Hintergrund

80 Jahre Klangkraft – die Nürnberger Symphoniker feiern Jubiläum

Im Gespräch mit Intendant Prof. Lucius A. Hemmer

veröffentlicht am 21.09.2025 | Lesezeit: ca. 13 Min. | von Elke Walter

Die Nürnberger Symphoniker bereiten sich auf die Jubiläumsspielzeit vor

Die Nürnberger Symphoniker bereiten sich auf die Jubiläumsspielzeit vor, Foto © Torsten Hönig

Die Spielzeit 2025/26 steht für die Nürnberger Symphoniker unter einem ganz besonderen Vorzeichen: Das Orchester feiert 2026 sein 80-jähriges Bestehen. Im Jahr 1963 wurde das von Kapellmeister Karlhans Appel und einigen Musikern am 1. Juni 1946 zunächst unter dem Namen „Fränkisches Landesorchester“ gegründete Ensemble in Nürnberger Symphoniker umbenannt. Ihr Sitz ist die Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, die neben der Verwaltung auch einen Musiksaal sowie den Serenadenhof beherbergt. Zudem ist das Orchester in nationalen wie internationalen Konzertsälen ein gern gesehener Gast. Seit September 2022 leitet der Brite Jonathan Darlington als Chefdirigent das Orchester mit großem Erfolg.

Als Intendant ist Prof. Lucius A. Hemmer seit dem 1. September 2003 der kreative Kopf der Symphoniker. Sein Ziel ist es, für die Menschen, vor allem in der Metropolregion, einen kulturellen Mehrwert zu bieten und auch das Profil des Orchesters auf höchstem Niveau auszubauen. Hemmer studierte Fagott und Dirigieren, absolvierte zusätzlich ein betriebswirtschaftliches Studium. Art. 5|III hat sich mit ihm über das anstehende Jubiläum und über die bevorstehende Spielzeit unterhalten.

Herr Hemmer, vielen Dank schon vorab, dass Sie sich Zeit für unser Gespräch nehmen. Sie sind als Intendant seit 2003 für die Gestaltung von Programmen sowie neue Projektideen zuständig. Eine Jubiläumsspielzeit stellt da sicherlich ganz besondere Herausforderungen.

Die 75-Jahr-Feier musste pandemiebedingt leider ausfallen. Deswegen feiern die Nürnberger Symphoniker jetzt einfach die 80. Und das machen wir nicht nur mit einem einzigen Festkonzert, sondern werden über die gesamte Spielzeit verteilt gleich vier Festkonzerte anbieten. Mir war es wichtig, dabei die große Vielfalt zu präsentieren, die das besondere Können sowie das breit angelegte Repertoire des Orchesters widerspiegelt. Also ganz unterschiedliche und auch neue Formate und Konzertangebote.

Wie dürfen wir uns das im Einzelnen vorstellen? Gibt es innerhalb der Jubiläumsspielzeit auch eine Art Highlight? Vielleicht ein Konzert, das mit der Geschichte des Orchesters in besonderem Zusammenhang steht?

Wir haben tatsächlich ein symphonisches Highlight im Angebot, das uns und unser Publikum in die Anfänge der Nürnberger Symphoniker beziehungsweise des Fränkischen Landesorchesters zurückführt. Am 29. Juli 1945, also nur wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs und noch vor der eigentlichen Gründung des Orchesters, haben die Gründungsmitglieder mit Haydns Schöpfung in der Ruine der Sebalduskirche das allererste Konzert überhaupt gegeben. Und so steht, quasi als Ringschluss zu den Anfängen des Orchesters, „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn mit zwei Terminen am 14. und 15. März 2026 erneut auf dem Programm. Es dirigiert unser wunderbarer Chefdirigent Jonathan Darlington.

Aber wir bieten eben vier verschiedene Festkonzertproduktionen. Ein weiteres Konzert wird unsere besondere Geschichte als Filmmusikorchester in den Fokus nehmen. Am 1. Dezember 2025, also dem Samstag vor dem 1. Advent, gibt’s einen Abend mit weihnachtlichen Filmmusikklassikern. Bei „Christmas at the Movies“ sind dann die Musiken der schönsten Weihnachtsfilme dabei, also „Kevin allein zu Haus“, „Tatsächlich … Liebe“ oder auch „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Und das präsentieren wir im Musiksaal der Kongresshalle.

Der Sitz des Orchesters, die Kongresshalle im ehemaligen Reichsparteitagsgelände, bringt als Gebäude ebenso einen historischen Kontext ein. Werden Sie diesem belastenden Erbe im Programm auch Raum bieten?

Ja, das Gebäude weist immer auch auf diesen dunklen Teil der deutschen und Nürnberger Geschichte hin. Dem möchten wir auch mit einem Konzert Rechnung tragen. Wir haben dazu Kooperationspartner mit ins Boot geholt, unter anderem die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg, das Staatstheater Nürnberg sowie die Stadt Nürnberg. Auf dem Programm stehen Werke jüdischer Komponisten, etwa Mendelssohn, Mahler, Korngold, Bernstein bis hin zu Leonard Cohen. Es ist ein musikalischer Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Schmerz und Hoffnung, Erinnerung und Neubeginn. Wir setzen dabei auf die Kraft der Musik, die wir gleichzeitig als verbindendes Element feiern wollen. Das Konzert steht unter dem Motto „There’s no Business Like Show Business“, benannt nach einem Song des jüdischen Komponisten Irving Berlin, und bietet ernste und leichte Musik. Und es sind sieben Solisten involviert, da ist für jeden was dabei.

Wird es im Rahmen der Jubiläumsspielzeit auch ein Konzert für das junge Publikum geben?

Natürlich, das ist mir ganz wichtig. Live-Musik für Kinder und Jugendliche ist seit Jahren ein Schwerpunkt unserer pädagogischen Arbeit. Wir haben im Februar 2026 mit „No rhythm, no music, no fun“ eine packende Produktion, die zeigt, wie wichtig der Rhythmus für die Musik ist.

Zudem steht 2026 wieder eine Fußball-Weltmeisterschaft an. Unter dem Titel „Mit dem Fußball um die Welt“ veranstalten wir erstmals ein Kinder-Open-Air-Format im Serenadenhof, mit Schulkonzerten an zwei Vormittagen, 14. und 15. Juli 2026, sowie zwei Familienkonzerten am Sonntag, 19. Juli 2026. Aber keine Sorge, der Termin ist so angesetzt, dass alle Kinder und ihre Begleitpersonen, wir natürlich auch, pünktlich zum Endspiel zu Hause sind. Inhaltlich ist das ein großer Spaß: Musik aus den Teilnehmerländern der WM, also Deutschland, Frankreich, Italien, England, Brasilien usw. – und natürlich den USA.

Die Nürnberger Symphoniker sind dafür bekannt, dass sie immer wieder auch ganz unerwartete und innovative Musikprojekte auf den Weg bringen. Gibt es dazu auch Angebote?

Mit einem weiteren Konzert wollen wir im Jubiläumsjahr eben diese ganz neuen Wege beschreiten. Unter dem Motto „Electronic.Music.Orchestra“ bringen wir elektronische Musik und die Nürnberger zusammen. Mit Andreas Henneberg holen wir dazu einen der erfolgreichsten DJs der deutschen Elektroniklandschaft, Berliner Produzent, Label-Inhaber und grandiosen Live-Performer, nach Nürnberg. Zusammen mit dem Nürnberger Club Rakete als Kooperationspartner präsentieren wir einen atemberaubenden Mix aus klassischer Musik, symphonischem Jazz und elektronisch-synthetischen Klängen und Beats. Der Abend findet am 17. Juli 2026 im Serenadenhof statt, bei schlechtem Wetter kann der benachbarte Musiksaal als Ausweichspielort dienen.

Neben diesen Konzerten gibt es bestimmt noch viele weitere Termine und Angebote, die Sie uns ans Herz legen würden?

Wenn Sie mich fragen, haben wir ausschließlich Termine, die ich unseren Kunden alle ans Herz legen würde. Aber Spaß beiseite: Die Saisoneröffnung ist immer ein Highlight. Los geht es am 27. September 2025 in der Meistersingerhalle mit dem Eröffnungskonzert. Es steht unter dem Motto „Auftakt mit Gasparian & Darlington“. Jean-Paul Gasparian, der wunderbare Pariser Pianist, spielt dann Felix Mendelssohns 1. Klavierkonzert und unser Chefdirigent lässt Dvořáks 5. Symphonie erblühen. Am darauffolgenden Wochenende, also am 5. Oktober, folgt ein Belcanto-Abend mit dem britischen Bassbariton William Thomas.

