Unterwegs

Kunst der Kontinente

Die ARTMUC eröffnet den Münchner Kunstherbst

veröffentlicht am 02.10.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Ludwig Märthesheimer

Die ARTMUC Kunstmesse

Die ARTMUC Kunstmesse, Foto © Isabella Kilian

Die Kunstmesse ARTMUC, seit zwölf Jahren eine feste Größe im Münchner Kulturkalender, kehrt im Oktober zurück – und so international wie nie zuvor. Vom 10. bis 12. Oktober 2025 verwandelt sich das Gelände der MTC Supreme Locations im Münchner Norden in ein vibrierendes Zentrum der zeitgenössischen Kunst. Über 180 Aussteller, Galerien und Projekte aus Indien, Taiwan, Thailand, Europa und Südamerika präsentieren dort ihre Werke. Schon der Titel der aktuellen Ausgabe klingt wie ein Programm: die Kunst der Kontinente.

Was andere Messen oft in nüchternem White-Cube-Ambiente zeigen, versteht sich hier als Erlebnis: kein starrer Parcours, sondern ein Marktplatz der Ideen, ein brodelndes Geflecht aus Stimmen, Positionen, Ausdrucksweisen. Seit jeher begreift sich die ARTMUC nicht nur als Verkaufsplattform, sondern auch als Begegnungsraum. Das Gespräch mit den Künstlerinnen und Künstlern ist hier kein Zusatz, sondern Teil der Erfahrung. Wer will, darf nicht nur schauen, sondern auch reden, diskutieren, zweifeln – und am Ende womöglich kaufen und das Werk gleich nach Hause tragen.

Zwischen Messe und Ritual

Dass Kunst auf einer Messe verkauft wird, ist banal. Dass sie dabei als unmittelbare Erfahrung bestehen bleibt, ist die eigentliche Kunst der ARTMUC. Der direkte Austausch ersetzt das oft unnahbare Vokabular des Kunstmarkts durch eine demokratische Geste: Hier dürfen alle einen Zugang finden, nicht nur Sammler oder Galeristen. Die Messe ist eine Einladung, Kunst nicht nur zu betrachten, sondern zu leben.

Rungploy Lorpaitoon: Schmetterlingsflügel aus Erinnerungen

Ein Beispiel für diese besondere Form der Unmittelbarkeit ist die Installation „Under Butterfly Wings“ der thailändischen Künstlerin Rungploy Lorpaitoon. Von der Decke hängen kugelartige Objekte aus Organza, zarte Blasen, die Erinnerungen speichern: Momente der Freude, des Schmerzes, der Stille. Jede Blase steht für ein Erlebnis der Künstlerin und reflektiert zugleich die Erfahrungen der Betrachtenden. Wer unter die schwebenden Formen tritt, spürt eine leise Magie. Mode, Erinnerung und Skulptur verschmelzen zu einem poetischen Geflecht aus Licht und Schatten. Es ist eine Arbeit, die das Persönliche ins Allgemeine wendet – und zeigt, wie die kleinsten Erfahrungen das eigene Ich formen.

Nalom: Tragbare Kunst aus Indien

Neu dabei ist auch Nalom, ein junges Start-up aus Indien. Seine Gründer Amrita und Tarun wollen traditionelle Kunstformen wie Kalamkari und Madhubani bewahren, die in ländlichen Regionen von Frauen über Generationen gepflegt wurden. Nalom bringt diese Techniken in eine zeitgenössische Form: Seidenschals, die nicht nur modische Accessoires, sondern tragbare Kunstwerke sind. Jede Linie erzählt von Mythen, von Natur, von Geschichten des indischen Hinterlands. Auf der ARTMUC präsentiert sich Nalom erstmals einem europäischen Publikum. Zwischen den leichten Stoffen und den farbigen Ornamenten öffnet sich ein neues Kapitel: die Wiederentdeckung alter Kunst als lebendige Gegenwart.

Stimmen aus Fernost

Die koreanische Galerie Tableau, längst etabliert durch Auftritte auf internationalen Messen, bringt erneut ein breites Spektrum asiatischer Kunst nach München. Ergänzt wird dies durch Arbeiten der taiwanesischen Künstlerin Sandy Tao, die mit experimentellen Materialien und subtilen Farbwelten spielt. So entsteht ein Dialog zwischen Ost und West, zwischen Tradition und Gegenwart, zwischen stiller Kontemplation und experimentellem Aufbruch.

Messe oder Biennale?

Die ARTMUC mag kleiner sein als die großen Biennalen oder globalen Kunstschauen, doch genau darin liegt ihr Reiz. Hier wird nicht nach der spektakulärsten Großinstallation gejagt, sondern nach einer Vielfalt an Stimmen, die im unmittelbaren Kontakt mit den Besucher:innen bestehen. Ein demokratischer Ansatz, der die Messe zum Gegenentwurf zu vielen elitären Kunstformaten macht.

München, die Stadt der Sammler, Museen und Residenzen, bekommt so ein Festival, das nicht nur die glänzende Oberfläche, sondern auch die alltägliche Freude an der Kunst sichtbar macht. Zwischen Ständen, Installationen und Gesprächen entsteht ein Mikrokosmos, in dem Kunst nicht nur Ware, sondern lebendige Sprache ist.

Kunst kaufen, Kunst behalten

Und doch ist die ARTMUC auch Markt. Wer ein Werk entdeckt, kann es direkt erwerben. Diese Verbindung von unmittelbarem Erleben und direkter Besitznahme ist Teil ihres Konzepts. So verlassen Besucher:innen die Messe nicht nur mit Eindrücken, sondern manchmal mit Bildern, Skulpturen oder Collagen, die fortan Teil ihres Alltags werden.

Die ARTMUC 2025 ist eine Kunstmesse, die das Versprechen ihres Titels einlöst: Die Kunst der Kontinente. Sie bringt Welten zusammen, ohne die Unterschiede zu glätten. Sie zeigt Vielfalt, ohne in Beliebigkeit zu verfallen. Sie beweist, dass Kunst zugleich ernsthafte Auseinandersetzung und lebendige Begegnung sein kann.
Drei Tage lang wird München so zum Schauplatz eines globalen Austauschs – nahbar, überraschend, inspirierend. Zwischen den schwebenden Erinnerungsblasen von Rungploy Lorpaitoon, den textilen Erzählungen von Nalom und den experimentellen Positionen aus Korea und Taiwan entsteht ein Panorama, das mehr ist als eine Messe: ein Spiegel der Welt, verdichtet auf ein Wochenende.

Weitere Informationen finden Interessierte unter www.artmuc.info.

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