Das Spiel, das wir Welt nennen
Lene Grösch eröffnet ihre erste Spielzeit am Staatstheater Nürnberg mit „Die erste Liebe hält fünf Jahre“
veröffentlicht am 05.10.2025 | Lesezeit: ca. 4 Min. | von Elke Walter

Staatstheater Nürnberg,„Die erste Liebe hält 5 Jahre – Eine politische Toy-Story“, Im Bild (v.l.n.r.): Alban Mondschein, Justus Pfankuch, Foto © Konrad Fersterer
Mit einer Uraufführung startete das Schauspielhaus am Staatstheater Nürnberg, unter der Leitung der neuen Schauspieldirektorin Lene Grösch, in die Saison. „Die erste Liebe hält fünf Jahre – Eine politische Toy-Story mit Musik“, so der Titel, bugsierte Ensemble und Premierenpublikum in eine abgedrehte Welt des grenzenlosen Spielens. Hatte das irgendetwas mit der Stadt Nürnberg zu tun? Sicherlich, für Nürnberg als Spielzeugmesse-Metropole, aber auch historisch ein durchaus bedeutsames Thema. Sieben Literaturschaffende hatten Gedanken zum Thema Spielzeug aufgeschrieben. Herausgekommen, das zeigte die erste der beiden Wochenendpremieren, war ein turbulentes und überraschendes Theaterspektakel. Eine Mammutaufgabe für Regisseurin Jessica Samantha Starr Weisskirchen, die unterschiedlichen Ansätze in eine Form zu gießen, dabei allen gerecht zu werden, was aber weitestgehend gelang. Einen weiten, atmosphärischen Klangraum dazu entwickelte der Musiker Alex Röser Vatiché live auf der Bühne.
Spielzeug-Geschichten als Theaterstoff
Die Geschichten von Ewald Arenz, Herwig Arenz, Katja Brunner, Max Czollek, Ichj Vé Dussel, Natasha A. Kelly sowie Kiki Miru Miroslava Svolikova gestalteten sich sehr unterschiedlich. Da war etwa Gott als elternloses, einsames Kind aus schwierigen Verhältnissen, das sich in Svolikovas „Gen e sis“ spielerisch sein eigenes Universum zimmerte. Spielen im ureigensten Sinn also. Die Schöpfungsgeschichte einmal anders gedacht.
Die Erschaffung der Welt im göttlichen Spiel
Aus Apfel, Knochen und Lehm erschuf sich das göttliche Kind ein Ebenbild. Immer mehr dieser „Apfelmus-Menschen“ tummelten sich im erdig hautfarbenen Nacktkostüm auf der grün behügelten Erdenscheibe. Die Welt als Geschenk, um sie spielerisch gestalten zu können, gleichzeitig aber auch zu zerstörten, einander zu bekämpften? Was, wenn das Spiel aus dem Ruder gerät? Natur und gegenüber als Spielzeug missbraucht werden? Auch Erinnerungen, wie der Traum vom Luftgewehr aus Ewald Arenz‘ Geschichte „Mein erstes Spielzeug“ oder das Aufdecken von Gewaltmomenten im Puppentheater fanden sich da. Witzig, nachdenklich, aber auch kontrovers kamen die vielschichtigen Bilder daher, oft auf den ersten Blick gar nicht in aller Tiefe zu erfassen.
Phantasie als Motor für kreatives Spielen
Ein überdimensionaler Schuhkarton wurde schnell zum lebendigen Puppenhaus, ein erstes Treffen zweier Chat-Partner zum lustvoll-grotesken Hund-und-Herrchen-Spiel. Als schrille Absurdität entpuppte sich der Besuch im „Barbarin Barbara“-Universum. Was, wenn die Barbie-Adaptionen im pinken Knautschlack-Outfit nicht mehr Projektionsfläche für gesellschaftliche Rollensozialisierung sein wollen? Mit einem stellenweise vergnüglichen Hang zum Kindischen, zog Weisskirchen alle Register, um eine temporeiche Theaterspielwiese (Bühne und Kostüme: Wanda Traub), die auch mit klaren Worten in Richtung Politik nicht geizte, auf die Bühne zu zaubern.
Beherzt aufspielendes Ensemble
Claudia Gyasi Nimako, Katharina Uhland, Amadeus Köhli, Alban Mondschein, Justus Pfankuch, Adeline Schebesch sowie Tina Abbasi empfahlen sich als intensiv aufspielendes und sprachgewandtes Ensemble, ohne Scheu, sich den zum Teil recht grotesken Bildern und Figuren anzunähern. Ein klares Plädoyer für lustvolles Theaterspiel sowie der Bühne als Denk- und Kommunikationsraum, nah am Puls der Stadt und den Menschen. Eine starke, stellenweise auch verstörende Inszenierung, die noch lange nachwirken wird und Lust auf mehr Theater in diesem Haus macht.