Over the Rainbow
Das 4. re:festival zeigt Vintage-Produktionen im Zeichen des Regenbogens in der Tafelhalle
veröffentlicht am 20.09.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min.
Er steht für vieles, der Regenbogen: für die freie Liebe zwischen allen Geschlechtern oder die Brücke in eine bessere Welt. Er ist ein Wetterphänomen, Zeichen für Utopie und Hoffnung auf ein buntes Miteinander. Doch die Strahlkraft des Regenbogens ist zunehmend in Gefahr. Immer wieder wird das markante Symbol heute angegriffen und die mit ihm verbundenen Werte bedroht. Das re:festival hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, mit ausgewählten Produktionen aus der Vergangenheit das Versprechen des Regenbogens in all seinen farbigen Facetten im Hier und Jetzt wieder zum Leuchten bringen. Denn die Mission der Festivalmacherinnen aus der Tafelhalle ist es, bereits abgespielte Produktionen wiederzubeleben und ihre Bedeutung für die Gegenwart zu erneuern – eine kluge Nachhaltigkeitsstrategie in Zeiten von künstlerischer Überproduktion, in der Stücke nach nur wenigen Vorstellungen wieder von den Spielplänen verschwinden. Aus einem Open Call zum Thema „Over the Rainbow“ mit rund 140 Einreichungen wurden fünf Vintage-Produktionen ausgewählt, die vom 1. bis 5. Oktober in der Tafelhalle gezeigt werden sollen. Da das Festivalprogramm zum Zeitpunkt dieser Vorankündigung noch nicht veröffentlicht ist, behalten sich die Veranstalter Änderungen vor.
Nach Nürnberg eingeladen - ein Blick in das Programm
Die Sonne scheint, der Regen kommt und schon können wir die zarten bunten Linien am Himmel erblicken. Wetterphänomene, wie der Regenbogen eines ist, verändern sich heute immer stärker. In der Eröffnungsproduktion „Songs and Dances about the Weather“ der Company Christoph Winkler aus Berlin geht es um den Klimawandel. Das dokumentarische Tanztheater setzt sich mit den Regenmacher:innen und ihrer spirituellen Rolle in der afrikanischen Gesellschaft auseinander und verknüpft die persönlichen Geschichten aus der Familie eines der Tänzer mit den Daten des Klimareports zum Schmelzen der Gletscher. Abstrakte Zahlen werden hier durch Tanz und 3D-Holovision auf poetische Weise greifbar.
Die Produktionen „Ferferi فرفری - vom Ankommen und Fernbleiben“ von Atina Tabé und „On the first night we looked at maps – Los Alemanes del Volga“ von Vöcks de Schwindt nehmen das Thema Flucht und Migration und den meist damit verbundenen Traum von einer besseren Welt, einem Leben in Freiheit und Frieden in den Fokus. Während die Schauspielerin und Sängerin Atina Tabé ihre eigene Migrationsgeschichte als kleines Mädchen aus dem Iran nach Deutschland in einem Soloabend aus Geschichten, Pointen und Songs verarbeitet, laden die zwei Performer von Vöcks de Schwindt ihr Publikum an einen Tisch zur gemeinsamen historischen Exkursion. „On the first night we looked at maps – Los Alemanes del Volga“ ist eine dokumentarische Performance auf den Spuren der Migration der Wolgadeutschen nach Argentinien im 18. und 19. Jahrhundert, verknüpft mit der Geschichte eines argentinisch-deutschen queeren Paares auf der Suche nach einer gemeinsamen Identität für die Zukunft.
Queerness – das ist wohl die direkteste Assoziation mit dem Regenbogen. Um queere Lebensweisen geht es auch in der Produktion „Attitude“ von Tomi Paasonen, der mit zwei Tänzern und einer Drag-Künstler:in das klassische Ballett mit queerer Popkultur konfrontiert. Spitzentanz und die Bemühung den Körper zu kontrollieren werden hier zum Sinnbild einer prekären Welt ohne Stabilität voll von Vorurteilen, Rassismus und Ausgrenzung, wie sie die drei Darstellenden täglich erleben.
Um andere glitzernde Widerstandsstrategien geht es in der Produktion „Radical Cheerleading“ der in München lebenden Choreografin Zufit Simon – 2023 für den Deutschen Theaterpreis der FAUST nominiert. Das sogenannte „Radical Cheerleading“ wurde in den 1990er Jahren von queer-feministischen Aktivist:innen entwickelt und verbindet gewaltfreie, direkte Aktion mit theatralen Elementen. Genau aus diesen freudvoll-glamourösen Protest-Codes bedient sich die Aufführung und stellt die Frage in den Raum, wofür es sich lohnt, auf die Straße zu gehen.
Eigenproduktionen aus der Frankenmetropole
Neben den Gastspielen wird innerhalb des Festivals traditionell auch mindestens ein Nürnberger Beitrag gezeigt. In dieser Ausgabe sind es sogar zwei. Co>labs, das Kollektiv um Choreografin Beate Höhn, wird nochmals das 2020 während der Coronapandemie entstandene Stück „Nur Mut – eine Häutung“ zeigen. In der immersiven Kurzperformance arbeiten sich vier Tänzer, eine Art toxischer Mob, an ihren eigenen Vorurteilen ab. Die Produktion ermutigt hinzusehen und sich mit Rassismus im Zeichen von „weißen“ Allmachtsfantasien und den Konsequenzen der europäischen Kolonialgeschichte auseinanderzusetzen. Und weil neben aller Dringlichkeit und allem Ernst auch das Lachen und die Freude im Zeichen des Regenbogens nicht zu kurz kommen sollen, wird die Produktion „Lieder unseres Lebens – Ein Abend wie der warme Kakao nach einem beschissenen Tag“ von Manuela Neudegger noch einmal neu aufgelegt. Mit unvergesslichen Songs, Erinnerungen an Kindheitstage und der geheimnisvollen Verbindung zwischen menschlichen Verhaltensweisen und den Funktionsmechanismen von Popmusik buhlen die Performer hier um die Gunst des Publikums und versorgen die Zuschauenden mit allerhand interessanten Fakten und Ohrwürmern.
Das jeweilige Aftershowprogramm mit verschiedenen Gesprächen und Partys sorgt für Austausch und Entspannung während der Festivaltage. Die genauen Vorstellungsdaten sind der Website www.refestival.nuernberg.de zu entnehmen.