Romantische Oper & Kinderbuchklassiker
Die Erfurter Domstufen-Festspiele
veröffentlicht am 19.06.2015 | Lesezeit: ca. 5 Min.
Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ zum einen, zum anderen „Das Dschungelbuch“ (nach Rudyard Kipling) werden bei den DomStufen-Festspielen in Erfurt zur Aufführung kommen. Von Webers romantische Schaueroper erlebte im Juni 1821 am Königlichen Schauspielhaus zu Berlin ihre triumphale Uraufführung. Zahlreiche der schwungvoll-mitreißenden und allerschönst orchestrierten Melodien sind volkstümlich geworden. Man denke nur an den „Jägerchor“ aus dem dritten Akt („Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen?“; ja, was wohl?) oder an das Agathe gewidmete Andante-Brautlied „Wir winden dir den Jungfernkranz mit veilchenblauer Seide“.
Am Pult des Philharmonischen Orchesters steht dessen 1. Kapellmeister, Samuel Bächli. Die Inszenierung stammt von Guy Montavon, dem künstlerischen Leiter der DomStufen-Festspiele und Generalintendanten des Theaters Erfurt. Das Bühnenbild hat Peter Sykora besorgt, die Kostüme Pierre Albert. Sehr zu empfehlen ist vorab der Besuch der Werkeinführung. Diese wird seit vielen Jahren gemeinsam vom Theater Erfurt und dem Katholischen Forum im Land Thüringen veranstaltet und verbindet Informationen zu Werk und Inszenierung.
Dafür konnten in diesem Jahr Michael Gabel von der katholischen Fakultät der Universität Erfurt sowie erneut der renommierte Musikwissenschaftler Helmut Loos von der Universität Leipzig gewonnen werden. Über Besonderheiten der Inszenierung gibt der Chefdramaturg des Theaters Erfurt Auskunft, Arne Langer. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung am 7. Juli im Großen Haus ist wie immer frei. Die Premiere folgt dann am 9. Juli um 20.30 Uhr; letztmals aufgeführt wird „Der Freischütz“ am 26. Juli.
Der Erfurter Neuinszenierung auf den Domstufen liegt die Version mit Rezitativen – anstelle der gesprochenen Dialoge des Originals – zugrunde, die Hector Berlioz für die Pariser Aufführungen der Oper 1841 nachkomponierte. Die Inszenierung von Montavon entstand in Koproduktion mit der Opéra de Nice (Frankreich). Im 1827 herausgekommenen „Zweyten Theil“ seiner „Reisebilder“ merkt Heinrich Heine mir feiner Ironie an: „Haben Sie noch nicht Maria von Weber’s ‚Freischütz‘ gehört? Nein? Unglücklicher Mann! Aber haben Sie nicht wenigstens aus dieser Oper ‚das Lied der Brautjungfern‘ oder ‚den Jungfernkranz‘ gehört? Nein? Glücklicher Mann!“
Und Theodor Wiesengrund Adorno warnte 1928 in den „Musikblättern des Anbruch“ die Regisseure: „Weber hat die Musik der echten Ferien gefunden […] und Kinder bezeugen es ihm mit dem Dank des angehaltenen Atems. Wehe aber dem Regisseur, der es wagte, die Dinge der Wolfsschlucht ihnen aus den Augen zu nehmen und mit Licht und Schatten im großen sie zu betrügen.“
Am 12. Juli um 16.30 Uhr hat auf dem DomStufen „Das Dschungelbuch“ Premiere, in einer Version als Schauspiel mit Musik nach Rudyard Kiplings Erzählband von 1894. Die Musik stammt aus der Feder des 1974 in Salerno geborenen Francesco Bottigliero, der seit der Spielzeit 2013/2014 am Erfurter Theater als 2. Kapellmeister mit Dirigierverpflichtung wirkt und daneben ein umfangreiches kompositorisches Schaffen vorweisen kann. Friederike Karig, die sich vor allem auf das Kindermusiktheater konzentriert, wird inszenieren, der Kostüm- und Bühnenbildner Norman Heinrich die Ausstattung besorgen. Der in Köln lebende Regisseur Rüdiger Pape hat das Erfolgsbuch von Kipling, von dem, nebenbei, soeben bei S. Fischer in Gisbert Haefs so feiner wie zuverlässiger Übersetzung „Die späten Erzählungen“ erschienen sind, 2006 für das Staatstheater Oldenburg bearbeitet.
Die Geschichte um den Jungen Mogli, um den hinterhältigen, vom ganzen Dschungel gefürchteten Tiger Shir Khan, den gemütlichen Genussbären Balu, die sich auf Hypnose verstehende Schlange Kaa, um den schwarzen Panther Baghiera dürfte hinlänglich bekannt sein, nicht nur aufgrund von Walt Disneys Zeichentrickverfilmung aus dem Jahre 1967, zu welcher George Bruns die Musik beigesteuert hat. Schon jetzt ist im Übrigen bekannt, was 2016 gespielt werden wird: „Tosca“, Giacomo Puccinis im Januar 1900 in Rom, das auch den Schauplatz der Oper bildet, uraufgeführter Dreiakter. Das packende Drama um die ewige Liebe und den vernichtenden Verrat, um Hinrichtung und Folter und Mord (auch aus freien Stücken) verspricht große Emotionen.
Die DomStufen-Festspiele knüpfen damit an den Sommer 2013 an, als Puccinis „Turandot“ begeistert aufgenommen wurde. Seit 1994 lockt das Theater Erfurt Jahr um Jahr mit Inszenierungen vor die historische Kulisse von St. Severi und Mariendom, in welchem Martin Luther zum Priester geweiht worden war. Inzwischen findet das Freiluftspektakel den Beifall eines internationalen Publikums. Besucher kommen aus vielen europäischen Staaten, aus den USA, aus China, Japan und Australien. Aus Thüringen und Franken sowieso.
Copyright Fotos:
Domstufen, Lombarden, © Lutz Edelhoff
Domstufen, Der Freischütz, © D. Jaussein, Frank Peter