Ausstellungen

Realität mit Pop, Farbe mit Haltung

Zwei Ausstellungen im Kunstpalais Erlangen

veröffentlicht am 19.08.2025 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Ludwig Märthesheimer

Zohar Fraiman, You-Phoria II, 2025, Öl auf Leinwand, 145 x 150 cm

Zohar Fraiman, You-Phoria II, 2025, Öl auf Leinwand, 145 x 150 cm, Foto © Anna Wasilewski

Zwei Ausstellungen, zwei Sphären – und ein Ort, der sie zusammenführt: Das Kunstpalais Erlangen öffnet bis zum 28. September 2025 gleich doppelt die Türen zur Gegenwartskunst. Mit „You-Phoria“ zeigt die israelisch-deutsche Malerin Zohar Fraiman eine surreale, leuchtende Auseinandersetzung mit Identität im Zeitalter von Social Media. Parallel dazu lädt „ganz konkret 2“ zu einer farbenfrohen Reise durch 100 Jahre Konkrete Kunst – zwischen Otl Aicher, Vera Molnar und einem Dackel aus Streifen.

Fraiman, Jahrgang 1987, mischt Botticelli mit „Die Simpsons“, Modigliani mit Disney, und Öl auf Leinwand mit der Ästhetik digitaler Filterblasen. Ihre Protagonistinnen bewegen sich durch Bildräume aus rosa Torten, Selfie-Spiegeln und märchenhaft aufgeladenen Teepartys – ironisch, poppig und doch voller Abgründe. Die neue Werkreihe im Kunstpalais integriert erstmals Spiegel in die Malerei – ein kluger Kunstgriff, der den Betrachtenden ganz buchstäblich in die Reflexion zwingt: Wer betrachtet hier eigentlich wen?

Und dann ist da noch das andere Staunen: „ganz konkret 2“ inszeniert die Klarheit der Linie, die Kraft der Farbe und den Zauber des Formwillens. Werke von Judd, Vasarely, Pfahler und Stankowski treffen auf Stoffskulpturen, Designklassiker und Logos des Alltags – etwa die Aldi-Tüte von Günter Fruhtrunk. Was einst als radikaler Bruch mit der figürlichen Kunst galt, wirkt heute wie eine Offenbarung visueller Ordnung in einer Welt der Reizüberflutung.

Die Ausstellung ist keine akademische Pflichtlektüre, sondern ein Fest für die Sinne: Skate-Videos auf Minimal-Skulpturen, duftende Hängeskulpturen und Dialoge zwischen Brasilien, München 1972 und dem digitalen Jetzt. Konkrete Kunst, so wird hier deutlich, war nie bloß Geometrie – sie ist eine Haltung: demokratisch, offen, konzentriert.

Fraiman und die „Konkreten“ – das sind zwei Gegenwartslesarten, die sich nicht widersprechen, sondern ergänzen. Die eine fragt nach Identität im Spiegelbild der Bilderflut. Die andere schenkt Klarheit im Labyrinth der Eindrücke. Gemeinsam zeigen sie: Kunst ist keine Antwort, sondern ein präzise gestelltes Fragezeichen.

Die beiden Ausstellungen werden noch bis 28. September im Kunstpalais Erlangen gezeigt. Mehr Informationen findet man unter www.kunstpalais.de.

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