17 000 Inseln der Imagination
Indonesien ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse
veröffentlicht am 13.10.2015 | Lesezeit: ca. 8 Min.
Mit einem neuen Konzept und einem neuen Hallenplan wartet im Oktober die Frankfurter Buchmesse auf. So soll aufgezeigt werden, dass die internationale Verlagsszene seit Jahren immer stärker zusammenwächst. Vom 14. Oktober bis zum 18. Oktober ist Indonesien Ehrengast. Das südostasiatische Inselreich gewährt erstmals im deutschsprachigen Raum Einblicke in seine Kultur und Literatur, in seine Küche und seine Lebensart. Der Ehrengast wird auf der Ebene 1 im Forum präsentiert. Jürgen Boos, der Direktor der Messe, sieht in Indonesien einen „wichtigen neuen Mitstreiter im internationalen Publishing-Netzwerk“ und verspricht, dass man in diesem Jahr erleben werde, „wie eine junge Demokratie einen eigenen, innovativen Weg auf den Feldern Bildung, Lesen und Geschichtenerzählen beschreitet“.
„Mit der Rolle als Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2015 hat Indonesien die Gelegenheit, einen ersten zaghaften Schritt auf die internationale Literaturbühne zu machen“, erklärt Goenawan Mohamad, Leiter des Ehrengast-Komitees. „Wir sind ein in Europa wenig bekanntes Land und möchten nun die Tür öffnen, um den Menschen hier einen Blick auf unseren Archipel der Vielfalt zu ermöglichen. Wir heißen Sie alle willkommen – nicht nur als Touristen, sondern besonders als Entdecker.“ Indonesien stellt sich unter dem Leitspruch „17 000 Inseln der Imagination“ dar. Über fünf Dutzend Autorinnen und Autoren sind nach Frankfurt eingeladen, und zu entdecken gibt es wirklich vieles.
Selbst unter eifrigen Leseratten dürften sich nur wenige finden, die mit der indonesischen Literatur und Kultur vertraut sind, und selbst große Verlage haben kaum Schriftsteller aus dem größten Inselstaat der Welt im Programm. Vielmehr sind es gerade die Klein- und Kleinstverlage, die sich um Bücher über und aus der südostasiatischen Inselwelt verdient machen. Da ist beispielsweise der im oberfränkischen Großheirath verwurzelte Ostasien-Verlag, der Eka Kurniawans Roman „Tigermann“ herausbringt und, in einer zweisprachigen Ausgabe, auch Gedichte im Programm hat, da ist der Frankfurter Angkor Verlag, da ist die Edition Bracklo aus Gräfelfing, die sich um Kinderbücher aus dem asiatischen Raum verdient macht, da ist der Würzburger Hellmund-Verlag, der Lothar Reichels Bali-Krimi „Die Insel der Dämonen. Eine Geschichte von Liebe und Tod auf Bali“ verlegt.
Den Ehrengast-Pavillon verantwortet die Lyrikerin und Architektin Avianti Armand. „Wir schaffen im Pavillon unterschiedliche Bereiche, Inseln, die die Besucher zum Flanieren und Entdecken einladen – eine Anspielung darauf, dass auch die Welt der Bücher von immer neuen Begegnungen geprägt ist“, so Armand. „Jede der einzelnen Inseln hat dabei einen anderen Schwerpunkt und erzählt eine eigene Geschichte – von Worten, Bildern, Sagen und traditionellen Überlieferungen aber auch von Gewürzen und Geschmäckern.“ Neben Lesungen soll auch die Musik – man denke an die Gamelan-Ensembles – sollen Performances, Filme und Kulinarik die Messebesucher mit dem in Sachen Einwohnerzahl viertgrößten Staat der Welt bekannt machen.
Ein breitgefächertes Kunst- und Kulturprogramm tritt dem Ehrengastauftritt in Frankfurt zur Seite. Da ist beispielsweise der Frankfurter Kunstverein, der in der Ausstellung „Root. Indonesian Contemporary Art“ vom 26. September bis zum 29. November den Schwerpunkt auf zeitgenössische indonesische Kunst legt und unter anderem eine atemberaubende Bambusinstallation präsentiert. Das Fotografie Forum Frankfurt zeigt zwischen dem 1. Oktober und dem 15. November unter dem Titel „Beyond Transisi“ Arbeiten einflussreicher Fotokünstler aus Indonesien.
