Bamberg und das Buch
VHS-Leiterin Anna Scherbaum über das aktuelle Schwerpunktthema
veröffentlicht am 07.10.2015 | Lesezeit: ca. 11 Min.
Der für die Kultur in Bamberg zuständige Bürgermeister, Christian Lange, möchte die Domstadt als Stadt des Buches etablieren. Im laufenden Wintersemester schenkt die Städtische Volkshochschule diesem Thema einen Schwerpunkt. Mit der VHS-Leiterin Anna Scherbaum, die bekanntlich Martin Köhl ablöste, unterhielten sich Herausgeber Ludwig Märthesheimer und Chefredakteur Jürgen Gräßer.
Herzlichen willkommen, werte Frau Scherbaum, und besten Dank dafür, dass Sie die Zeit gefunden haben für ein Gespräch.
Anna Scherbaum: Herzlichen Dank für die Einladung und für Ihr Interesse an unserem Schwerpunkt. „Bamberg und das Buch“ ist gar nicht so ein großes Thema, meint man.
Heißt es denn „Bamberg und das Buch“ oder „Bamberg – Stadt des Buches“?
Anna Scherbaum: Es heißt „Bamberg – Stadt des Buches“. Wir waren aber so frei, zu sagen: „Bamberg und das Buch“. Eigentlich ist Bamberg ja keine Bücherstadt.
Ein gutes Statement, zu Beginn! [Lachen reihum]
Anna Scherbaum: „Bamberg und das Buch“ ist offener. Es ist eine Stadt, in der es immer wieder um das Buch geht, aber es ist kein Köln, kein Berlin, kein Leipzig. Trotzdem geht es hier vom Anfang des gedruckten Buches mit dem Inkunabelhersteller Albrecht Pfister bis heute immer wieder um das Buch.
Das ist Ihr Semestermotto?
Anna Scherbaum: Genau, das ist unser Motto.
Aber „Bamberg – Stadt des Buches“, was Herr Lange machen möchte, ist das Gleiche?
Anna Scherbaum: In etwa das Gleiche. Lange wünscht sich, dass wir Themen, die er im Kulturleben der Stadt lanciert, vorantreiben. Wir haben jetzt Kontakt mit „Bamberg liest“ und dessen „Lyrikraum“, der ja bei uns eingerichtet wird. Das ist etwas, was Herr Lange vorantreibt. Dann geht es um das Literaturfestival, das Stieringer, Genniges und Heyder machen wollen. Sie werden bei uns einen Abend mit Krimis gestalten. Wir wollten einfach untersuchen: Wo geht es in Bamberg um das Buch? Wir fangen in der Staatsbibliothek an. Natürlich gehen wir auch in das Staatsarchiv. In der Stadtbibliothek schauen wir, wo die E-Books stehen. Wir besuchen Verlage wie Magellan. Auch kommen Verlage zu uns, Verlage, die man wahrgenommen hat, aber von denen man nicht wusste, dass sie in Bamberg sitzen, Babenberg etwa. Auch der Karl May Verlag kommt zu uns.
Was wird denn der Karl May Verlag zeigen?
Anna Scherbaum: Er wird Plakate präsentieren. Verlage haben eine Geschichte, die auch in das Thema Sammlung hineinragt. In der Staatsbibliothek wollen wir die Sammlung Heller vorstellen. Ich werde mit einer Kollegin zusammen Einblick geben in dessen Dürer-Sammlung [Joseph Heller, 1798 bis 1849, hat sich um Cranach und Dürer verdient gemacht]. Heller ist einer der großen Vorantreiber des Themas Buch, die man in Bamberg gar nicht mehr so richtig kennt.
Gewiss widmen Sie sich auch E.T.A. Hoffmann?
Anna Scherbaum: Er ist natürlich ein Thema. Auch sein Verleger Carl Friedrich Kunz. Unter dem Titel „Erinnerungen aus meinem Leben“ [der 1836 publizierte erste Band dieser dreiteiligen „biographischen Denksteine und anderen Mittheilungen“ gilt Hoffmann] bieten wir eine Teestunde an.
Wie sieht es mit zeitgenössischen Autoren aus?
Anna Scherbaum: Nevfel Cumart kommt. Er stellt die islamische Mystik vor und wird auch eigene Gedichte lesen. Tanja Kinkel wird berichten, wie sie einen Roman schreibt. Ihr jüngster Roman handelt von der RAF [„Schlaf der Vernunft“].
Als wir mit Bürgermeister Lange sprachen, hörte sich das so an, als solle „Bamberg – Stadt des Buches“ zum Dauerthema werden. Bei Ihnen steht „Bamberg und das Buch“ im Fokus des Semesters. Verfolgen Sie unterschiedliche Ziele?
