Romantik im Spiegel der Gegenwart
Benjamin Hirte über die Aschaffenburger Kulturgeschichte und ihre Rolle in der Romantik
veröffentlicht am 30.07.2025 | Lesezeit: ca. 3 Min.
Mit der Ausstellung „Phantasia“ widmet sich der in Wien und Berlin lebende Künstler Benjamin Hirte gleich an zwei Orten in Aschaffenburg – im Kornhäuschen und im Innenhof der Kunsthalle Jesuitenkirche – der städtischen Kulturgeschichte und ihrer Rolle in der Epoche der Romantik. Diese manifestiert sich in zahlreichen Bauwerken, die bis heute die Konturen der Stadt prägen. Die Romantik entwickelte sich als Gegenstück der rationalen Moderne. Im Mittelpunkt steht die Betonung von Gefühlen, der Individualität und auch die Schönheit des Natürlichen.
Die Romantik wirkt weit in eine kulturelle Moderne und in die Popkultur hinein – etwa in Walt Disneys Fantasia (1940), das auf Goethes Zauberlehrling basiert, der grundlegende Motive der Epoche bedient. Auch der erste Disney-Film Schneewittchen (1937) geht auf ein Märchen der Brüder Grimm zurück. In einem der beiden Räume des Kornhäuschens ist eine Gipsbüste zu sehen, die auf Schneewittchen-Motiven basiert. In der symmetrischen klassizistischen Architektur des Kornhäuschens steht sie gespiegelt dem Modell einer verfallenen Hütte mit rätselhaften Metallelementen gegenüber; beide sind in ein modifiziertes Ampelsystem eingebunden, dessen Lichtfarben symbolisch umgedeutet werden: Orange oben, Rot unten, Weiß statt Grün. Die ordnenden Funktionen verlieren ihren Zweck und werden metaphorisch lesbar – etwa als Sonne, Mond oder Tageszeiten, aber auch als Gegenüberstellung der Entwicklung vom Standbild zum bewegten Bild.
Vor der Kolonnade des Kornhäuschens steht eine Steinskulptur: ein Fragment eines übergroßen anatomischen Herzens und dessen Aderwerk aus Mainsandstein – demselben Material wie das Gebäude selbst und der historische Stadtkern. Im Arkadenhof der Kunsthalle wurden drei weiße Würfel in den vorhandenen Glaspavillon eingepasst und bilden eine stark abstrahierte Figur. Die Konstruktion erinnert durch die Gliederung an das Holzskelett eines Fachwerkhauses – ein Bild des süddeutschen Raums, das wie das Märchen zum kulturellen Exportgut wurde.
Die Ausstellung im Kornhäuschen ist noch bis 14. September 2025 zu sehen; die Ausstellung im Arkadenhof noch bis 10. August 2025. Sie ist Teil eines neuen Ausstellungsformats der Kunsthalle Jesuitenkirche und des Christian Schad Museums in Aschaffenburg: Im Arkadenhof des Museumsensembles entsteht ein begehbares Gewächshaus, das für mehrere Monate einen Raum für künstlerische Auseinandersetzungen bietet und im lebendigen Dialog zum Kornhäuschen steht. Bis Ende des Jahres werden hier verschiedene Kunstschaffende ihre Werke ausstellen und zu künstlerischen Interventionen einladen.
Mehr Informationen zur Ausstellung und zum neuen Ausstellungsformat finden Interessierte unter www.kornhaeuschen.de oder www.museen-aschaffenburg.de.