Die Nacht in der Pavlos ging
Ein Tatsachenroman über ein Land am Abgrund
veröffentlicht am 18.12.2025 | Lesezeit: ca. 2 Min. | von Ludwig Märthesheimer
Als in der Nacht des 18. September 2013 der Rapper Pavlos Fyssas von einem Mitglied der neonazistischen Partei „Goldene Morgenröte“ ermordet wurde, erschütterte die Tat Griechenland. Was folgte, war nicht nur ein Prozess gegen einzelne Täter, sondern ein beispielloser juristischer und politischer Kampf gegen eine rechtsextreme Bewegung, die längst mitten in der Gesellschaft angekommen war. In seinem Roman „Die Nacht, in der Pavlos ging“ zeichnet Xenophon Contiades diese Ereignisse mit der Präzision eines Juristen und der erzählerischen Dichte eines Romanciers nach.
Dem Autor, selbst Verfassungsrechtler, gelingt etwas Seltenes: Er verwandelt einen Gerichtsfall in eine vielschichtige Erzählung über politische Verführbarkeit, staatliches Versagen und zivilgesellschaftlichen Widerstand. Contiades erzählt nicht reißerisch, sondern mit kühler Genauigkeit – und gerade dadurch entfaltet das Buch seine beklemmende Wucht. Die Nacht des Mordes bildet den Ausgangspunkt, doch der Text öffnet sich rasch zu einer umfassenden Analyse der politischen und gesellschaftlichen Mechanismen, die eine extremistische Partei groß werden ließen.
Stilistisch ist der Roman klar, fast sachlich, und dennoch packend. Dialoge, Zeugenaussagen und Protokolle fügen sich zu einem Mosaik, das die Leserschaft tief in den Fall hineinzieht. Wer hofft, sich mit einem einfachen „Gut gegen Böse“-Schema zufriedenzugeben, wird enttäuscht: Contiades konfrontiert uns mit der Komplexität einer Gesellschaft, in der Hass nicht am Rand, sondern in der Mitte gedeiht.
Die Nacht, in der Pavlos ging, ist ein eindringliches Buch über Verantwortung – staatliche, gesellschaftliche und individuelle. Ein Roman, der mehr aufrüttelt als belehrt, und der eindrucksvoll zeigt, wie dünn das demokratische Fundament sein kann, wenn es nicht aktiv verteidigt wird.
Xenophon Contiades: Die Nacht in der Pavlos ging. Tatsachenroman, mdv Mitteldeutscher Verlag, 2025, 272 Seiten, 22 Euro. ISBN: 978-3-68948-057-8