Kurzweilgarantie auf dem St. Getreu-Hügel
Patrick Barlowes „Der Messias“ wird vom Theater im Gärtnerviertel (TiG) in der Musikschule präsentiert
veröffentlicht am 28.11.2025 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Martin Köhl
Das Bamberger Theater im Gärtnerviertel (TiG) mäandert für seine Aufführungsorte munter weiter durch die Stadt und ist jetzt sogar ganz oben im Berggebiet angekommen. Eigentlich wäre eine Namensänderung fällig, denn das längst kultig gewordene Kürzel des Theaters passt auch auf ‚Theater im Getreuviertel‘. Dort oben über dem Michaelsberg residiert die städtische Musikschule, mit der das TiG jetzt kooperiert. Der Festsaal im Nebengebäude des prächtigen Dientzenhofer-Gebäudes bewies bei der Premiere der neuesten TiG-Produktion seine gute Theatertauglichkeit.
Das musste er auch, denn in Patrick Barlows „Der Messias“ geht es ziemlich turbulent zu. Diese recht spezielle Version der Weihnachtsgeschichte atmet noch die Atmosphäre des Kultfilms „Das Leben des Bryan“ der Monty-Python-Truppe, den die Jüngeren kaum kennen werden. Das ist auch nicht nötig, denn hier geht es nicht um Jesu komplettes Leben, sondern nur um das fiktive Jahr Null und damit um die Begebenheiten rund um die Weihnachtsgeschichte. Immerhin, die ebenso vulgäre wie legendäre Aufforderung des Brian, ihn mit der Jesus-Geschichte in Ruhe zu lassen, kommt auch vor: „Verpisst euch!“
Für den Plot braucht man eigentlich ziemlich viel Personal, nämlich Maria und Joseph, den Erzengel Gabriel, einige Hirten und last not least die Weisen aus dem Morgenland. In Barlows „Der Messias“ genügt eine Reduktion auf zwei Schauspieler, denn diese Geschichte handelt von zwei Laiendarstellern, die mehr schlecht als recht versuchen, die Weihnachtsgeschichte zu spielen.
Mit Valentin Bartzsch und dem TiG-Oldtimer Patrick L. Schmitz hat man dafür zwei Schauspieler-Profis auf die Bühne gestellt, deren komplette mimische Fähigkeiten dafür reichen, neben dem bereits genannten Personal noch weitere Protagonisten der Nuller Jahre zu spielen, z.B. Pontius „Trumpus“ Pilatus, Herodes, Kaiser Augustus und Gladiatoren. Oder auch allerlei Getier. Das Team komplettieren Nikola Voit (Bühne und Kostüm), Franz Tröger (Musik) und Johanna Knefelkamp (Choreografie).
Nicht zu vergessen Aline Joers (Produktionsleitung) und den vom ETA-Hoffmann-Theater „ausgeliehenen“ Daniel Seniuk, der die Inszenierung besorgt hat. Die beginnt recht tumultartig, zunächst mit einem Verspätungsgrund, den nur die Einheimischen verstehen können: Hunderte von Fahrzeugen stecken in der Sutte in einem Riesenstau, na ja … Missgeschicke und Missverständnisse sind quasi der Rote Faden der Geschichte, die Ironie ist das chronisch wirkende Gewürz.
Nach dem tumultuösen Auftakt, der passenderweise von Händels „Halleluja“ musikalisch unterlegt ist, sitzt Maria bräsig am Bühnenrand und näht am Tempelvorhang (von dem die Bibelkundigen wissen, dass er später zerreißt). Nach allerlei köstlich anzüglichem Palaver über das heikle Zeugungsproblem ist Volkszählung angesagt. Nun muss das Publikum ran: sobald das Wort ‚Volkszählung‘ im Text vorkommt, soll das Publikum laut buhen. Tut es auch brav, die TiG-Aficionados und -nadas kennen sich aus.
Mittlerweile ist auch Franz Tröger eingetroffen und unterlegt das Geschehen mit archaisch wirkenden hohlen Quintklängen, bevor er, wenn es um die Weltrettung geht, den „Zarathustra“ musikalisch hervorlugen lässt, freilich nur mit dem legendären Halbtonmotiv. Muss man halt kennen. Fortan sind viele virtuose Kostümwechsel angesagt, dazwischen eine große und sehr ernst wirkende Ansage zu Liebe, Freude und Eierkuchen, eine häusliche Szene mit Joseph und Maria, das der Erzengel zum Trio komplettiert und schließlich ein Weihnachtsmedley, das zur Pause überleitet.
Ein wenig albern geht es weiter mit einer Maria, die nicht nur an Schokoladenpenissen lutscht und dazu Gurkensalat isst, sondern auch den Tongeber für den musikalischen Einsatz gibt, der jedoch auf dem Violoncello ein denkbar falsches Echo hervorruft. Wenn später noch Marias Fruchtblase mit einem lauten Knall platzt und einer der Heiligen drei Könige als Mexikaner mit Cucaracha-Anwandlung hereinkommt, stellt sich die Frage, mit welchem Genre man es hier zu tun hat: Komödie, Klamotte, Farce, Schwank, Backstage-Comedy oder wortspielender Klamauk?
So einfach ist die Kategorisierung nicht, denn der Witz und die Rasanz dieser Aufführung werden konterkariert durch manche nachdenklichen Episoden, die jeglicher Ironie entraten – und sei es nur das treulich vorgetragene „Stille Nacht, heilige Nacht“. Selbstreferentielle Einschübe wie diverse Streitereien über die Rollenverteilung oder andere bewusst theaterspezifische Momente tun ein Übriges.
Das Heraustreten aus dem Geschehen oder gar aus der Bühne erinnert nicht zuletzt an Brechts episches Theater, in dem die Identifikation mit den „Helden“ systematisch torpediert wird. Freilich sind die Helden in dieser Theaterbetriebskomödie heutige Normalos. Fazit: es mag sein, dass die Weihnachtsgeschichte lustvoll durch den Kakao gezogen wurde, aber eine gehörige Prise Ernst ist ihr geblieben. Wie auch immer: beim Theater im Gärtnerviertel ist einmal mehr Kurzweil garantiert.