Eine Stadt zwischen Geschichte und Gegenwart
Stippvisite Kultur in Ansbach
veröffentlicht am 30.12.2025 | Lesezeit: ca. 8 Min. | von Oliver Will
Spiegelkabinett in der Residenz Ansbach, Foto © Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf/ Andrea Gruber
Wer durch die Gassen der Ansbacher Altstadt geht, merkt schnell: Hier begegnen sich verschiedene Zeiten. Barocke Fassaden stehen neben modernen Cafés, und über den Dächern ragen die Türme von St. Gumbertus. Es ist ein Nebeneinander, das leise und stimmig wirkt – als hätte sich die Stadt längst daran gewöhnt, dass hier Geschichte und Gegenwart ineinandergreifen und sich gegenseitig beleben. Ansbach ist keine Metropole – und genau das prägt ihren Charakter. Mit gut 40.000 Einwohnern hat die mittelfränkische Regierungshauptstadt eine überschaubare Größe, die Nähe und Austausch ermöglicht. Man kennt sich, man grüßt sich, und man begegnet sich immer wieder: im Theater, in der Orangerie oder bei einer Ausstellung im Kunsthaus R3. Oft entsteht daraus ein Gespräch, manchmal ein Projekt – fast immer aber das Gefühl, mit und in der Kultur zu leben.
Auf den Spuren der Vergangenheit
Die ehemalige Residenzstadt der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach zeigt noch heute viele Spuren ihrer Vergangenheit. Wer über das Pflaster der Altstadt geht, läuft buchstäblich durch Jahrhunderte: durch die Zeit des höfischen Glanzes, durch die Epoche der Aufklärung, durch die Brüche der Moderne. Die barocke Residenz mit ihren Sälen erinnert an die höfische Welt, in der Musik und Theater zum Alltag gehörten. Der angrenzende Hofgarten lädt – vor allem in den wärmeren Monaten – mit seinen Alleen und Rosenbeeten zum Flanieren ein. Kinder spielen auf den Wiesen, Studierende sitzen auf den Bänken, und Spazierende beobachten das Licht, das durch das Blätterdach fällt.
Die Bedeutung Ansbachs zu einer früheren Zeit hat sich gut sichtbar in die Stadt eingeschrieben. Das Markgrafenmuseum präsentiert die Geschichte von Stadt und Fürstentum mit klarem didaktischem Konzept und erlaubt es, den historischen Kontext der Region in Ruhe nachzuvollziehen. Es liegt am Kaspar-Hauser-Platz und vermittelt auf anschauliche Weise, wie sich die Stadt entwickelt hat – von der markgräflichen Residenz über die bürgerliche Stadt des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Neben der Dauerausstellung finden regelmäßig Sonderausstellungen statt, die lokale Themen in größere Zusammenhänge stellen. Eine eigene Abteilung ist Kaspar Hauser gewidmet, jenem geheimnisvollen Findelkind, das bis heute Stoff für Spekulationen, Theaterstücke und Romane bietet. Außerdem sind Fayencen der famille verte zu sehen – fein bemalte Keramiken aus der Ansbacher Manufaktur, die einst zu den begehrten Luxuswaren des Barocks gehörten.
Neben dem Museum sind die Residenz, das Retti-Palais und die Synagoge die herausragenden Bauwerke der Stadt. Sie erzählen von verschiedenen Facetten der Geschichte: vom höfischen Repräsentationswillen, vom bürgerlichen Selbstverständnis und vom religiösen Leben einer jüdischen Gemeinde. Das Retti-Palais, ein Juwel des süddeutschen Barocks, ist nach langer Sanierung wieder zugänglich und wird künftig verstärkt für kulturelle Nutzungen geöffnet: Geschichte soll hier nicht nur museal konserviert, sondern lebendig gehalten werden. Auch die Synagoge Ansbach mit ihrer bewegten Geschichte steht für diesen Anspruch. Heute finden hier Konzerte, Vorträge und Gedenkveranstaltungen statt – Kultur als Erinnerungskultur.
Eine Stadt, in der Kultur und Alltag verschmelzen
Weit entfernt von großstädtischem Anspruch, trägt die Dichte an kulturellen Angeboten zu einem ungewöhnlich belebten Alltag bei. Ansbach versteht Kultur nicht als Ausnahmezustand, sondern als Bestandteil des täglichen Lebens. Kaum ein Wochenende vergeht ohne Veranstaltung, kaum ein Monat ohne Festival. Im November lief die literarische Reihe LesArt des Kulturforums Ansbach e.V., die seit Jahren Literaturschaffende aus dem deutschsprachigen Raum in die Stadt bringt.
Im Theater Ansbach feierte gerade „Adolf – Der Bonker“ nach dem Comic von Walter Moers Premiere – ein Abend zwischen Groteske und Geschichtsbewältigung. Parallel steht „Michael Kohlhaas“ nach der Novelle von Heinrich Kleist auf dem Spielplan, ein Klassiker, der hier in einer zeitgenössischen Lesart umgesetzt wird. Richtung Feiertage finden sich dann auch konzertante Angebote, etwa der Weihnachtsliederabend mit dem Windsbacher Knabenchor am 4. Dezember in der St. Gumbertuskirche im Theaterprogramm.
