Klassiker

Jubiläum bei der Meininger Hofkapelle

Festwochen mit Max Reger, Brahms, Heinz Holliger

veröffentlicht am 27.07.2015 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Durch die Wahl Kirill Petrenkos zum designierten neuen Chefdirigenten – in der Nachfolge Sir Simon Rattles – des Orchesters und Künstlerischen Leiters der Stiftung Berliner Philharmoniker im Juni ist auch die Meininger Hofkapelle wieder in den Blick der Feuilletons geraten. Denn es war an der Südthüringischen Staatsoper, dass Petrenko zum ersten Male, anno 2001, internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde, mit einer längst legendären Ausleuchtung von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“. Doch nicht erst seit Petrenkos Generalmusikdirektorenzeit ist das Orchester der ehemaligen Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Meiningen in nahezu aller Munde. Die Gründung der Hofkapelle datiert vom späten 17. Jahrhundert; mithin darf das 325-jährige Bestehen gefeiert werden.

Im späten 19. Jahrhundert und bis 1914 stand die Meininger Hofkapelle in voller Blüte. Im frühen Oktober 1880 übernahm Hans von Bülow das Orchester und formte aus ihm einen Klangkörper von europäischem Rang. So reiste im Herbst 1885 Johannes Brahms nach Meiningen, um die Uraufführung seiner Vierten Symphonie zu dirigieren, nach deren Ende, so hieß es im Berliner Courier, „sich der Herzog zur Ehre von Brahms und mit ihm das ganze Haus“ erhoben habe. Mit Herzog Georg II. und der Hofkapelle war der vollbärtige Komponist vom Herbst 1881 bis zu seinem Tode eng verbunden. Richard Mühlfeld war damals der erste Klarinettist (und in jenen Jahren auch Soloklarinettist des Bayreuther Festspielorchesters). Zwischen ihm und Brahms entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, der wir beispielsweise das himmlische Klarinettenquintett h-Moll op. 115 und die beiden Sonaten für Klarinette und Klavier, in f-Moll die eine, die andere in Es-Dur, verdanken.

Weiters muss man den Namen Richard Strauss anführen, wenn es um die Meininger Musikgeschichte geht. Er war 1885/1886, als van Gogh sein „Stillleben mit Kartoffeln“ malte und Rodin den „Kuss“ schuf, als Anzengrubers „Sternsteinhof“ erschien und Stevensons „Dr. Jekyll“, als Niels Bohr geboren wurde und Franz Liszt starb, Hofmusikdirektor. Zu Strauss‘ Pflichten zählten auch die Leitung des Chorvereins und der Klavierunterricht für Prinzessin Marie, mit der er zudem auf ihrem allwöchentlichen Thé dansant fleißig zu tanzen hatte.

Auch der Name Max Reger ist eng mit dem Orchester verbunden. Der gebürtige Oberpfälzer war von 1911 bis 1914 Hofkapellmeister und soll einmal gesagt haben: „Es gibt nur ein Orchester, das ich haben möchte: Meiningen.“ Im Mai des kommenden Jahres wird Regers hundertster Todestag gefeiert werden, selbstverständlich auch und gerade in Meiningen. Und bereits in diesem Oktober stehen Festwochen an. Deren Anlass? Das 325-jährige Bestehen der Hofkapelle, die somit zu den ältesten Orchestern überhaupt gehört. Die Leitung hat seit einer halben Dekade der Schweizer Philippe Bach inne.

Bach, Jahrgang 1974, stammt aus dem Kanton Bern. Zunächst studierte er Horn, dann Dirigieren, unter anderem bei Mark Elder in Manchester. Meisterkurse besuchte er bei Colin Davis, David Zinman, Vladimir Jurowski und Peter Eötvös. Seine Laufbahn begann in Madrid; es folgte eine Anstellung am Theater in Lübeck und dann, 2011, der Ruf auf den Posten des Generalmusikdirektors der Meininger Hofkapelle. Seit 2012 ist Bach zudem Chefdirigent des Berner Kammerorchesters. In der Jubiläumsspielzeit wird er unter anderem die Fünfte Symphonie von Franz Schubert dirigieren, auch ausgewählte Schubert-Lieder in der Instrumentation von Max Reger sowie, am 24. März, Gustav Mahlers in Krefeld uraufgeführte Dritte, und im Bereich der Oper „Lucia di Lammermoor“ und „Tannhäuser“.

Beim Festkonzert am 2. Oktober werden allerdings Hans Drewanz am Pult und Beethovens Neunte auf dem Programm stehen. Drewanz, Jahrgang 1929, war in den Fünfzigern Assistent des großen Georg Solti an der Frankfurter Oper, lehrte später am Salzburger Mozarteum und war lange Zeit dem NHK-Sinfonieorchester in Tokio verbunden, wie übrigens auch Jonathan Notts Vorgänger bei den Bamberger Symphonikern, Horst Stein (und, allerdings nur für eine Saison, Joseph Keilberth). Dass bei den Festwochen, wie überhaupt in der Spielzeit 2015/2016, immer wieder Reger, Strauss und Brahms aufgeführt werden, darf nicht verwundern.

Bei aller Tradition behält man in Meiningen auch das Zeitgenössische im Blick. Dafür stehen Namen wie Detlev Glanert und Thomas Adès (der Brite wird im Konzert wie auf der Opernbühne zu hören sein, mit der Kammeroper „Powder her Face“, die im Januar Premiere hat, einschließlich einer auskomponierten Oralsex-Szene). Und Heinz Holliger, der unermüdliche, inzwischen sechsundsiebzigjährige Oboist, Komponist, Dirigent und Hochschullehrer, der Mitte Oktober mit dem klangart-Ensemble das erste Sinfoniekonzert gestalten und, neben Richard Strauss, eigene Werke dirigieren wird. Die Meininger und ihr Intendant, Ansgar Haag, haben allen Grund, stolz zu sein auf ihr Haus und ihre Hofkapelle.

Copyright Fotos:

Meininger Hofkapelle, © MichaelReichel

Philippe Bach, © MichaelReichel

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