Kunst im Spiegel der Gegenwart
Drei Ausstellungen im Kulturspeicher Würzburg
veröffentlicht am 22.09.2025 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Ludwig Märthesheimer

EMBODIMENT, Viktor Brazhnyk: Torso, 2025, Foto © Lviv National Academy of Arts, Foto: Viktor Brazhnyk
Das Museum im Kulturspeicher Würzburg widmet sich in diesem Sommer der Frage, wie Kunst auf Gegenwart reagieren kann – auf politische Umbrüche, ökologische Umstellungen und existenzielle Fragen. Drei Interventionen öffnen dabei ganz unterschiedliche Perspektiven: die Gruppenschau „EMBODIMENT“ mit Werken junger ukrainischer Künstler:innen der Lviv National Academy of Arts, die verspielten, aus Alltagsmüll gefertigten Antennenvögel von Matthias Garff – und im Zentrum, äußerlich wie thematisch, die Intervention „1.000 Odysseen“ von Winfried Muthesius.
Letztere entfaltet ihre Wirkung jenseits der Museumswände. Großformatige Fotografien des Berliner Künstlers sind außen am Gebäude angebracht – an den Fenstern zum Hafenbecken, am Eingang zum Kulturspeicher, bis hin zum nahen Club „Alter Ego“.
Die Motive sind auf den ersten Blick unscheinbar: ein einzelner Schuh, eine verwitterte Plastiktüte, ausgefranste Seile, angeschwemmte Kleidungsstücke. Gefunden wurden sie an Stränden der Kapverdischen Inseln – Reste von Dingen, die einst Menschen gehörten, die sich auf den Weg gemacht haben. Muthesius setzt sie ins Zentrum seiner Bilder, mit der Strenge und Würde eines Porträts. Ohne Pathos, aber voller stiller Präsenz. Hier ist nichts plakatiert. Alles bleibt Spur, Fragment, Andeutung. Gerade darin liegt ihre Kraft.
Auch die beiden anderen Ausstellungen folgen dem Impuls, Gegenwart mit künstlerischen Mitteln sichtbar zu machen. EMBODIMENT zeigt Arbeiten von Studierenden der Kunstakademie in Lviv, die während des russischen Angriffskriegs in der Ukraine entstanden sind. Die Werke kreisen alle um ein zentrales Motiv: die Erkundung des menschlichen Torsos, reduziert auf Rumpf – ohne Kopf, Arme oder Beine. Sie spiegeln sowohl Verletzlichkeit als auch Widerstandskraft und dokumentieren, wie Kunst zur Form des Überlebens wird.
Matthias Garff hingegen nähert sich der Welt mit Humor. Seine Antennenvögel, im Foyer des Museums platziert, sind detailreiche Tierfiguren aus Müll, Kabeln und technischen Reststoffen. Was hier verspielt und farbenfroh wirkt, verweist auf den Ernst ökologischer Fragen: Wie gehen wir mit Ressourcen um? Wie sehen unsere Zukünfte aus?
Gemeinsam zeigen die drei Ausstellungen, wie vielfältig zeitgenössische Kunst sich der Welt nähert – mit Ernst, mit Neugier, mit stiller Wucht. Wer Würzburg in diesen Wochen besucht, findet im Kulturspeicher nicht nur Antworten, sondern vor allem neue Fragen.
Alle wesentlichen Informationen zu den Ausstellungen im Museum im Kulturspeicher findet man online unter www.kulturspeicher.de