Das Haus am Dom zeigt in Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität vom 12. bis zum 25. Oktober die Ausstellung „Violence no more“. Die Retrospektive mit Werken der indonesischen Künstlerin Arahmaiani umfasst Fotografien, Installationen, Videos und die sogenannten „Grey Paintings“. Mit ihren im Spirituellen verwurzelten Arbeiten reagiert Arahmaiani seit über drei Dekaden auf die Übergriffe der Militärdiktatur ebenso wie auf die Einschüchterungsversuche radikal-islamischer Gruppen. Ergänzt wird die Schau um ein Dokumentarfilmprojekt von Ascan Breuer, welches die indonesische Demokratiebewegung in den Slums von Jakarta einfängt.
Die indonesische Musik in Geschichte und Gegenwart wird das Weltkulturenmuseum unter dem Titel „IMAG[IN]ING MUSICAL INDONESIA“ vom 30. September bis zum 15. November vorstellen. Während das Deutsche Architektur Museum mit der Ausstellung „Tropicality – Revisited“ den Einfluss des tropischen Klimas auf die Architektur Indonesiens beleuchtet (noch bis zum 22. November). Ein umfassendes Kooperationsprojekt, „Indonesia LAB“ geheißen, bringt verschiedene Musiker und Tänzer aus Deutschland und aus Asien gemeinsam auf die Bühnen Frankfurts und Indonesiens. Das Deutsche Filmmuseum sodann zeigt indonesische Klassiker ebenso wie dem jungen, unabhängigen Lichtspiel zuzurechnende Streifen.
Ohne die kundige Arbeit von Übersetzerinnen und Übersetzern blieben große Teile der Weltliteratur verschlossen. Naturgemäß sind auch sie in Frankfurt stark vertreten. So wird der Verband der Literaturübersetzer am 14. Oktober die Berliner Schriftstellerin und Literaturkritikerin Elke Schmitter mit der „Übersetzerbarke“ auszeichnen, weil Schmitter seit über zwei Jahrzehnten „mit ihrem präzisen Blick auf die Weltliteratur“ vor Augen führt, dass die „reflektierte Betrachtung übersetzerischer Leistungen zur Literaturkritik gehört“. Sodann wird sich eine Podiumsdiskussion des Themas „Politik Macht Sprachen – Grenzziehungen in Osteuropa“ annehmen. Es wird unter anderem untersucht, ob es so etwas wie eine „linguistische Säuberung“ gibt. In einem „Gläserner Übersetzer: Sprachgrenzen“ geheißenen Salon kann man direkt verfolgen, wie Literaturübersetzer arbeiten. Ein weiterer Salon widmet sich dem maschinellen Übersetzen. Beim „Translation Slam: Mensch UND Maschine?“ wird am Buchmessensamstag anhand eines Fachtextes gezeigt, was die maschinelle Übersetzung zu leisten vermag, und was nicht.
Dem internationalen Dialog und dem globalen Lesen gilt der „Weltempfang 2015“, der auf einer Fläche von gut 500 Quadratmeters erstmals in der Halle 3.1 seinen Auftritt hat. In diesem Oktober wird das Thema „Grenzverläufe“ im Mittelpunkt stehen. So werden sich beispielsweise der Schriftsteller Ilija Trojanow, Andreas Görgen vom Auswärtigen Amt und der Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Jürgen Kaube, über „Auswäritge Kulturpolitik – Pfauenfeder oder Feigenblatt?“ austauschen. Auch ist der Kulturtheoretiker und Schriftsteller Klaus Theweleit zu Gast, der sich mit dem Philosophen und Kulturwissenschaftler Thomas Macho am finalen Buchmessetag „Über die Lust am Töten und das Lachen der Täter“ unterhalten wird.
Im Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse stehen selbstverständlich Neuerscheinungen und neue Entwicklungen und Tendenzen auf dem Buchmarkt. Vertreten ist aber auch das antiquarische Buch. In der Halle 4.1 werden antiquarische Schätze ausgestellt. Ein knappes halbes Hundert Antiquariate ist in diesem Jahr vertreten. Seltene Bücher, alte Drucke, Inkunabeln, Grafiken und Autografen können bestaunt und erworben werden. Auch zum Gastland Indonesien, dem sich beispielsweise das Antiquariat Charlotte Du Rietz – es gilt als Asienspezialist – annimmt und auch die Münchnerin Monika Schmidt, die zumal im Bereich der Topographie über ein breites Angebot verfügt. Die Tage vom 14. Oktober bis zum 16. Oktober sind Fachbesuchern vorbehalten, am dritten Oktoberwochenende ist dann auch das interessierte Publikum willkommen. Mit um die 7100 Ausstellern aus mehr als hundert Ländern, mit über 4000 Veranstaltungen, die natürlich weit über traditionelle Lesungen hinausgehen, und mit nicht ganz 10000 akkreditierten Journalisten ist Frankfurt die weltweit größte Fachmesse für die Verlagswelt.
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Tanz, © Tim Salihara