Operette ist mehr als ihre Lieder
Regisseur Dominik Wilgenbus blickt am Staatstheater Meiningen tiefer in die Handlung von Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin“
veröffentlicht am 01.12.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Elke Walter
Im zweijährigen Wechsel bietet das Staatstheater Meiningen jeweils eine Musical- oder Operettenproduktion an. In der Jubiläumsspielzeit 2025/26 steht Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin“ auf dem Programm. Inszeniert wird die Operette, nach dem Libretto von Leo Stein und Bela Jenbach, von Regisseur Dominik Wilgenbus. Die Musikalische Leitung hat Kens Lui inne, der 1. Kapellmeisters des Staatstheaters sowie der Meininger Hofkapelle.
Für Wilgenbus, der zum ersten Mal 1992 in Meiningen inszeniert hatte, ist die „Csárdásfürstin“ die neunte Arbeit am Haus. Sein Studium absolvierte der Regisseur bei Prof. August Everding und Prof. Cornel Franz in München, wo er seither auch lebt und von dort aus auch als freischaffender Musiktheater- und Schauspielregisseur, Autor, Übersetzer, Darsteller sowie Dozent arbeitet. Wir haben uns mit Herrn Wilgenbus über die Inszenierung am Staatstheater Meiningen unterhalten, welche am 5. Dezember 2025 im Großen Haus Premiere feiern wird.
Uraufführung in Wien, mitten im Ersten Weltkrieg
Die Welt steht kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Genau zu dieser Zeit spielt das Werk, das die damalige Lage durchaus auch inhaltlich zu spiegeln scheint. Ablenkung ist notwendig, im Varieté lässt sie sich gut finden, zumindest für die, die das Geld dazu haben. Den Alltag vergessen, besonders mit dem Varierè-Star Silva Varescu, der alle Herzen zu Füßen liegen, auch das des Fürstensohns Edwin. Der möchte Silva sogar heiraten, was seinem Vater missfällt. Der schickt den Sohn kurzerhand zum Militär, plant für den Junior eine gesellschaftsfähige Heirat. Silva tritt enttäuscht ihre Amerika-Tournee an. Als sich beide später wieder begegnen, entflammt ihre Liebe von Neuem.
Durch den Beginn des Krieges wurde die Arbeit an der Operette unterbrochen, aber ein Jahr später wieder aufgenommen. Die Uraufführung fand am 17. November 1915 im Johann Strauß-Theater in Wien statt, war ein grandioser Erfolg. Bis heute gehört „Die Csárdásfürstin“ zu den wohl populärsten Operetten Ungarns, viele der Lieder auch über die Operettenbühne hinaus zu Evergreens. Den Zeithintergrund möchte Wilgenbus nicht außer Acht lassen, da dieser Kontext viel mit der Handlung zu tun hat, dem Publikum eine historische Einordnung mit auf den Weg gibt, der Geschichte so mehr Bedeutung beziehungsweise einen tieferen Sinn zukommen lässt.
Mehr als nur Mitklatsch-Unterhaltung
„Diese Operette“, so der Regisseur, „ist aber weit mehr als ihre Lieder. Sie bringt eine Gesellschaft auf die Bühne, die kurz vor Kriegsbeginn steht und versucht, über die Vergnügungen im Varieté, den Alltag zu vergessen.“ Das Genre Operette, so Wilgenbus, werde oft zu Unrecht schnell als harmlose Mitklatsch-Unterhaltung abgetan. Das solle aber nicht heißen, dass eine gute Unterhaltung allein nicht auch ihre Berechtigung habe. „Aber“, betont er, „es steckt viel mehr dahinter, wenn man nicht nur dem ersten Eindruck folgt. Gerade die Csárdásfürstin zeichnet da ein weitgehend authentisches Zeitgemälde.“ Solche Inhalte reizen den Regisseur, weil sie Spielraum für eine tiefer gehende Sicht und Bearbeitung anbieten. Das Publikum möchte Wilgenbus „zum Mitdenken verführen“, ein Angebot machen, die Operette unter einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen, im besten Fall vielleicht ein Klischee abzulegen. Spaß und Unterhaltung natürlich, allerdings auf anspruchsvolle Weise dargeboten. Dem Publikum möchte Wilgenbus mit seiner Inszenierung eine psychologisch komplexe und spannende Geschichte erzählen, gespickt mit wundervollen Melodien und Ohrwurm verdächtigen Liedern.
Lieder mit Ohrwurmcharakter
Einen großen Anteil am Erfolg der „Csárdásfürstin“, so Wilgenbus, hätten bestimmt auch die großartigen Melodien und Lieder Kálmáns, die auch jenseits der Bühne vielen Menschen bekannt seien. Da wären Lieder wie etwa „Tanzen möchte‘ ich“ oder auch „Aus ist’s mit der Liebe“, das man wohl besser unter „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ kennt. „Diese markante Zeile des Liedes“, sagt der Regisseur mit einem Schmunzeln, „wäre heutzutage Shitstorm-verdächtig.“ Aber auch hier lohne sich ein genauerer Blick auf Text und Figur des Grafen Boni. Genau genommen, lasse das Lied auf einen bestimmten Typen von Mann schließen, spiegle seinen Charakter innerhalb der Handlung. Wichtig sei ihm bei seiner Inszenierung besonders auch, wie die Menschen miteinander umgingen, in welchem Kontext sie stünden beziehungsweise, welchen Preis sie für ihr Handeln zahlen müssten. Kontraste, Überhöhungen oder auch surreale Elemente lassen die gesellschaftlich politische Schräglage erahnen.
Um auch die emotionale Ebene der einzelnen Protagonist:innen wahrnehmbar werden zu lassen, erweitert die Inszenierung die Besetzungsliste um ein Tanzpaar, das das Innenleben der Figuren, ihre Sehnsüchte und Wünsche „vertanzen“ soll. Die Bedrohungen der Außenwelt möchte Wilgenbus nicht gänzlich ausschließen, Geräusche im Hintergrund lassen die bedrohliche Situation erahnen. „Ich möchte“, betont er, „die Handlung über die rein theatrale Ebene hinausdenken.“
Die „Csárdásfürstin“ feiert am 5. Dezember 2025 Premiere am Staatstheater Meiningen. Weitere Informationen findet man unter www.staatstheater-meiningen.de,