Theater ist für alle da!
Das Theater der Stadt Schweinfurt startet die neue Reihe „Migrations- und Inklusionstheater“
veröffentlicht am 18.10.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Elke Walter
Neben einem reichhaltig bestückten Spielzeitprogramm betritt das Theater der Stadt Schweinfurt mit der neuen Reihe „Migrantisches und inklusives Theater“ für die Spielzeit 2025/26 Neuland und möchte ein Zeichen für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe setzen. „Manchmal“, betont Intendant Christof Wahlefeld, „muss man Neues wagen, Theater von der städtischen Gesellschaft her neu denken. Das ist wichtig, weil man sonst als Theater seine Existenzberechtigung verlieren würde.“ Die Stadt habe einen hohen Ausländeranteil aus ganz unterschiedlichen Herkunftsländern, dem man als Theater auch begegnen müsse. Migrantisches Theater im Spielplan mache Menschen der Schweinfurter Bevölkerung, die zuvor noch nie direkt angesprochen worden waren, ein Angebot. Das Theater wolle sich so einer weiteren Bevölkerungsgruppe öffnen und zum Besuch einladen. Dass das geklappt hat, freut Wahlefeld besonders, auch, dass die Theaterfeunde – der Förderverein des Schweinfurter Theaters – sofort die Unterstützung zugesagt hatten.
Migrantisches Theater
„Wir erzählen die Geschichte aber nicht selbst“, so der Intendant, „sondern laden dazu das Theater Ulüm aus Ulm ein.“ In drei, über die Spielzeit verteilten Vorstellungen, setzt sich die Reihe mit dem Alltag der sogenannten zweiten Generation türkischer Migranten sowie deren Geschichte auseinander. Das Theater Ulüm, 1998 gegründet, sei im süddeutschen Raum das einzige professionelle türkische Theater mit eigener Spielstätte – und so eine wunderbarere Entdeckung gewesen. Die Stücke werden überwiegend auf Deutsch, stellenweise auf Türkisch mit deutscher Übersetzung gespielt, vor allem für in Deutschland lebende Türken und türkischstämmige Deutsche. Der komödiantische Ansatz soll den Zugang erleichtern, Denkräume freilegen, neue Perspektiven aufzeigen und im besten Fall eine Gesprächsbasis schaffen. Spannend findet es Wahlefeld auch, eigene, unbewusste Ressentiments, Sichtweisen oder Bemerkungen aus der anderen Perspektive gespiegelt zu bekommen, sich auch einmal im eigenen Alltags-Rassismus ertappt zu fühlen. Oft, ergänzt er, seien Bemerkung gut gedacht, würden vom Gegenüber aber ganz anders aufgenommen werden.
Am 31. Oktober 2025 wird die Reihe mit „Oh Gott, die Türken integrieren sich!“ eröffnet. Humorvoll, lebensnah, durchaus auch einmal provokant, betrachtet das Ensemble, das aus Angehörigen dieser zweiten Generation besteht, die geänderten Lebensgewohnheit der in Deutschland lebenden türkischen Immigranten nach 50 Jahren. Da werden, mit einem gehörigen Augenzwinkern, Klischees auf beiden Seiten verhandelt, vom vermeintlich „typischen Deutschen“ bis hin zu Stereotypen über Migranten, wie es im Programm heißt.
Unter dem Titel „HOCHDEUTSCHtürkisch: Alter, was geht?“ betrachtet die zweite Komödie der Reihe am 27. März 2026 einerseits rassistische Hetze und Diskriminierung, andererseits aber auch die aus der Migrationsgeschichte resultierenden Veränderungen der Lebensgewohnheiten der „Deutsch-Türken“, etwa in Bezug auf Frauenrechte und Männergesellschaft, Wert- und Moralvorstellungen zwischen traditionell türkischer Identität sowie der Lebenswelt der integrierten jüngeren Generation.
„Sind Sie Ausländer? Nein! Ich bin Türke!“ heißt die dritte Produktion der Reihe. Am 20. Juni 2026 setzt sich das Theaterstück mit den Hürden des deutschen Alltags auseinander. Themen wie Vielfalt, Diskriminierung oder auch Menschenrechte in der Gesellschaft werden aus der Perspektive einer typisch türkischen Familie, kollektiv bereits eingedeutscht und „vielleicht schon ein wenig zu sehr integriert“, betrachtet.
Inklusion auf der Bühne
Neben dem migrantischen Theater widmet sich die Reihe am 19. und 20. Februar 2026 einem weiteren wichtigen Thema. Mit der inklusiven Produktion „Die Goldfische“, nach dem gleichnamigen Film von Alireza Golafshan, werden die Lebensrealitäten von Menschen mit Beeinträchtigungen in den Blick genommen. Auf der Bühne stehen ausgebildete Schauspielende mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen gemeinsam mit Ensemblemitgliedern ohne Einschränkung. Die Gastspielproduktion der Comödie Dresden geht die Geschichte um diese ganz eigene Vierer-Wohngruppe „Die Goldfische“ mit viel Witz, Tempo und einem, wie es im Programm heißt, herrlich unkorrekten Umgang mit allem, was als „normal“ gilt, an. Die Kinovorlage der Inklusionskomödie avancierte 2019 zum mehrfach ausgezeichneten Kinoerfolg.
Alle vier Veranstaltungen der neuen Reihe finden im Gemeindehaus, seit 2022 die Ersatzspielstätte des Theaters, statt und sind ab 14 Jahren geeignet. Das neue Konzept, das durchaus längerfristig angelegt sein soll, sieht Wahlefeld als eine Art „Black Box“, bei der sich für ihn die Frage stelle, wie es nach der ersten Vorstellung ankommt, welche Impulse, etwa für Begegnungen oder auch einen gegenseitigen Austausch angeregt werden könnten. „Für uns ist das spannend“, so der Intendant, „zumal wir als Haus daraus auch selbst viel über uns lernen können, mit ganz neuen Themen konfrontiert werden. Wir wünschen uns sehr, dass die angesprochenen Menschen unsere Einladung annehmen und zu uns ins Theater kommen.“
Weitere Informationen zu den Theaterstücken und der neuen Reihe gibt es unter www.theater-schweinfurt.de.