Anna Scherbaum: Ja. Wir wollen in jedem Semester ein Thema speziell beleuchten. Das ist jetzt eben „Bamberg und das Buch“, danach wird es „Bamberg und das Bier“ sein. Natürlich wird „Bamberg und das Buch“ weiterhin ein Thema bleiben, aber nicht in dieser Größe. Wir wollen auch etwas Neues.
Langes Anliegen ist es, das Thema „Bamberg – Stadt des Buches“ auf Dauer zu etablieren?
Anna Scherbaum: Lange möchte das Thema Literatur in Bamberg stärker verankern. Er möchte auch „Bamberg liest“ noch einen größeren Stellenwert einräumen.
Glauben Sie, dass Bamberg als Stadt des Buches über ausreichend Potential verfügt? Oder meinen Sie, dass Sie fürs Erste alles abgedeckt haben?
Anna Scherbaum: Wir haben nicht alles abgedeckt, auch insofern nicht, als wir einfach noch nicht die Techniken haben und die Ideen, wie wir manche nicht so leicht darstellbare Themen überhaupt an den Mann bringen können.
Beispiel?
Anna Scherbaum: Beispiel: Erich Weiß Verlag. Den finde ich absolut prima. Wir können ihn nicht besuchen.
Man kann Weiß in seinem Wohn- und Arbeitszimmer aufsuchen.
Anna Scherbaum: Und er kann uns auch nicht besuchen. Trotzdem ist sein Verlag in der Buchlandschaft ein Beispiel für wirkliche Buchkunst. Er macht ausgesprochen schöne Bücher. Ich hoffe, dass es uns gelingt, eine Ausstellung zu machen, in der wir sein Bierbuch [„Drei Schobbn – zwa Seidla – a U“] mit Photos zeigen, auf denen noch der Rauch in den Wirtstuben steht und auf denen noch so richtige Bamberger Köpfe sitzen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies die Verlage fördert. Vielleicht ist das eine Chance. Übrigens haben wir auch Gudrun Schury eingeladen, die ein recht freches Programm um das Buch in Bamberg machen wird. Hoffmann hat es nicht lange ausgehalten, auch Hegel war nicht ewig hier.
Um nicht zu sagen: ziemlich kurz. Hegel weilte anderthalb Jahre hier. Am Eingang zu dem nach ihm benannten Saal in der Konzert- und Kongresshalle waren über Jahre hinweg seine dort angegebenen Lebensdaten falsch, bis es endlich mal einer gemerkt und sich beschwert hat.
Anna Scherbaum: Es gibt auch eine Reihe von erfolgreichen Kinderbuchautoren. Es gibt den Verlag Magellan, es gibt die Gruppe 7. Da ist Claudia Frieser dabei, die die „Oskar und das Geheimnis“-Bücher schreibt. Paul Maar, klar. Da weiß jeder, dass er mit Bamberg verbunden ist, aber bei Frieser bin ich mir nicht so sicher.
Sie bieten auch Kurse an, in welchen die Teilnehmer kreativ werden können?
Anna Scherbaum: VHS heißt natürlich auch, dass man etwas selber macht. Buchbinden, lyrische Texte schreiben, Kalligraphie, das Bilderbuch. Wir hoffen, dass unser Fokus Ohr, Auge und auch das eigene Tun in irgendeiner Form anregt.
Wird das Programmheft dadurch ausgeweitet?
Anna Scherbaum: Das Programm ist etwas dicker geworden. Es soll jetzt abnehmen. Wir müssen da einen Modus finden.
Bambergs dickstes Buch, oder?
Anna Scherbaum: Das Telefonbuch ist schon noch etwas dicker.
Eines der umfangreichsten Bücher ist sicher Hans Wollschlägers „Herzgewächse oder der Fall Adams“ von 1982, satte 544 Seiten.
Anna Scherbaum: Wollschläger fehlt uns. Es sind einige, die nicht mehr unter uns sind.Kommen wir zu „Bamberg liest“ und zum „Bamberger Literaturfestival“. Man hat das Gefühl, dass die beiden Veranstaltungen nicht wirklich harmonieren.
Anna Scherbaum: Bloß, weil beides mit Büchern zu tun hat, muss es nicht unbedingt kollidieren. „Bamberg liest“ versucht, ein qualitätsvolles Programm auf die Beine zu stellen und spricht damit hoffentlich immer größer werdende Kreise an. Das zweite ist ein Festival – das ist ja schon mal ein ganz anderer Begriff – mit Autoren, die groß sind, die in der Mehrheit nichts mit Bamberg zu tun haben. Etwa Donna Leon.
Das gilt allerdings für das Gros der an „Bamberg liest“ Beteiligten auch: Sie haben mit Bamberg nichts zu tun.
