1000 Jahre St. Michael
Gerettet dank „landesväterlichen Wohlwollens“
veröffentlicht am 27.07.2015 | Lesezeit: ca. 7 Min.
Das Geläute der Michaelskirche gilt als überragendes Zeugnis süddeutscher Glockengießerkunst.
Im Jahre 1805 veröffentlichte die damalige bayerische Regierung folgende Verfügung im „Bamberger Intelligenzblatt“: „Seiner Churfürstlichen Durchlaucht ist der Wunsch vorgetragen worden, welchen ein Theil der hiesigen Bürgerschaft wegen Beibehaltung der Kirche zum heiligen Jakob und der Glocken auf dem Michelsberge geäußert hat. Höchstdieselben haben sich hierauf gnädigst geneigt erklärt, durch die Willfahrung dieses Gesuchs der Bürgerschaft von Bamberg einen Beweis ihres Landesväterlichen Wohlwollens zu geben..... Bamberg den 2ten October 1805. Churfürstliche Landesdirection, Steph. Freyh. von Stengel“. Die Bamberger haben also damals nicht nur für die „Beibehaltung“ ihrer Kirchen gekämpft, sondern auch für den ihnen so vertrauten Klang der Glocken. Vieles vom Inventar profanierter Kirchen – Orgeln, Altäre, Statuen, Paramente et cetera – wurde bekanntlich während der Säkularisationsjahre entfernt, verschenkt, verkauft (besser: verschleudert) oder gar zerstört.
Dass der Bamberger Glockenbestand weitgehend erhalten blieb und heute aufgrund seiner alle Epochen abdeckenden Herkunft in ganz Deutschland singulär dasteht, verdankt sich allerdings nicht nur dem beherzten Eingreifen der Bürgerschaft, sondern zudem seiner relativen Unzugänglichkeit: Glocken kann man nicht mal soeben ausbauen, der Aufwand ist einfach zu groß. Jedenfalls blieb uns wohl aus diesen beiden Gründen eine Geläute erhalten, das nach der Bewertung durch Fachleute zu den überragenden Zeugnissen süddeutscher Glockengießerkunst zählen darf.
Fragt man die Bewohner des Michelsberges, wie viele Glocken ihnen denn täglich aus dem Südwestturm heimläuten (beziehungsweise -läuteten, denn zurzeit und wohl noch für Jahre sind sie ja verstummt), so erhält man regelmäßig die Antwort, circa fünf müssten es wohl sein. Das verwundert kaum, denn das obertonreiche Geläute klingt sehr voll, obwohl es nur drei Glocken umfasst. Das war nicht immer so. Bis 1610, dem Jahr des verheerenden Kirchenbrandes, besaß das Benediktinerkloster das nach dem Dom umfangreichste und sicher bedeutendste Geläute der Stadt mit insgesamt elf Glocken.
Ein erhaltenes Schriftstück gibt in lateinischer Sprache Auskunft über deren Schicksal während des Brandes. Übersetzt heißt es dort: „Elf Glocken unterschiedlicher Größe sind durch die Gewalt der Hitze und der Flammen zerschmolzen und die Türme hinabgestürzt“. Glocken befanden sich also bis dato in beiden Türmen, was seither nicht mehr der Fall ist. Die drei neuen, 1613/14 gegossenen Glocken hängen im Südturm, also stadteinwärts. Sie wurden vermutlich aus dem eingesammelten Bronzematerial der abgegangenen Glocken aus dem Mittelalter gegossen und gelten als das Meisterwerk des früh verstorbenen Nürnberger Glockengießers Hans Pfeffer.
Gewidmet und geweiht sind sie – wie ihre Vorgänger aus dem 15. Jahrhundert – dem Erzengel Michael, dem heiligen Benedikt und dem heiligen Otto. Die Patroziniumsglocke ist mit einem Gewicht von über drei Tonnen die größte und schwerste und bezieht ihre lateinische Inschrift auf den Hl. Michael als Satansbezwinger. Übersetzt lautet sie: „Gott stehe auf, und seine Feinde mögen zerstreut werden.“ Die Benediktenglocke wiegt zweieinhalb Tonnen und verzeichnet als Inschrift einen Satz aus Psalm 29 (übs.): „Die Stimme des Herrn erschallt über den Wassern. Der Gott der Herrlichkeit lässt sich donnernd vernehmen.“ Die dem Hl. Otto dedizierte Glocke schließlich wiegt 1400 kg und ist mit der Inschrift versehen (übs.): „Jesus der Nazarener, König der Juden, der als siegreich Bezeichnete, bewahre uns vor allem Bösen – Im Jahre des Herrn 1614.“
Die Schlagtöne der drei Glocken weisen eine Eigenart der Zusammenstellung auf, die uns bei den alten Geläuten der Bamberger Kirchen (zum Beispiel Dom und Obere Pfarre) gleich mehrfach vorkommt: sie sind chromatisch angeordnet, in diesem Falle mit den Tönen „es“, „e“ und „f“. Der Grund dafür liegt darin, dass Glocken früher nicht für das Zusammenläuten gedacht waren, sondern einzeln gemäß ihrer vorgesehenen Verwendung in der Läuteordnung ertönten. Doch selbst beim heute so selbstverständlichen Gesamtklang eines Geläutes stört diese Tonkombination kaum, denn die zahlreichen Obertöne solcher Instrumente sorgen dafür, dass sowieso praktisch alle Töne der Oktave zeitgleich erklingen.
Die Glocken von St. Michael haben zum Glück auch die beiden Weltkriege überstanden, als viele Geläute für die Gewinnung des kriegswichtigen Zinns eingeschmolzen wurden. Ihr besonderer historischer Wert hat sie davor bewahrt. Als gravierend erwies sich hingegen die völlig überflüssige Entfernung der alten hölzernen Glockenstühle in den Jahren 1966/67 und deren Ersatz durch Stahlkonstruktionen. Seither wird nämlich die kinetische Energie, die durch das freie Schwingen von mehreren Tonnen Bronze entsteht, von der rigiden stählernen Verstrebung direkt an das Mauerwerk des Turmes weitergeleitet, statt von einer viel nachgiebigeren Holzkonstruktion gedämpft zu werden. Dass dies ebenfalls zu dem prekären statischen Zustand beigetragen hat, dessentwegen die Kirche nun für viele Jahre geschlossen bleibt, darf vermutet werden. Jedenfalls fällt es schwer, für unbestimmte Zeit auf den wunderbaren Klang dieses Glockenterzetts verzichten zu müssen.
Information:
Da hängen wir doch einfach noch ne Null dran!
Wenn es doch nur so einfach wäre mit der Finanzierung der Sanierung von St. Michael. Das haben sich sicherlich einige der Anwesenden gedacht, die anläßlich der Scheckübergabe durch Staatssekretär Florian Pronold an das Bamberger Stadtoberhaupt Andreas Starke am 16. Juli den kleinen Sitzungssaal im Bamberger Rathaus bevölkerten. Immerhin 5,4 Millionen Euro hatten es auf das überlebensgroße Formular geschafft, und damit etwa zehn Prozent der geschätzten Kosten für die Generalsanierung der kompletten Klosteranalge.
Als „Durchbruch bei der Finanzierung der Sanierung von St. Michael“ bezeichnete Oberbürgermeister Starke die Zuteilung der Fördermittel des Bundesbauministeriums, Finanz- und Stiftungsreferent Bertram Felix hält die Rettung der Anlage gar bereits für gesichert.
Wir warten ab und freuen uns über jeden Scheck der kommt, hat doch die Stiftungsverwaltung insgesamt mehr als 12,5 Millionen Euro für die verschiedenen Bauabschnitte beantragt.
Und wenn auch Sie etwas zur Rettung der Klosteranlage St. Michael beitragen möchten, jede Spende ist gerne gesehen:
Stiftung Weltkulturerbe Stadt Bamberg,
Sparkasse Bamberg,
Konto-Nr. 9779, BLZ 770 500 00,
Stichwort „Kirche St. Michael“
Copyright Fotos:
Kirche St. Michael, Bamberg, © Gemeinfrei
Glockenbild, © Staatsbibliothek Bamberg, Historischer Verein Bamberg, Gerald Raab, HV.Msc.57a
Staatssekretär Florian Pronold (zweiter von rechts) überreicht Förderung von 5,4 Millionen zur Sanierung von St. Michael, © Stadt Bamberg, Pressestelle