Ansbach dekliniert sich – ohne großen Konkurrenzdruck – durch eine bemerkenswerte Bandbreite an Formaten, die vom traditionellen Konzert bis zur experimentellen Performance reicht. Dabei bleibt Raum für spontane Projekte, für studentische Initiativen, für kleine Räume, in denen gute Ideen entstehen. Und für jede Menge Partizipation in und außerhalb von Kulturvereinen. Das Stadttheater, organisiert als Genossenschaft, kuratiert weit über das Theatralische hinaus. Leider derzeit aufgrund seiner nötigen Sanierung ohne Zugriff auf das Große Haus. Stattdessen wird das Theater hinterm Eisernen und das Kleine Haus, neben weiteren Orten der Stadt bespielt. Statt Schauspiel-Abo werden Wahl-Abos angeboten. Die Konzertreihe findet, wie gewohnt, im Onoldiasaal statt.
Ein Höhepunkt im Jahreskalender ist im zweijährigen Rhythmus die Bachwoche Ansbach, die Musikschaffende und Publikum aus der gesamten Region und darüber hinaus anzieht. Wenn unter anderem in der St. Gumbertus-Kirche oder in der Orangerie Werke Bachs erklingen, entsteht jene besondere Atmosphäre, die nur eine Stadt mit so enger räumlicher Struktur bieten kann: Die Musik scheint sich in die Gassen hinein auszubreiten, und wer zufällig vorbeigeht, hört vielleicht aus der Ferne die feinen Klänge eines Cembalos.
Auch die allsommerlichen Rokoko-Festspiele bringen Geschichte auf die Straßen. Dann schlüpfen Hunderte in Seide und Brokat, und Ansbach verwandelt sich in eine lebendige Kulisse des 18. Jahrhunderts. Diese Inszenierung der eigenen Vergangenheit wird hier mit Humor und Selbstironie betrieben – nicht als nostalgische Rückschau, sondern als Ausdruck von Identität und Spiel.
Begegnungen zwischen Altstadtfest und Grüner Nacht
Neben den großen Ereignissen prägen viele kleinere Feste den Jahreslauf. Das Altstadtfest im Frühsommer bringt Menschen aus der ganzen Region zusammen; auf kleinen Bühnen spielen Bands, in Innenhöfen entstehen spontane Jam-Sessions, und der Duft von fränkischer Küche zieht durch die Straßen. Die „Grüne Nacht“ im Herbst (nächster Termin: 26.09.2026) lädt zu nächtlichen Entdeckungstouren durch Ateliers, Galerien und Kulturstätten. Die Stadt öffnet sich an diesem Abend auf besondere Weise – Kunst wird begehbar, Gespräch und Musik mischen sich, und wer durch die Altstadt flaniert, begegnet überall Licht, Klang und Bewegung. Im Winter schließlich legt sich der Duft von Glühwein über die Gassen. Der Weihnachtsmarkt auf dem Martin-Luther-Platz ist überschaubar, aber liebevoll gestaltet – mit Ständen regionaler Kunsthandwerker:innen, kleinen Bühnen und einer Atmosphäre, die eher Begegnung als Kommerz bedeutet.
Menschen geben der Kultur ein Gesicht
Hinter dem kulturellen Leben stehen viele Einzelne. Das Kulturforum Ansbach etwa, ein gewachsenes Netzwerk aus Kulturschaffenden, organisiert Ausstellungen, Lesungen, Wettbewerbe und Kunstpreise. Das Kunsthaus Ansbach, untergebracht in einem schlichten Gebäude in der Altstadt, ist ein Ort für aktuelle Kunst und Austausch. Hier begegnen sich regionale Künstler:innen und internationale Positionen, oft in wechselnden Ausstellungen, die den Dialog zwischen Stadt und Welt offenhalten. Auch das Theater Ansbach spielt eine zentrale Rolle. Es verbindet klassische Stoffe mit neuen Erzählformen, richtet sich an Erwachsene ebenso wie an Kinder und Jugendliche und versteht sich als öffentlicher Ort für Debatte. Freie Gruppen wie das Theater Kopfüber ergänzen das Angebot mit eigenen Produktionen – klein, mutig und nah am Publikum.
Geschichte und Gegenwart greifen ineinander
Ansbach verbindet Geschichte und Gegenwart auf eigene Weise. Zwischen Hofgarten und Hochschule, zwischen Markgrafenresidenz und Medienlabor entsteht ein kulturelles Selbstverständnis, das leise, aber selbstbewusst ist.
An der Hochschule Ansbach studieren junge Menschen aus ganz Deutschland. Mit ihren Studiengängen in Medien, Technik und Wirtschaft bringen sie neue Ideen in die Stadt und setzen kreative Impulse, die zunehmend in lokale Projekte einfließen. Kooperationen mit Kulturinstitutionen, Ausstellungen oder Filmprojekte sind längst Teil des Stadtlebens geworden.
Wer durch den Hofgarten spaziert und den Blick über die Altstadt schweifen lässt, spürt vielleicht, was Ansbach als Kulturstadt ausmacht: das Zusammenspiel von Geschichte, Engagement und Offenheit. Kultur ist hier nicht nur ein Ereignis – sie ist Teil des alltäglichen Lebens, getragen von vielen, gestaltet mit Leidenschaft und Geduld.
Offizielle Website der Stadt Ansbach: Zahlen, Fakten, Stadtportrait, Kulturamt und Veranstaltungskalender – ansbach.de
Tourismus- und Kulturportale: tourismus-ansbach.de, guides.tourismus-ansbach.de
Kulturforum Ansbach e. V. – kulturforum-ansbach.de
Hochschule Ansbach: Kulturangebote in der Region – hs-ansbach.de
Markgrafenmuseum Ansbach – https://www.museum.de/museen/markgrafenmuseum-ansbach?utm_source=chatgpt.com