Ausstellungen

Drei Perspektiven der Kunst in Nürnberg

Von der Freude am Malen über die Fotografie der Moderne bis zur ironischen Reflexion des Kunstbetriebs

veröffentlicht am 04.11.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Ludwig Märthesheimer

Paul McCarthy Painter, 1995 Performance, installation, video, photographs Photo: Karen McCarthy / Damon McCarthy

Paul McCarthy Painter, 1995 Performance, installation, video, photographs Photo: Karen McCarthy / Damon McCarthy, Foto © Paul McCarthy Courtesy the artist and Hauser & Wirth

Kunst kann ein Fest sein, eine leise Beobachtung oder ein Spiegel, in dem sich eine ganze Gesellschaft erkennt. Selten jedoch treten diese Facetten so konzentriert auf wie in Nürnberg im Winterhalbjahr 2025/26. Gleich drei große Ausstellungen öffnen innerhalb weniger Wochen ihre Türen und entfalten dabei ein Panorama, das von farbgesättigter Malerei über die subversive Kraft der Fotografie bis hin zur ironischen Selbstbefragung des internationalen Kunstbetriebs reicht.

Die Stadt, reich an Tradition und zugleich fest verankert in der Gegenwart, zeigt sich in diesen Monaten als Resonanzraum für unterschiedliche Stimmen. Jede Ausstellung hat ihren eigenen Ton, ihr eigenes Tempo – zusammen aber ergeben sie eine vielstimmige Erzählung über Kunst und ihre Rolle in unserem Leben. Oskar Koller, Ruth Orkin und die internationalen Positionen von The Best Show Ever stehen für drei Blickrichtungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und sich doch ergänzen: die Freude am Schaffen, die kritische Beobachtung und die ironische Distanz.

Oskar Koller – „Aus Freude am Malen“

Es gibt Jubiläen, die mehr sind als runde Zahlen. Zum 100. Geburtstag von Oskar Koller feiert Nürnberg einen Maler, der sein Leben lang der Farbe vertraute. Unter dem Titel „Aus Freude am Malen“ entfaltet die Kunstvilla eine Retrospektive, die seine künstlerische Haltung sichtbar macht: Malerei als pure Lust, als Experiment, als meditative Hingabe.

Die Ausstellung ist sorgfältig konzipiert. Rund 40 Gemälde aus allen Schaffensphasen, ergänzt durch Grafiken und hochkarätige Leihgaben, zeichnen einen Weg, der von frühen Studien über expressive Farbflächen bis zu den ikonischen Aquarellen reicht. Kollers Malerei ist nie nur Dekoration, sie ist eine Schule des Sehens – das Alltägliche wird darin zum Fest, das Kleine zum Universellen.

Bemerkenswert ist auch die wissenschaftliche Arbeit im Vorfeld: Seit 2023 wurde der städtische Bestand erforscht und restauriert. Das zeigt, dass Erinnerung hier nicht museal verstaubt, sondern auf die Gegenwart verweist. Wer diese Ausstellung besucht, spürt, wie stark Kollers Malerei auch heute noch wirkt: Sie vermittelt eine ungebrochene Freude, die weit über das Persönliche hinausgeht – eine Einladung zum Dialog mit Farbe und Form.

Die Ausstellung ist vom 11. Oktober 2025 bis 1. Februar 2026 in der Kunstvilla im KunstKulturQuartier Nürnberg zu sehen. Mehr Informationen unter www.kunstkulturquartier.de/kunstvilla.

Ruth Orkin – Fotografie einer Pionierin

Von der Malerei zur Fotografie: Ruth Orkin war eine Grenzgängerin mit Kamera. Schon mit 17 radelte sie quer durch die USA, die Kamera immer griffbereit. Ihre Arbeiten erschienen in Life, der New York Times und im legendären Fotoprojekt The Family of Man im MoMA. Doch trotz dieser frühen Würdigungen blieb ihr Name lange im Schatten männlicher Kollegen.

Die Nürnberger Ausstellung bringt ihr Werk nun in einem Umfang zusammen, wie man es in Deutschland noch nicht gesehen hat. Orkin zeigt Frauen, die nicht länger Objekte, sondern handelnde Subjekte sind. „American Girl in Italy“ von 1951 ist das wohl berühmteste Beispiel: eine junge Frau, umringt von neugierigen Männerblicken in Florenz – eine Momentaufnahme, die zur Ikone der Frauenbewegung wurde.

Doch Orkin bleibt nicht beim Symbolhaften. Mit Serien wie „Who Works Harder?“ vergleicht sie ironisch das Leben von Hausfrauen und Karrierefrauen. Diese subtilen, gleichzeitig radikalen Aufnahmen sind mehr als Fotoreportagen: Sie sind Kommentare zu Geschlechterrollen, lange bevor diese Themen in der Kunstöffentlichkeit diskutiert wurden.

In Nürnberg werden diese Arbeiten neu kontextualisiert – kuratiert von Matthias Dachwald, in Anknüpfung an die Berliner Ausstellungen im f³. Orkins Bilder erscheinen so nicht nur als historische Dokumente, sondern als zeitlose Fragen: Wie wollen wir leben? Welche Rollen schreiben wir uns selbst und anderen zu?

Die Ausstellung ist vom 2. Oktober 2025 bis 25. Januar 2026 im Kunsthaus Nürnberg zu sehen. Mehr Informationen unter www.kunstkulturquartier.de.

„The Best Show Ever“ – Ironie im Kunstbetrieb

Die dritte Ausstellung führt mitten hinein in die Mechanismen der Kunstwelt. „The Best Show Ever“ ist ein ironischer Titel, und genau so ist die Konzeption: 23 internationale Kunstschaffende nehmen die Regeln des globalen Kunstmarkts aufs Korn – mal sarkastisch, mal poetisch, immer pointiert.

Seit den 1990er Jahren hat sich die Kunstwelt rasant verändert. Biennalen, Messen, Rankings und Blockbuster-Ausstellungen prägen das Bild. Besuchszahlen zählen mehr als Inhalte, Medieninszenierung mehr als leises Schauen. Die Ausstellung fragt, was passiert, wenn Kunst zum Event wird: Verliert sie an Tiefe? Oder gewinnt sie neue Formen des Ausdrucks, gerade weil sie die Oberflächen spielt?

Die teilnehmenden Positionen sind so vielfältig wie die Fragen. Namen wie Valie Export, David Shrigley, Candida Höfer oder Paul McCarthy garantieren internationale Strahlkraft. Ihre Werke zeigen, wie man mit Ironie und Selbstreflexion dem Spektakel entgegentreten kann. Kuratorin Dr. Anne Schloen inszeniert die Schau als kluge Mischung aus Entertainment und kritischer Befragung – eine „Show“, die ihre eigenen Bedingungen offenlegt.

Die Ausstellung ist vom 1. November 2025 bis 22. Februar 2026 in der Kunsthalle Nürnberg zu sehen. Mehr Infos unter www.kunstkulturquartier.de/kunsthalle.

Schlagworte:

Ähnliche Artikel: