Holz ist mein Werkstoff
Ingrid Hartlieb im Museum Lothar Fischer
veröffentlicht am 24.08.2025 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Ludwig Märthesheimer
Mit der Ausstellung „Holz ist mein Werkstoff“ widmet das Museum Lothar Fischer in Neumarkt i.d.OPf. der Bildhauerin Ingrid Hartlieb eine umfassende Werkschau. Noch bis zum 12. Oktober 2025 sind rund fünfzig Arbeiten der 1944 im tschechischen Reichenberg geborenen Künstlerin zu sehen – darunter monumentale Skulpturen, Zeichnungen und frühe Werkstudien. Die Ausstellung versteht sich als Hommage an eine Bildhauerin, die trotz physischer Präsenz in ihrem Werk vom Kunstbetrieb lange zu wenig beachtet wurde.
Der Titel ist programmatisch: Holz steht bei Hartlieb nicht nur für Materialität, sondern für Haltung. Ihre Skulpturen entstehen aus massiven Brettern, Balken, Kanthölzern – geschichtet, verzahnt, verschraubt, mit der Kettensäge bearbeitet. In einem aufwändigen Prozess versieht sie ihre Arbeiten mit Patina aus Beize, Wachs, Pigmenten und Firnis. Formal zwischen Figuration und Abstraktion pendelnd, tragen die Werke Titel wie Boje, Rettungsring, Abstandhalter oder Fluchtwerkzeug – Begriffspaare, die auf existenzielle Zustände verweisen: Angst, Verletzlichkeit, Ausgrenzung, Schutzbedürfnis.
Im Zentrum der Ausstellung steht unter anderem die Skulptur Doline von 1995, deren Form einer trichterförmigen Erdsenkung nachempfunden ist – ein Sinnbild für das Unsichtbare unter der Oberfläche. Das Werk wurde später zur Vorlage einer Eisenskulptur, die 2024 von der Staatsgalerie Stuttgart angekauft wurde. Damit ist Hartlieb die erste Künstlerin, deren Werk auf der dortigen Skulpturenterrasse dauerhaft vertreten ist.
Neben den Skulpturen geben auch Zeichnungen und sogenannte „Prüfstücke“ aus Blei oder Papier Einblick in Hartliebs Arbeitsweise. Besonders deutlich wird: Bei ihr geht jeder Form eine zeichnerische Erkundung voraus. Die Linie führt in den Raum. Werke wie Studel (2011), Ölkreide auf Leinwand und Holzträger, zeigen diese Verschränkung von Fläche und Körper, Idee und Volumen exemplarisch.
Hartlieb studierte in den 1970er-Jahren an der Stuttgarter Akademie als einzige Frau in der Bildhauerklasse Rudolf Hoflehners. Arbeitsaufenthalte führten sie nach Paris, New York, Chicago und Südafrika. Heute lebt sie in Stuttgart und arbeitet in einer Werkhalle im schwäbischen Haigerloch.
Mit dieser Ausstellung setzt das Museum Lothar Fischer ein klares Zeichen für die Sichtbarkeit weiblicher Positionen in der zeitgenössischen Bildhauerei. Hartliebs Werk spricht – durch Material, Form und Titel – über Zustände, die viele kennen, aber wenige ausdrücken können. Es ist eine Kunst, die nicht laut auftritt, aber lange nachhallt.
Weitere Informationen zur Ausstellung finden Interessierte unter www.museum-lothar-fischer.de.