Am 8. November freue ich mich persönlich besonders auf ein Symphonisches Konzert, in dem wir vier Saxophone als Solistenensemble präsentieren und die Symphoniker zudem Gershwins Meisterwerk „Porgy und Bess“ spielen.

Und am 3. Advent folgen in der Meistersingerhalle zwei Konzerte mit dem Star-Oboisten Albrecht Meyer, der das Konzert auch leiten wird. Unter anderem gibt es Werke von Johann Sebastian Bach und Peter Tschaikowsky. Mit dabei ist auch der Kammerchor der Hochschule für Musik Nürnberg, den mein Hochschulkollege Peter Dijkstra einstudiert. Zudem ist die Bühne wunderschön dekoriert. Da kommt weihnachtliche Stimmung auf.

Das ist alles nur ein kleiner Ausschnitt aus dem riesigen Angebot von rund 100 öffentlichen Konzerten, die wir über das Jahr hinweg bieten.

Welches Publikum wollen Sie mit einem solchen Format ansprechen?

Grundsätzlich versuchen wir immer, mit unseren differenzierten Angeboten alle Menschen anzusprechen, quer durch alle Bevölkerungsschichten und unabhängig vom Alter. Die Symphonischen Konzerte sind dabei eher für das erfahrene Publikum, die besonderen, die ungewöhnlichen Themen eher was für das jüngere Publikum. Aber bei allen Angeboten ist es mein Bemühen, Türen zur Klassik und zur Orchestermusik zu öffnen, einfach weil das Konzert als Begegnungsort funktioniert. Die große Resonanz bei den besonderen Abenden oder auch beim U30-Ticket, mit dem wir für nur 10 Euro den Besuch im Symphonischen Konzert ermöglichen, zeigt das.

Musik in allen Varianten, besonders auch elektronische Musik, gäbe es ja auch online zu hören. Was macht Konzerte oder auch Theaterbesuche so einzigartig?

Es geht nichts über ein echtes Live-Erlebnis. Im Konzert kommen unterschiedliche Menschen real zusammen, alle mit demselben Ziel, ein bestimmtes Konzert zu hören oder auch ein bestimmtes Stück anzuschauen. Die Musiker auf der Bühne und die Zuschauer im Saal verbinden sich dabei zu einem gemeinsamen Erlebnis, und das ist mehr als nur Musik hören. Konzerte bieten Resonanzräume, bringen Menschen zusammen. So ist das im Stadion beim Fußball, und so ist es beim Live-Konzert.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Publikumsentwicklung in den letzten 20 Jahren gemacht?

Das Publikum ist das wertvollste, was ein Orchester hat. Und deswegen ist es schön zu sehen, wie uns das Publikum seine Treue schenkt. Allerdings wollen sich die Menschen heute weniger binden, kommen daher vermehrt ohne Abo-Verpflichtung, sondern eher gezielt zu Einzelterminen. Einfach zurücklehnen und auf die Besucher zu warten, geht aber nicht. Man muss dem Publikum etwas Interessantes und immer auch etwas Neues bieten, neue Trends aufgreifen und für ihre jeweilige Lebenswelt passende Formate anbieten. Das machen wir sehr konsequent und erfolgreich. Wir verfolgen dabei immer das Ziel, unser Publikum zu begeistern und unsere Leidenschaft für Musik zu präsentieren.

Gibt es Ansätze, die Abo-Spur wieder mehr zu beleben?

Abos mit 10 Konzerten werden tatsächlich weniger nachgefragt. Wir bieten aber ganz unterschiedliche Abo-Varianten an, unter anderem etwa ein Schnupper-Abo, eine Flexi-Variante mit sechs Wahlterminen oder auch ein Chefdirigenten-Abo mit acht Highlights. Unsere Kunden schätzen das und finden so das jeweils passende Angebot.

Kultur ist kein Selbstläufer, kommt ohne finanzielle Unterstützung nicht aus, das ist ja nichts Neues. Sehen Sie da auch eine Verpflichtung?

