Hintergrund

Neue Akzente im Theaterhaus

Jasmin Meindel ist die neue Intendantin des Landestheaters Dinkelsbühl

veröffentlicht am 04.11.2025 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Elke Walter

Unsere Interviewpartnerin: Jasmin Meindl, Intendantin am Landestheater Dinkelsbühl

Unsere Interviewpartnerin: Jasmin Meindl, Intendantin am Landestheater Dinkelsbühl, Foto © Miriam Locher

Seit 1. September 2025 ist Jasmin Meindl die neue Intendantin des Landestheaters Dinkelsbühl. Die gebürtige Regensburgerin folgt auf Peter Cahn, der nach 24 Jahren erfolgreicher Intendanz mit Ende der letzten Spielzeit in den wohlverdienten Ruhestand gewechselt hat. Als Autorin, Regisseurin und Theaterpädagogin konnte die neue Theaterchefin weitreichende Erfahrungen sammeln. Vor dem Wechsel in die mittelfränkische Theaterstadt, hatte sie mit ihrer Kollegin Juliane Putzmann im baden-württembergischen Backnang das Bandhaus Theater aufgebaut, das inzwischen zu den festen Kultureinrichtungen der Stadt zählt. Die Erfahrung aus dieser Zeit möchte Meindl in Dinkelsbühl einbringen.

Ihr beruflicher Weg führte die neue Intendantin unter anderem von Regensburg aus nach München an die Drehbuchschule, nach Ulm an die Akademie der Darstellenden Künste sowie an die Heidelberger Theaterwerkstatt. Weitere Erfahrungen konnte sie als Regieassistentin von Michael Bleiziffer, der Regisseur und Schauspieldirektor am Theater Regensburg war, sammeln. Als Theaterautorin widmet sie sich in ihren Stücken den Mechaniken gesellschaftlicher Phänomene oder komplexen Biografien. Zusammen mit Christian Muggenthaler, dem neuen Dramaturgen des Landestheaters, hat sie mehrere Stücke geschrieben, unter anderem die Produktion zur Spielzeiteröffnung, ein Familiendrama nach Motiven den William Shakespeares „König Lear“.

Erst einmal herzlich willkommen in Dinkelsbühl, Frau Meindl! Als neue Intendantin anzutreten, ist nach der 24-jährigen Ära Peter Cahn schon ein großer Schritt. Was hatte Sie bewogen, diese Herausforderung anzunehmen?

Ich möchte für das Publikum Geschichten auf der Bühne erzählen. In Backnang war das für mich durch, irgendwie war alles auserzählt. Dinkelsbühl kannte ich zuvor noch nicht, lerne es immer besser kennen. Schnell war mir klar, dass das Publikum hier sehr theaterinteressiert, im besten Fall auch offen für Neues ist. Peter Cahn hat hier etwas Tolles aufgebaut, das ich mit meinem Team gerne weitertragen möchte. Im Zentrum steht die Arbeit auf der Bühne, wobei Theater immer ein kreativer Prozess aller Beteiligten ist.

Shakespeare begleitete den Weg des Theaters vor allem in den ersten Jahren. Gleich als erste Premiere wagen Sie sich am 17. Oktober 2025 mit Ihrem Stück „Die Erbschaft“ an ein Shakespeare-Drama, das Sie im neuen Gewand präsentieren. Wie kam es dazu?

Wir nehmen das auf und bringen diesen Klassiker wieder ins Gespräch. Das Thema ist zeitlos und hat noch immer viel zu erzählen. Angeregt durch ein Ereignis in der Vergangenheit meiner Familie, haben mein Kollege und ich die zentralen Motive der Vorlage in eine neue Geschichte gefasst. Den klassischen Shakespeare verlegen wir in ein zeitloses Land. Die Herausforderung war es, eine Form zu finden, die zur Stadt und zur Bühne passt. Dabei stellt sich auch die Frage, welchen Wert wir noch für eine Gesellschaft haben, wenn wir nichts mehr besitzen. Da können sich dann alle im Publikum ihre eigenen Gedanken machen. Auch das kann Theater anstoßen.

Worum geht es in der neuen Fassung, die Sie gemeinsam mit Christian Muggenthaler geschrieben haben?

Eine Großbäuerin übergibt ihren mühsam erarbeiteten Besitz an ihre drei Kinder. Im Gegenzug sollen diese sich um sie kümmern. Ob das gutgehen kann, ist das zentrale Thema der Geschichte, die zugleich spannende, emotionsgeladene, aber auch tragische Momente im Dreieck Familie, Liebe und Hass trägt. Was hier erzählt wird, hat mit uns allen zu tun, auch heute noch.

Mit Christian Muggenthaler verbindet Sie eine lange Zusammenarbeit. Was macht diesen Kontakt so besonders?

Wir kennen uns schon sehr lange und haben irgendwann festgestellt, dass wir sehr gut zusammen Stücke schreiben können, auch ähnliche Vorstellungen davon haben. Diese Zusammenarbeit, die nun schon viele Jahre geht, ist sehr bereichernd.

Was macht es für Sie so wichtig, Geschichte zu betrachten und im Theater zu spiegeln?

Die aktuelle Geschichtsvergessenheit ist eine Katastrophe. Je weniger Zeitzeugen leben, desto größer ist die Gefahr, Dinge nicht mehr aus erster Hand zu erfahren. Später sind diese Sachverhalte nicht mehr wirklich nachprüfbar. Geschichte, etwa einer Stadt, muss so realitätsnah erzählt werden, dass sich die Menschen angesprochen fühlen und etwas für ihr Leben mitnehmen können. Der künstlerische Ausdruck ist das Mittel dazu, dies zu transportieren.

