Vorhang auf!

Komödie mit ahnungsvollem Beigeschmack

Das TiG hat sich für Jan Demuths "Mein lieber Schwan“ einen feuchten Spielort ausgesucht

veröffentlicht am 09.06.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Martin Köhl

Das Bamberger Theater im Gärtnerviertel zeigt „Mein lieber Schwan“

Das Bamberger Theater im Gärtnerviertel zeigt „Mein lieber Schwan“, Foto © Guido Apel

In der Theaterwelt gibt es erfundene Konstellationen, die einen Komödienerfolg quasi sicherstellen. So zum Beispiel die Fehlbuchung, die dem Plot zu "Mein lieber Schwan" von Jan Demuth zugrunde liegt. Da tingelt ein Chanson-Duo durch die 30er Jahre und wird irrtümlich mit einem Wagner-Publikum in Wippelsdorf konfrontiert, das sich auf die Tetralogie des angebeteten Meisters freut. Was tun? Egal wie das ausgeht, ein gewisser Schmunzelfaktor ist bei einer solchen Ausgangslage garantiert.

Das Bamberger Theater im Gärtnerviertel (TiG), immer auf Wanderschaft, hat sich für seine Frühsommerproduktion die aquatische Welt der Bamberger Schwimmvereine ausgesucht. Beim WSV Neptun ist an einer Regnitzaue genügend Platz vorhanden, charmantes Ambiente sowieso. Wo Wasser ist, sind Schwäne meist nicht fern, aber was haben die in Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ zu suchen, wo es um Riesen, Götterburgen, Drachen, brünnenbewehrte Frauen und den Superman namens Siegfried geht?

Die Antwort ist einfach: Ein Schwan geht immer. Ob als Leiche (im „Parsifal“) oder als Zugtier für einen Nachen („Lohengrin“), der Schwan ist ein elementares Projektionstier für die Wagnerwelt, weshalb man ihn auch gerne in die Tetralogie hineinschmuggeln darf. Viel wichtiger als diese Fakefigur ist allerdings das Wasser, denn aus den Fluten des Rheins kommt ja jenes Gold, das im „Ring“ die Ursache allen Unheils ist.

Die Nähe der Regnitz ist insofern ein praktischer Vorteil des Aufführungsortes, und die wird auch gleich eingangs genutzt, wenn zu den Es-Dur-Klängen des „Rhiengold“-Vorspiels die Protagonisten auf einem Tretboot herbeigleiten. Die unvollständigen Wagner-Akkorde, von Hermann Kübler und Franz Tröger fragil vorgetragen, weichen bald einer Ohrwurmweise, und man begreift, dass ab jetzt neben wenigen Wagneranspielungen vor allem das Songrepertoire der „Goldenen zwanziger“ und anfänglichen dreißiger Jahre angesagt ist.

Nun kommt das Duett auf die Bühne und packt den Koffer aus: Utensilien mit germanischer Anmutung müssen schon sein, will man den Wagnerianern aus Wippelsdorf etwas vormachen. Bald zeigt sich, warum die Protagonisten historische Vorbilder haben – und damit der Hintersinn des Stückes. Ursula Gumbsch stellt Adele Würmeling alias Kirsten Flagstad dar, die berühmte Wagner-Interpretin der ersten Jahrhunderthälfte. Martrin Habermeyer alias Herwarth Moksch spielt Helge Rosvænge, der als bedeutendster Tenor jener Zeit im deutschsprachigen Raum galt.

Beide waren während des „tausendjährigen Reiches“ mehr als nur angepasst, Rossvænge sogar ein Göring-Favorit. Habermeyer gönnt ihm deshalb zwischendurch den einen oder anderen Hitlergruß. Der Wagner-Story kommt nur mittels weniger Handlungspartikel vor, das bleibt recht rudimentär und verlangt einige Vorkenntnisse. Das macht aber nix, denn ab jetzt heißt es nicht mehr "„Hojotoho“, sondern „Ich bin die fesche Brünnhild“ oder „Nimm dich in acht vor blonden Frauen“.

Hat man die „Walküre“ hinter sich gebracht, so versteht man spätestens bei der „Götterdämmerung“ den zeitkritischen – und höchst aktuellen! – Hintersinn des Stücks bzw. seiner Inszenierung durch Heidi Lehnert. So wird eventueller Publikumsschwund zwar mit dem Weggang Marlene Dietrichs erklärt, doch es bleibt ja tröstlich, dass Zarah Leander noch da ist… Mehrfach gefriert einem das Schmunzeln, wenn die Schauspieler im Hintergrund die braunen Spitzel wähnen.

In den „Gedanken zur Inszenierung“ wird im Programmheft des TiG ohne Umschweife auf die Parallelen zur aktuellen politischen Situation hingewiesen. Mitte der dreißiger Jahre hatte sich für Kabarettbühnen, für das „Tingel-Tangel“ oder die jüdisch geprägten Boulevard-Theater eine Fallhöhe aufgebaut, die fatal enden musste. Das in einem Stück in Erinnerung zu bringen, das ohne seinen ahnungsvollen Beigeschmack auch als pure Klamotte durchgehen könnte, ist keine schlechte Idee.

Die beiden Schauspielenden Ursula Gumbsch und Martin Habermeyer haben mit viel Witz und überbordender Mimik der neuen TiG-Produktion ausreichend Charme gegönnt und zugleich einige Besinnungszäsuren verpasst, getreu dem Motto „Nie wieder ist jetzt“. Nicht zu vergessen die musikalische Seite, die von geradezu frechem Gesang geprägt war, dem die beiden Instrumentalisten mit einer originellen Auswahl von Klangverursachern sekundierten.

Der titelgebende Schwan geriet über all dem etwas in Vergessenheit, aber der Pappmaché-Vogel auf der Bühne besaß auf der Regnitz fünf quicklebendige Entsprechungen: unweit des Neptun pflügte ein Schwanenpaar mit seinen drei Kleinen durch das Wasser und war vermutlich froh darüber, in Richard Wagners tetralogischem Schwanengesang nicht vorzukommen.

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