Allerdings, und das nehmen wir auch ernst. Ich sehe das als Verpflichtung, sparsam mit den Zuschüssen, die uns der Freistaat Bayern, die Stadt Nürnberg und der Bezirk geben, umzugehen. Denn letztlich handelt es sich ja um Steuergelder. Da haben die Menschen einen Anspruch darauf, dass wir mit den vorhandenen Mitteln verantwortlich und sorgsam umgehen und gleichzeitig für das Publikum das maximal mögliche verwirklichen. Immer mit höchster Qualität, das versteht sich.

Mit ihrem Chefdirigenten Jonathan Darlington, der seit September 2022 den Taktstock bei den Symphonikern führt, haben Sie offenbar einen geeigneten Partner an der Seite.

Jonathan Darlington ist ein phantastischer Dirigent und weltweit gefragter Orchesterleiter, ein unglaublich großer Gewinn für das Orchester. Der gebürtige Brite, der in Paris lebt, bringt große internationale Erfahrung mit. Vor allem mit seiner charismatischen Art kommt er in Nürnberg sehr gut an. Was das Repertoire angeht, das vom Barock bis zur Gegenwart reicht, ist er sehr breit aufgestellt. Er ist ein toller Kommunikator, der es schafft, all das auf menschlicher Ebene bestens zu vermitteln – und das auf höchstem Niveau. Das Miteinander klappt einfach, auf Augenhöhe. Damit passt er optimal zu den Nürnberger Symphonikern. Aber um das Gelingen der Orchester- sowie der Konzertarbeit zu garantieren, gehören noch viele andere Menschen, die im Hintergrund wirken. Das reicht vom Verwaltungsleiter bis zum Hausmeister, vom Ticketteam bis zum Orchesterbüro und vielen anderen. Das zu betonen, ist mir wichtig.

Gehen die Nürnberger Symphoniker auch in dieser Spielzeit wieder auf Reisen, verlassen ihre Spielstätten in der Kongresshalle, der Meistersingerhalle oder auch dem Serenadenhof?

Wie in jeder Saison gibt’s zahlreiche Gastspiele. Das sind einerseits die regionalen Abstecher, die zu unserer Arbeit gehören, also Neumarkt, Kulmbach, Weilburg, Ansbach, Erlangen und so weiter. Das machen wir in der Regel mit Gastdirigenten. Auf der anderen Seite sind wir auch wieder international on Tour, unter anderem geht es im November wieder nach Mailand. Und für den Sommer 2026 plane ich ein Gastspiel im grandiosen Goldenen Musikvereinssaal in Wien.

Alle, die die Nürnberger Symphoniker schon länger begleiten, suchen in diesem Jahr vergeblich nach dem gewohnten Programmheft. Was war die Idee hinter dem neuen, größeren Magazin-Format?

Ich hoffe, dass die Suche nicht ganz vergeblich war. Denn ich finde das neue Magazin sehr gelungen. Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, die uns neben der reinen Auflistung der Konzerttermine nun mehr Platz für etwa Hintergrundinformationen zu den Programmen sowie einzelnen Akteuren und Themen lässt. Die Rückmeldungen waren bisher überaus positiv. Das freut mich.

Was war die Herausforderung dabei?

Naja, das bisherige Format hatte einen hohen Wiedererkennungswert. Da ist es immer ein Wagnis, eine Änderung vorzunehmen, das war uns schon bewusst. Trotzdem haben wir uns dazu entschieden. Denn die Jubiläumsspielzeit schien uns da ein geeigneter Zeitpunkt. Die Aufgabe war, einerseits unser treues Publikum, das das bisherige Design kannte und schätzte, mitzunehmen und gleichzeitig mit dem neuen Style auch neues Publikum anzusprechen. Mir scheint das exzellent gelungen. Zentral und allem übergeordnet, bleibt unser Ziel so oder so, die Menschen mit unseren anspruchsvollen und vielseitigen Programmen zu begeistern und immer höchstklassige Arbeit abzuliefern. Und diesem Anspruch bleiben wir auch weiterhin treu. Versprochen!

Vielen Dank für das Gespräch und einen guten Start in die Jubiläumsspielzeit.

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