Welche Aufgabe muss Theater nach Ihrer Vorstellung erfüllen?

Bildung heißt, sich Kultur in ihrer ganzen Vielfalt anzueignen. Da kommen auch die Klassiker, die so grundlegende menschliche Themen behandeln, zum Tragen. Die sagen uns noch immer ganz viel. Unser Wunsch wäre es, langfristig jeden Herbst einen Klassiker zu präsentieren.

Sehen Sie da auch eine Möglichkeit, junges Publikum anzusprechen?

Aber sicher doch, wenn auch der Weg vielleicht gar nicht leicht sein wird. Man muss den jungen Leuten diese Werke mit einem, für sie ansprechenden Zugang anbieten, einen Bezug zu ihrem Leben aufzeigen, um den Weg zur Kultur zu erleichtern. Theater kann so Räume öffnen.

Haben Sie da noch weitere Projekte geplant?

Mit der Theatergemeinde Dinkelsbühl wollen wir Schultheatertage nach Dinkelsbühl bringen und etablieren. Theatergruppen sollen ihre Projekte zeigen, darüber sprechen und im Austausch Erfahrungen und Anregungen für die weitere Arbeit sammeln können.

Gibt es auch ein Stück für Kinder und Familien?

Für das jüngere Publikum, hier ab sechs Jahren, haben wir natürlich auch etwas im Programm. Frei nach dem Märchen „Der standhafte Zinnsoldat“ von Hans Christian Andersen, erzählen wir Roland Schimmelpfennigs „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“. Spielfiguren werden hier lebendig, entdecken das Leben und die Kraft ihrer Herzen.

Welche Rolle spielt Poesie für Sie?

Poesie ist für mich die Superkraft des Theaters. Sie schafft ein ganz eigenes Universum, eine Art Zwischenraum zur Realität, um Bilder zu finden, die weit über eine Sache hinaus etwas zu erzählen hat und uns einen Weg freilegt, zum Menschen zu werden.

Poesie und Lyrik werden oft in einem Atemzug genannt. Welchem Ansatz folgt die Reihe „Lyrik ist nicht schwyrik“, die Ihr Kollege Christian Muggenthaler gestaltet?

Wir wollen damit eine unterhaltsame, überraschende Reise in die Welt der Gedichte anbieten. Zusammen mit dem Publikum möchte Christian den Geheimnissen und Wunderwelten der Texte nachspüren. Eine Art gemeinsame Detektivarbeit, auf der Suche nach Schreibtechniken, Dichttricks und inhaltlichen Bezügen.

Ihr erstes Spielzeit-Programm hat aber noch sehr viel mehr zu bieten. Gibt es etwas, was Sie unseren Leser:innen ganz besonders empfehlen wollen?

Am liebsten natürlich jede Vorstellung für sich (lacht). Herausgreifen würde ich aber etwa unseren Abend mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt, der am 25. Oktober 2025 Premiere feiert. Gisela Maria Schmitz hat bekannte Texte und Szenen, darunter Monologe und Dialoge sowie die herausragende Wortakrobatik Valentins zusammengestellt, zeigt die beiden aber auch von einer völlig unbekannten Seite. Musik von Rudolf Gregor Knabl, dem Sohn des Zithervirtuosen Rudi Knabl, umrahmt.

Weiter liegt mit „Oskar und die Dame in Rosa“ sehr am Herzen. Éric-Emmanuel Schmitt lässt seinen Protagonisten, einen kleinen Jungen, der an Leukämie erkrankt ist, Briefe an den lieben Gott schreiben. Ein wunderbar poetisches Stück, dem Unausweichlichen mit Humor zu begegnen. Wir haben dazu das kleine theater - Kammerspiele Landshut eingeladen. Premiere ist am 2. November 2025.

In „Der geflügelte Froschgott“ lässt Ingrid Lausund ihre Protagonistin nach dem, was nach dem Tod kommt, fragen. Der Monolog dreht sich um die großen Fragen des Lebens und lädt ein zum Mitdenken, Mitfühlen und Staunen. Premiere ist am 27. März 2026.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Stücke für Ihr erstes Programm in Dinkelsbühl ausgewählt?

Das Programm sollte möglichst viele Menschen ansprechen, Tragisches und Komisches enthalten. Ist es nicht so, dass wir im Drama nach komischen Momenten suchen und in der Komödie nach Ernsthaftem? Beides gehört auch im Leben zusammen. Das erste Programm an einem neuen Haus ist immer ein anfängliches, zu Beginn noch nicht abschätzbares Angebot, das zur Stadt und dem Theater passen sollte. Wir hoffen, dass sich die Menschen, die ja sehr lange Theatererfahrung sammeln konnten und sich als treues Publikum erwiesen haben, auch zu uns kommen und offen auf unser Angebot reagieren.

Die letzte Spielzeit von Peter Cahn hatte dem Theater mit über 44.000 verkauften Karten ja einen bisherigen Besucher:innenrekord beschert. Wie geht man als neue Intendantin damit um?

Das ist schon eine Sache, der man mit Respekt gegenübersteht, Angst macht mir das keine. Ich sehe das eher als Herausforderung und Ansporn, eine ebenso gute Arbeit zu machen und die Menschen ins Theater einzuladen. Aber auch unser Konzept braucht vermutlich etwas Zeit, um sich entwickeln und etablieren zu können.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Meindl.

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