Anna Scherbaum: Ich persönlich würde eher eine Lesung vom Autor eines Buches, das ich nicht kenne, hören wollen, als eine Lesung aus einem Buch, das ich schon gelesen habe. Ich finde, man sollte der Sache eine Chance geben. Ich würde mich freuen, wenn Beides nebeneinander Bestand hätte.
Glauben Sie, dass eine Gemeinschaftsgeschichte möglich wäre?
Anna Scherbaum: Das kann ich mir gut vorstellen. Dann müssten die Macher anders miteinander kommunizieren. Man kann auch voneinander lernen. Ich freue mich sehr auf die Veranstaltung bei uns mit dem „Lyrikraum“, wo Gedichte umgesetzt werden von Bamberger Künstlern. Ich finde, „Bamberg liest“ ist eine ausgesprochen wertvolle Angelegenheit und glaube, dass so eine Großveranstaltung wie das „Literaturfestival“ alle bereichern könnte, sofern man sich damit anfreundet.
Die Namen sind richtig groß. Martin Walser, Hertha Müller. Haben Sie mit beiden Seiten gesprochen, und haben Sie auch über das jeweils andere Festival gesprochen?
Anna Scherbaum: Mein Eindruck ist, dass „Bamberg liest“ sich aufgefressen fühlt, und mir wurde auch mitgeteilt, dass sich Stieringer sehr unangenehm verhalten habe.
Wir haben Ähnliches vernommen.
Anna Scherbaum: Stieringer hat mir gesagt, dass er sich nicht als Konkurrent empfindet. Ich glaube, dass er seine Sache als qualitätsvoller empfindet. Also quasi popelig gegen qualitätsvoll. Ich freue mich, wenn er Erfolg hat, und dass man dann nochmal auf „Bamberg liest“ zugeht und in irgendeiner Form einen Kreis bildet. Dieses Stieringer-Format hat Platz in einer Stadt wie Bamberg.
Haben Sie mit Martin Beyer gesprochen? Was hatten Sie für einen Eindruck, wie er dazu steht?
Anna Scherbaum: Beyer hat sich schon in die Ecke gedrängt gefühlt. Dann war er aber froh, weil er gesehen hat, dass der Bürgermeister ihn unterstützt. Das Programm, das er macht, klingt sehr interessant. Er versucht, Menschen aus Bamberg zusammenzubringen. Und die Idee, mit Bamberger Künstlern zusammenzuarbeiten, finde ich ganz großartig. Beyer fühlt sich selbst eher als Kurator denn als Veranstalter. Es ist einfach so, dass sich zwei unterschiedlich definierte Veranstaltungen einander gegenüberstehen. Wenn man das verzahnen würde, wäre es großartig.
Das hört sich doch gut an.
Anna Scherbaum: Mich würde das sehr freuen.
Wie ist es denn mit den Räumlichkeiten? Beim Literaturfestival wird man sich kaum mit fünf Dutzend Leuten zufrieden geben.
Anna Scherbaum: Die Volkshochschule ist der kleinste Raum, der bespielt wird.
Zur Eröffnung geht „Bamberg liest“ immerhin in das Große Haus des E.T.A.-Hoffmann-Theaters.
Auf folgende Veranstaltungen zum Thema „Bamberg und das Buch“ freut sich Anna Scherbaum ganz besonders:
Gutenberg, Pfister und Co. Der frühe Buchdruck in Mainz, Bamberg und anderswo. Führung vor Originalen.
Von zappelnden Buchstaben und schönen Bildern – Geschichten rund um das Buch für Kinder von fünf bis zehn Jahren in Begleitung.
Wie entsteht ein Roman? Tanja Kinkel schildert die verschiedenen Phasen.
„Erinnerungen aus meinem Leben“. Eine literarische Teestunde zu Carl Friedrich Kunz – Bamberger Verleger und Weinlieferant von E.T.A. Hoffmann.
Lyriktraum im Raum. Ein interaktiver Erfahrungsraum für das Gedicht.
Und die Frage, was denn und warum gerade auf ihrem Nachttisch liege, beantwortete die VHS-Leiterin so:
Alain Claude Sulzer, Aus den Fugen – weil mich Geschichten, die Berlin spielen, an meine Zeit im Studium erinnern
Alex Capus, Eine Frage der Zeit – weil mich die Romane dieses Autors seit einem Jahr faszinieren
Brügge, Stadtführer 2015 – ein Mitbringsel meines Kollegen zur Vorbereitung einer Fahrt der VHS zum Thema 500 Jahre Hieronymus Bosch
Hans Pleschinsky, Königsallee – weil der Roman in einem Sommer spielt, er beleuchtet das Umfeld von Thomas Mann im Jahr 1954
Copyright Fotos:
Foto Anna Scherbaum, © privat
Titelfoto, © 2mcon, Bamberg
Foto "Mainz Gutenbergdenkmal Relief 2“ © by EPei at the German language Wikipedia. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons