Allgemein

Kultur in Selb

Kulturtankstelle auf dem Weg nach Osteuropa

veröffentlicht am 04.04.2013 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Selb, etwas östlich zwischen Hof und Wunsiedel gelegen, ist als Porzellanstadt weltweit bekannt und längst Pilgerstädte Nr. 1 für Liebhaber des Weißen Goldes.

Ein seltenes und in seiner Tragweite herausragendes Profil für eine Stadt dieser Größe, das aus der Not geboren wurde. Denn erst nach einem großen Brand in Selb kam es zur Ansiedlung der Firma Hutschenreuther und einer Umorientierung einiger Handwerker. Die Porzellanveredelung in Selb nahm ihren Verlauf. Gleichzeitig stellt der heutige Ruf als Porzellanstadt die Selber Kulturpfunde als innereuropäische Grenzregion Richtung Tschechische Republik sehr in den Schatten. Dabei wird der interkulturelle Bogen nach Osteuropa seit vielen Jahren gespannt.

Die „Internationalen Grenzland-Filmtage“, die 1977 in Wunsiedel gegründet wurden, finden seit 1981 im Kino-Center in Selb statt. Sie gehören zu den ältesten Filmfestivals in Deutschland und setzen ihren Schwerpunkt seit Beginn an auf Osteuropa und speziell auch auf Grenzthemen. Das internationale Filmfestival, das jedes Jahr in der Woche nach Ostern stattfindet, zeigt auch 2013 wieder ausgewählte Animations-, Kurz-, Dokumentar- und Spielfilme aus der ganzen Welt.

Drei Filmblöcke mit anregenden Dokumentationen, drei Kurzfilmblöcke für die Liebhaber von Kurzem und von Animationen, sowie acht Langspielfilme wurden für das diesjährige Programm ausgewählt. In einem Sonderprogramm werden außer Konkurrenz die Publikumslieblinge von den Partnerfestivals im ungarischen Miskolc und dem polnischen Bialystok präsentiert.

Das polnische Partnerfestival präsentiert eine Auswahl kurzer Spiel- und Dokumentationsfilme aus zehn Jahren. Abgerundet wird das Sonderprogramm mit einem spanischen Filmblock, der nicht nur unter Spaniens Sonne spielt. Der bereits Tradition gewordene Kinderfilm und weitere liebevoll ausgewählte Kinderkurzfilme laden auch die kleinen und kleinsten Cineasten auf eine fantastische Reise ins Grenzland der Filme ein. Bereits vor der offiziellen Eröffnung werden die Kinder am Donnerstagvormittag ihren Lieblings-Kinderfilm wählen. Den Siegern winken wertvolle Vasen der Rosenthal AG. Spagat vollbracht!

Weniger interkulturell ausgereift, aber als großes „Willkommen“ für alle Besucher gemeint, steht die Selber Kunstnacht im Veranstaltungskalender. Freudentaumel wird am 20. April in der 16.000 Seelen-Gemeinde groß geschrieben. Dies gilt für Gäste, Künstler, Veranstalter und Bewohner, die ihre Häuser einladend geöffnet halten.

Neben vielen privaten Orten gibt es Kulturelles aller Art im Porzellanikon, im Rosenthal Outlet Center, im Factory In und an vielen anderen Orten zu sehen. Es ist vor allem das Kunsthandwerk, das sich hier zeigt und feiern lässt. Insbesondere experimentelle Porzellanobjekte der Fachschule für Produktdesign sowie Exponate der Malerei und Fotografie (Fotoclub Selb) sind ausgestellt.

Ganz Selb ist auf den Beinen, produktiv und rezeptiv und vor allem auf gute Laune und Offenherzigkeit aus: In Selb, zu Gast bei Freunden, bei „Freunde(n) im Herzen Europas“, wie sich die Vereinigung deutscher und tschechischer Städte der Region nennt, die historisch kompliziert verknüpft ist und sich seit der deutsch-deutschen Wende wieder mehr oder weniger organisiert, um gegenseitige Annäherung, um ein regionales Miteinander, bemühen. Denn das Potential liegt in der grenzüberschreitenden Region.

Dies gilt auch für das Rosenthal-Theater in Selb. Das Haus wirkt ohne Ensemble und lebt vom Angebot der umliegenden Kulturakteure. Die Hofer Symphoniker, das Symphonieorchester der Internationalen Jungen Orchesterakademie, dessen international ausgewählte Besetzung im 80 km entfernten Pleystein probt, das Theater Hof sowie die Landesbühne Fränkischer Theatersommer bespielen es mit ihren Angeboten. Ergänzend werden kleine Ensembles, Kabarettisten oder Musikgruppen engagiert, die das Theaterprogramm komplettieren. Beinahe ausnahmslos aus dem eigenen Land. Beachtlich für eine Stadt dieser Größe.

Der Blick nach Bautzen macht dennoch neidisch. Das deutsch-sorbische Volkstheater Bautzen bietet alles, was sich als kulturelle Notwendigkeit für das Sechsämterland und sein tschechisches Konterfei, dem Egerland, aufdrängt: Ein ordentlich ausgestattetes Ensembletheater mit dem Auftrag der zweisprachigen Bespielung der Grenzregion in beiden EU-Mitgliedsstaaten.

In letzter Konsequenz kein Fall für die kommunale Kulturhoheit, sondern ein nationaler und internationaler Auftrag im Sinne eines zusammenwachsenden Europas. Hier ist Bayern gefragt und noch vielmehr der Bund und die Europäische Union. Das wäre ein großer Leuchtturm der Euregio Egrensis, der auch dem feinen Programm des Rosenthal-Theaters zugute käme.

Info:

Weiterführende Links: www.grenzlandfilmtage-selb.de

www.kunstnacht-selb.de

www.selb.de/theater

Weitere Artikel: