgang mit originalen Steinskulpturen aus der Zeit der Hochgotik bis zum Spätmittelalter gelangt man ins Innere. Vom 12. Juli bis 4. November 2025 wird dort neben den Dauerausstellungen die Sonderausstellung „Krise. Kunst. Kirche. Kontinente - Visionen von Laudato si'“ zu sehen sein. Sechs zeitgenössische Kunstwerke aus sechs Kontinenten setzen sich in Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit, Klimaverantwortlichkeit und globalen Dynamiken auseinander. Dabei spiegeln sie auch die Selbstverpflichtung der katholischen Kirche wider, wie sie in der Enzyklika Laudato si' zur Schöpfungsverantwortung formuliert ist.
Kunst, Geschichte und Perspektiven
Nach einem kurzweiligen Abstecher ins Mittelalter zieht es zurück in Bambergs Altstadt, Richtung Kirche St. Elisabeth und den sogenannten „Lüpertz Fenstern“ – ein Glanzpunkt zeitgenössischer Kunst inmitten der verwunschenen Altstadt Bambergs. Der international renommierte Maler und Grafiker Markus Lüpertz verwandelte die Kirchenfenster im Zuge der Aufstellung seiner Bronzefigur „Apoll“ in farbenfrohe Meisterwerke mit tiefer Bedeutung. Die acht bunten Glasfenster stellen Szenen aus dem Leben der heiligen Elisabeth in Verbindung mit den Sieben Werken der Barmherzigkeit aus der Bibel dar: „Begleitung des Leichenzug“ (Kranke besuchen), „Gefängnis“ (Gefangene besuchen), „Alte Frau“ (Almosen geben), „Übergabe der Gebeine“ (Tote begraben), „Süßer Jesus – Tod und Auferstehung“ (Nackte bekleiden), „Rosenwunder“ (Hungrige Speisen), „Aussätzige“ (Obdachlose beherbergen). Das achte Fenster ist dem Bibelspruch „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25, 40) gewidmet. Mit ihnen lädt der Künstler ein, sich auf die Geheimnisse und Fragen der Mystik einzulassen und auch eigene Positionen zu beziehen.
Auch abseits der beeindruckenden Kunstwerke in der Elisabeth-Kirche präsentiert sich Bambergs Kunstszene vielfältig. In der Stadtgalerie Villa Dessauer finden seit 1987 regelmäßig Ausstellungen, Vorträge und musikalische Veranstaltungen – hauptsächlich organisiert von den Museen der Stadt Bamberg – statt. Neben Arbeiten vom Kunstverein Bamberg e.V. und BBK Oberfranken werden hier Werke regionaler und internationaler Kunstschaffender sowie Fotografinnen und Fotografen des 20. und 21. Jahrhunderts gezeigt. So wird zum Beispiel mit einer Werkschau des Bamberger Fotografen Uwe Gaasch vom 6. Juni bis 17. August 2025 ein Blick in die vielseitige Kunstfotografie des Künstlers ermöglicht. Und noch bis 15. Juni 2025 präsentiert der Kunstraum im Kesselhaus, Bambergs Raum für Gegenwartskunst, die Ausstellung „Trio 12“ – die Zwölfte Gemeinschaftsausstellung der drei fränkischen BBK mit Werken von acht fränkischen Künstlerinnen und Künstlern. Das persönliche Highlight: „The Big Hope“ von Bernd Telle. Das Tableau aus 36 Fotografien zeigt Porträtbilder von Gläubigen, welche an die Wände von buddhistischen Tempeln gemalt sind. Als Votiv-Gaben von den dargestellten Menschen berichten sie von den Wünschen und Hoffnungen der abgebildeten Personen.
Mit einem Kopf, der von den Eindrücken überflutet ist, und den Gedanken bereits bei neuen Ideen, geht es zurück zum Bahnhof, den Blick auf belebte Straßen und fröhliche Menschen gerichtet. Läufer:innen und Zuschauer:innen geben sich die Hand, Schilder mit motivierenden Sprüchen werden in die Lüfte geschwungen und aus allen Ecken erklingt Musik – die Stadt feiert die Sportlerinnen und Sportler, die sich an diesem Tag auf die Straße gewagt haben. Der Zusammenhalt ist berührend und man kann ehrlich sagen: So gut, wie Bamberg seine Gäste willkommen heißt, verabschiedet es sie auch wieder. Doch noch etwas anderes wird deutlich: Die kulturelle Vielfalt Bambergs lässt sich nicht an einem einzigen Tag erleben. Und darüber kann man nicht wirklich böse sein, zieht es einen doch schon auf der Heimfahrt zurück zu den traditionsreichen Gassen, freundlichen Menschen und kulturträchtigen Gebäuden. Bamberg möchte neu- und wiederentdeckt werden – und genau das könnte bereits einen großen Teil des Vergnügens ausmachen.