Ausstellungen

„GRAND HOTEL PARR“

Das neue Museum Nürnberg zeigt Fotobücher von Martin Parr

veröffentlicht am 23.11.2025 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Ludwig Märthesheimer

Doppelseite aus „Think of England“, Phaidon, 2000

Doppelseite aus „Think of England“, Phaidon, 2000, Foto © Martin Parr / MAGNUM, Foto: The PhotoBookMuseum 2025

Ein roter Teppich, eine Leselounge mit Furnier-Charme, Billardzimmer, Kunstrasen, Plastikblumen – und mittendrin: rund 250 Fotobücher. Mit „GRAND HOTEL PARR“ präsentiert das Neue Museum Nürnberg vom 24. Oktober 2025 bis 22. Februar 2026 in Kooperation mit The PhotoBookMuseum in Köln die erste umfassende Fotobuch-Retrospektive des britischen Magnum-Fotografen Martin Parr. Keine klassische Schau, sondern ein begehbares, humorvoll überdrehtes Hotelsetting, in dem die Bücher selbst zum Erlebnisraum werden.

Seit über vier Jahrzehnten hält Martin Parr der Welt den Spiegel vor – schonungslos und zugleich mit feiner Ironie. Seine Bilder zeigen den globalisierten Alltag zwischen Schnäppchenjagd, Strandurlaub, Food-Fetisch und Fashion-Overkill. Dabei begegnet Parr seinen Motiven stets mit einer eigentümlichen Mischung aus Nähe und Distanz: nie sentimental, nie belehrend, aber stets hellsichtig. Seine berühmten Serien wie „The Last Resort“ (1986), „Small World“ (1995) oder „Common Sense“ (1999) sind längst Klassiker – und sie wirken heute aktueller denn je.

Parrs bevorzugtes Medium war dabei von Anfang an das Fotobuch. Er nutzt es nicht nur zur Veröffentlichung, sondern als künstlerisches Ausdrucksformat mit eigener Dramaturgie. Als Fotograf, Herausgeber, Sammler und Kurator hat Parr das Fotobuch ins Zentrum der zeitgenössischen Fotografie gerückt. GRAND HOTEL PARR würdigt diesen Zugang konsequent: Die Besucherschaft ist eingeladen, die Bücher tatsächlich in die Hand zu nehmen, darin zu blättern, zu verweilen, zu vergleichen – von der Rezeption bis zur „Seaside View“-Terrasse. Ein Rundgang durch Billardzimmer, Bar und Souvenirshop macht die Ausstellung zu einer sinnlich erfahrbaren Auseinandersetzung mit Bildkultur, Tourismus und Konsum.

Die Inszenierung spielt mit Stereotypen – nicht nur der Motive, sondern auch musealer Präsentationsformen. Es geht um Wahrnehmung, Oberfläche, Reizüberflutung – und um das Verhältnis von Masse und Individualität. Parr, der 1994 Magnum-Mitglied wurde und 2013–2017 deren Präsident war, hat mit seiner unverkennbaren Handschrift einen Meilenstein in der Geschichte der dokumentarischen Fotografie gesetzt. Seine Werke sind weltweit in Museen zu sehen, doch die Ausstellung „GRAND HOTEL PARR“ setzt einen neuen Fokus: Sie zeigt das Gesamtwerk nicht über einzelne Ikonen, sondern über das Medium Buch – demokratisch, zugänglich, überraschend.

Eine Ausstellung, die sich nicht in der Betrachtung erschöpft, sondern zum Mitmachen, Mitdenken und Mitlachen einlädt – und vielleicht auch dazu, die eigene Urlaubspostkarte mit anderen Augen zu sehen.

Weitere Informationen zur Ausstellung finden Interessierte unter www.nmn.de.

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